Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen der H GmbH in G, vertreten durch die Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Volksgartenstraße 1 (Styria Center), gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark jeweils vom 29. April 2022, 1) Zl. LVwG 41.11 2803/2021 11 (Ra 2022/10/0141), und 2) Zl. LVwG 41.11 2804/2021 11 (Ra 2022/10/0142), betreffend Anordnung von Maßnahmen gemäß § 39 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 In dem zu Ra 2022/10/0141 vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren untersagte das Landesverwaltungsgericht Steiermark (kurz: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis im Beschwerdeverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 Lebensmittelsicherheits und Verbraucherschutzgesetz LMSVG der Revisionswerberin, das nicht zugelassene neuartige Lebensmittel „Hanfama CBD ÖL 5 %“ in Verkehr zu bringen. Das Verbot gelte so lange bis die im Produkt enthaltenen Cannabinoid haltigen Extrakte gemäß der Novel Food VO (EU) 2015/2283 idgF. als neuartige Lebensmittel („Novel Food“) zugelassen seien.
2 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
3 In dem zu Ra 2022/10/0142 vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren untersagte das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis im Beschwerdeverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 LMSVG der Revisionswerberin, das nicht zugelassene neuartige Lebensmittel „Hanfama CBD ÖL 10 %“ in Verkehr zu bringen. Das Verbot gelte so lange, bis die im Produkt enthaltenen Cannabinoid haltigen Extrakte gemäß der Novel Food VO (EU) 2015/2283 idgF. als neuartige Lebensmittel („Novel Food“) zugelassen seien.
4 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht in beiden Verfahren zusammengefasst aus, dass das verfahrensgegenständliche Produkt (CBD Öl) mehrere typische Kennzeichnungselemente für Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel enthalte. Es seien die im Gutachten der AGES getroffenen Schlussfolgerungen, dass das Produkt zwar offiziell als Aromaprodukt gekennzeichnet sei, aber tatsächlich vorwiegend oral eingenommen werden solle, für das Verwaltungsgericht schlüssig und nachvollziehbar, sodass das verfahrensgegenständliche Produkt aufgrund seiner Gesamtaufmachung und der zu erwartenden tropfenweisen Einnahme in die Lebensmittelkategorie der Nahrungsergänzungsmittel falle.
6 Gegen diese Erkenntnisse erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof trat dem Verwaltungsgerichtshof diese Beschwerden nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 21. Juli 2022, E 1549/2022 7 und E 1550/2022 7, gemäß Art. 144 Abs 3 B VG zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionsverfahren wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Begründung der Zulässigkeit der gleichlautenden Revisionen wird vorgebracht, dass das vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidungen auch herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juni 2020, Ro 2020/11/0002 6 (das die Einordnung von Hanfblüten als pflanzliches Raucherzeugnis betraf), nicht einschlägig sei. In weiterer Folge wird diese Annahme näher begründet. Der vom Verwaltungsgericht gezogene Größenschluss, dass alles, was in einem flüssigen Zustand vom Menschen verzehrt werde, ein Nahrungsmittel sei, sei nicht möglich, da andernfalls sämtliche Produkte „in flüssiger Form, die Pipetten enthalten“, als Nahrungsmittel zu qualifizieren seien. Darüber hinaus ziehe sich das Verwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung darauf zurück, dass die von der AGES getroffenen Schlussfolgerungen, nämlich, dass das Produkt zwar offiziell als Aromaprodukt gekennzeichnet sei, das CBD Öl aber in Wahrheit vorwiegend oral eingenommen werden solle, schlüssig und nachvollziehbar seien und beurteile somit allein auf der Grundlage des von der AGES erstatteten Gutachtens die rechtliche Einstufung als Lebensmittel.
Die rechtliche Beurteilung, ob es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Produkt um ein Lebensmittel handle, sei der AGES entzogen, da es sich dabei um eine Rechtsfrage und nicht um eine mittels Gutachten zu lösende Tatfrage handle.
11 Zusammengefasst werden in der Zulässigkeitsbegründung der Revision sodann folgende Rechtsfragen „konkretisiert“:
„Ist die Beurteilung eines Produktes als Lebensmittel auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung zu einem ex lege als Lebensmittel ausgeschlossenen Produkt zulässig?“
„Kann nach vernünftigem Ermessen erwartet werden, dass CBD ÖL vom Menschen aufgenommen wird, obwohl auf der Verpackung der Hinweis ‚nicht zum Verzehr‘ geeignet, angebracht ist?“
„Ist die Beurteilung eines Produktes als Lebensmittel allein auf Grund eines Gutachtens der AGES gem § 65 Abs 1 LMSVG iVm § 8 GESG zulässig?“
„Ist die Beurteilung eines Produktes als Lebensmittel einem Gutachten durch die Agentur gem § 65 Abs 1 LMSVG iVm § 8 GESG zugänglich?“
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).
13 § 3 Z 1 des Lebensmittelsicherheits und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006 idF. BGBl. I Nr. 256/2021, definiert Lebensmittel als „Lebensmittel gemäß Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002“.
14 § 39 Abs. 1 Z 1 dieses Gesetzes lautet:
„Maßnahmen
§ 39.
