Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, die Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision der Tierschutzombudsperson des Landes Tirol gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 13. August 2024, LVwG 2024/34/19056, betreffend Aufhebung einer Strafverfügung gemäß § 52a VStG iA Übertretung des TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst; mitbeteiligte Partei: W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 24. Jänner 2023 wurde der Mitbeteiligte der Übertretung der Anlage 4 Z 2.8. der 1. Tierhaltungsverordnung iVm § 24 Abs. 1 Z 1 Tierschutzgesetz (TSchG) und § 38 Abs. 3 TSchG schuldig erkannt und es wurden über ihn eine Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es in einem angeführten Zeitraum unterlassen habe, sicherzustellen, dass bei den von ihm als Tierhalter an einem näher bezeichneten Ort überwiegend im Freien gehaltenen Ziegen für jedes Tier eine überdachte, trockene und eingestreute Liegefläche mit Windschutz in einem Ausmaß zur Verfügung stehe, das allen Tieren ein gleichzeitig ungestörtes Liegen ermögliche.
1Mit Bescheid vom 7. Februar 2024 hob die belangte Behörde die in Rechtskraft erwachsene Strafverfügung von Amts wegen gemäß § 52a Abs. 1 VStG mit der Begründung auf, dass gegen den Mitbeteiligten auch ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck anhängig sei.
2Mit Anklageschrift vom 12. Februar 2024 legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck dem Mitbeteiligten das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall StGB zur Last.
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die gegen den Aufhebungsbescheid erhobene Beschwerde der Tierschutzombudsperson des Landes Tirol (und nunmehrigen revisionswerbenden Partei) als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig, weil „sich zum einen die Frage [stellt], inwiefern der Tierschutzombudsperson in Angelegenheiten nach § 52a VStG Parteistellung zukommt. Zum anderen ist unklar, ob die Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Falkner gegen Österreich (und damit die Deckung für die vorerwähnte Verwaltungspraxis) infolge der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Stăvilă gegen Rumänienüberholt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage, ob § 52a VStG mit den in der Rechtssache Stăvilă gegen Rumänien entwickelten Vorgaben vereinbar ist, bis dato nicht beschäftigt.“
4 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Tierschutzombudsperson, die als Zulässigkeitsbegründung ausschließlich jene des Verwaltungsgerichtes wiedergibt.
5 Im vom Verwaltungsgericht und ergänzend vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung eingebracht.
6 Die Revision erweist sich als unzulässig:
7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung; der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele VwGH 11.1.2023, Ro 2020/05/0007, mwN).
9Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002, mwN).
10Im gegenständlichen Fall begründete das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Revision zunächst damit, dass sich die Frage stelle, ob der Tierschutzombudsperson in Angelegenheiten nach § 52a VStG Parteistellung zukomme. Auch die Revision der Tierschutzombudsperson releviert diese Rechtsfrage und ergänzt, dass ihr auch das Recht zukomme, Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
11Gemäß § 41 Abs. 5 TSchG wird der Tierschutzombudsperson das Recht eingeräumt, Rechtsmittel gegen Bescheide in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes sowie des Tiertransportgesetzes 2007 zu ergreifen, einschließlich Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben und die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften sowie die Interessen des Tierschutzes (Abs. 3) geltend zu machen.
12 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte eines staatlichen Organs subjektivöffentliche Rechte der Organpartei darstellen. Subjektiv-öffentliche Rechte des materiellen Rechts können hingegen nur auf Grund einer entsprechenden Regelung des Materiengesetzgebers zustehen (vgl. etwa VwGH 14.3.2024, Ro 2022/11/0003, mwN).
13Gegenständlich hat die revisionswerbende Tierschutzombudsperson von dem in § 41 Abs. 5 TSchG eingeräumten Recht, die Einhaltung tierschutzrechtlicher Vorschriften sowie die Interessen des Tierschutzes geltend zu machen und gegen die Aufhebung einer Bestrafung nach dem TSchG Beschwerde zu erheben, Gebrauch gemacht. Das Verwaltungsgericht hat ihr die Parteistellung auch eingeräumt, indem es ihre Beschwerde nicht zurückwies, sondern darüber inhaltlich absprach.
14 Ausgehend davon ist nicht zu erkennen, dass die revisionswerbende Tierschutzombudsperson im vorliegenden Fall durch das angefochtene Erkenntnis in ihren (subjektiv-öffentlichen) Parteirechten verletzt worden sein konnte. Eine Verletzung der ihr zustehenden Verfahrensrechte macht die Revisionswerberin auch nicht geltend. Der Erfolg ihrer Revision hängt damit nicht von der zur Zulässigkeit ins Treffen geführten Fragestellung ab und kann nicht zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision führen.
15Als weiteren Zulässigkeitsgrund führt das Verwaltungsgericht an, der Verwaltungsgerichtshof habe sich noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob § 52a VStG mit den in der Rechtssache Stăvilă gegen Rumänien entwickelten Vorgaben des EGMR vereinbar sei. Die Revisionswerberin schließt sich diesen Ausführungen in ihrer Zulässigkeitsbegründung wortident an.
16Dem ist zu erwidern, dass die Revisionszulässigkeit einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem konkreten Sachverhalt und der darauf aufbauenden rechtlichen Beurteilung bedarf. Die Rechtsfrage, welche der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat, ist konkret zu umschreiben (vgl. etwa VwGH 28.2.2022, Ro 2022/09/0002; 18.3.2025, Ro 2023/12/0009, jeweils mwN).
17Der in der vorliegenden Revisionszulässigkeitsbegründung angesprochene § 52a VStG sieht in seinem Abs. 1 vor, dass von Amts wegen der Beschwerde beim Verwaltungsgericht nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden können.
18 Inwieweit diese gesetzliche Regelung mit den vom Verwaltungsgericht angesprochenen, aber nicht näher umschriebenen „Vorgaben des EGMR“ in dessen Urteil vom 1. März 2022, Nr. 23126/16, Stăvilă gegen Rumänien, nicht vereinbar sein soll, legt das Verwaltungsgericht in seiner Zulässigkeitsbegründung nicht dar. Im Übrigen hat es seine Entscheidung unter Heranziehung des § 52a VStG getroffen, also im Ergebnis nicht in Frage gestellt, dass diese Norm auch weiterhin uneingeschränkt anzuwenden ist. Auch die Revisionswerberin führt in der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision nicht aus, weshalb sie eine andere rechtliche Sichtweise einnehmen möchte und welche Vorgaben des genannten EGMR Urteils gegen die genannte Regelung sprechen sollen. Schon deshalb erweist sich die Revision als nicht zulässig.
19Abschließend ist lediglich anzumerken, dass das genannte Urteil des EGMR einen sachverhaltsmäßig nicht vergleichbaren Fall betraf und der EGMR darin betonte, dass das Risiko eines Fehlers der Strafverfolgungsbehörde oder des Gerichts vom Staat getragen werden müsse und nicht zum Nachteil des Beschuldigten behoben werden dürfe (vgl. Rn. 97 des Urteils, mwN). Dass § 52a VStG eine derartige, zum Nachteil des Bestraften erfolgende Behebung von Fehlern der Behörde erlaubt, ist nicht zu erkennen.
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, deren im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. August 2025