(1) Bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hat der Landeshauptmann mit Bescheid, gegebenenfalls unter einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist und unter Ausspruch der notwendigen Bedingungen oder Auflagen, die nach Art des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung anzuordnen, wie insbesondere:
1. die Einschränkung oder das Verbot des Inverkehrbringens oder der Verwendung, einschließlich der Abschaltung der vom Unternehmer betriebenen oder genutzten Internetseiten; ...“
15 Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit idF. der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1), hat folgenden Wortlaut:
„Artikel 2
Definition von ‚Lebensmittel‘
Im Sinne dieser Verordnung sind ‚Lebensmittel‘ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
Zu ‚Lebensmitteln‘ zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe einschließlich Wasser , die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Wasser zählt hierzu unbeschadet der Anforderungen der Richtlinien 80/778/EWG und 98/83/EG ab der Stelle der Einhaltung im Sinne des Artikels 6 der Richtlinie 98/83/EG.
Nicht zu ‚Lebensmitteln‘ gehören:
a) Futtermittel,
b) lebende Tiere, soweit sie nicht für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind,
c) Pflanzen vor dem Ernten,
d) Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG des Rates,
e) kosmetische Mittel im Sinne der Richtlinie 76/768/EWG des Rates,
f) Tabak und Tabakerzeugnisse im Sinne der Richtlinie 89/622/EWG des Rates,
g) Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe im Sinne des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe, 1961, und des Übereinkommens der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe, 1971,
h) Rückstände und Kontaminanten,
i) Medizinprodukte im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates.“
16 Das Verwaltungsgericht gelangte gegenständlich zum Ergebnis, dass die in Rede stehenden Öle Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind. Lebensmittel im Sinne dieser Verordnung sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.
17 Das Verwaltungsgericht stützte sich dazu in den Sachverhaltsfeststellungen großteils auf wörtlich wiedergegebene Passagen eines eingeholten Gutachtens der AGES vom 11. August 2021, das eine ausführliche Beschreibung des gegenständlichen Produktes (CBD Öl) enthält. In der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes erfolgt sodann eine Auseinandersetzung mit den Merkmalen dieses Produktes, wie insbesondere die auf der Verpackung aufscheinenden Angaben, die Herstellung von CBD Ölen „nach den Standards für Lebensmittel“ sowie mit Presseartikeln und Informationen, nach denen CBD Öle zwar nur als Aromaöle gekennzeichnet werden dürfen, „sich jedoch von Inhaltsstoffen eines Nahrungsergänzungsmittels nicht unterscheiden“ und „oral eingenommen werden können“.
18 Aus den genannten Merkmalen folgerte das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung, dass das verfahrensgegenständliche Produkt „aufgrund seiner Gesamtaufmachung und der zu erwartenden tropfenweise Einnahme“ in die Lebensmittelkategorie der Nahrungsergänzungsmittel falle.
19 Unter Zugrundelegung der hier nicht weiter auslegungsbedürftigen Definition von Lebensmittel gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zeigt die Revision nicht auf, weshalb die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass nach vernünftigem Ermessen zu erwarten sei, dass CBD Öl von Menschen aufgenommen wird, unzutreffend erfolgt ist bzw. gar eine krasse Fehlbeurteilung darstellt (vgl. VwGH 16.1.2025, Ra 2024/04/0424).
20 Soweit in der Revision geltend gemacht wird, das vom Verwaltungsgericht herangezogene (ein Raucherzeugnis betreffendes) Erkenntnis Ro 2020/11/0001 sei nicht einschlägig, so führt dies dazu, dass gerade deshalb in Ermangelung eines gleichgelagerten Sachverhalts auch keine Abweichung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vorliegen kann (vgl. VwGH 16.8.2024, Ra 2023/10/0427, mit Verweis auf VwGH 28.5.2019, Ra 2018/10/0134; 6.3.2019, Ro 2018/03/0029; 17.9.2018, Ra 2018/11/0180).
21 Vom Verwaltungsgericht wurde vielmehr eine Gesamtbetrachtung anhand verschiedener Merkmale des Produktes durchgeführt.
22 Darauf ist der Revisionswerber hinzuweisen, wenn er vorbringt, dass die Beurteilung eines Lebensmittels aufgrund „allgemeiner Lebenserfahrung“ nicht zulässig sei bzw. ob der Einstufung als Lebensmittel nicht der Hinweis „nicht zum Verkehr geeignet“ entgegen steht. Davon ist das Schicksal der Revision nicht abhängig im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG, da das Verwaltungsgericht nicht „nach allgemeiner Lebenserfahrung“ bzw. nicht diesen Hinweis alleine beurteilt hat, sondern seine Beurteilung in einer Gesamtbetrachtung verschiedener Aspekte vorgenommen hat.
23 Auch von der in der Revision aufgeworfenen Thematik, ob die Beurteilung „allein aufgrund des Gutachtens der AGES“ rechtmäßig ist, hängt das Schicksal der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht ab. Zwar hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis seine Sachverhaltsfeststellungen großteils durch Wiedergabe des Gutachtens der AGES getroffen (womit es seiner Entscheidung die betreffenden im Gutachten angeführten Tatsachen als erwiesen zugrunde gelegt hat), es hat aber darauf aufbauend in der rechtlichen Beurteilung eine Gesamtbetrachtung dieser Tatsachen vorgenommen und damit die Rechtsfrage der Qualifikation des in Rede stehenden Produktes als Lebensmittel eigenverantwortlich gelöst (daran ändert nichts, dass sich auch im Gutachten bereits rechtliche Überlegungen dazu finden).
24 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Mai 2025