Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts in 1030 Wien, Erdbergstraße 192 196, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2022, Zlen. 1. W176 2255108 1/2E und 2. W176 2255109 1/2E, betreffend Beteiligtengebühr nach § 26 Abs. 1 und 5 VwGVG (mitbeteiligte Partei: N V in G), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem u.a. ihr Antrag auf Beteiligtengebühr abgewiesen worden war, insoweit statt, als ihr im Hinblick auf ihre Teilnahme an der am 19. November 2021 durchgeführten Verhandlung Reisegebühren in näher bezeichneter Höhe zuerkannt wurden.
2 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, am 19. November 2021 sei vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung betreffend den Antrag des minderjährigen Sohns der Mitbeteiligten auf internationalen Schutz durchgeführt worden. Die Ladung zu dieser Verhandlung sei an den minderjährigen Sohn der Mitbeteiligten, „gesetzl. vertreten durch“ die Mitbeteiligte ergangen.
3 In der Verhandlung sei die Mitbeteiligte insbesondere zur Krankheit ihres Sohns und dessen medizinischer Behandlung einvernommen worden. Der Sohn der Mitbeteiligten habe an der Verhandlung nicht teilgenommen.
4 Mit einem am 23. November 2021 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz habe die Mitbeteiligte Reisekosten in näher bezeichneter Höhe begehrt.
5 Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 habe das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der Mitbeteiligten mit der Begründung abgewiesen, dass sie in der Verhandlung vom 19. November 2021 ausschließlich als gesetzliche Vertreterin ihres Sohns fungiert habe und ihr mangels Rechtsgrundlage ein Gebührenanspruch nicht zustehe.
6 Dagegen richte sich die Beschwerde der Mitbeteiligten.
7Diese sei in der Verhandlung vom 19. November 2021 förmlich gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG als Beteiligte einvernommen worden. Dies ergebe sich aus der Niederschrift über die Verhandlung, wonach die Mitbeteiligte „gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG (Wahrheitspflicht) belehrt“ worden sei, „mit dem Hinweis, dass der Weigerungsgrund des § 49 Abs. 1 Z 1 wegen Gefahr eines Vermögensnachteils“ für sie nicht gelte. Überdies sei die Mitbeteiligte wie sich aus der Verhandlungsschrift ergebe offensichtlich mit dem Ziel der Klärung des maßgeblichen Sachverhalts befragt worden und hätten sich ihre Aussagen keinesfalls auf Willensäußerungen oder Erklärungen, die typischerweise vom gesetzlichen Vertreter abgegeben würden, beschränkt.
8Somit sei die Mitbeteiligte eine Beteiligte, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Beweiszwecken vernommen worden sei, sodass ihr gemäß § 26 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG ein Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und §§ 3 bis 18 GebAG zustehe.
9Eine ordentliche Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen gesetzlichen Vertretern, die in mündlichen Verhandlungen vor Verwaltungsgerichten zu Beweiszwecken einvernommen würden, ein Gebührenanspruch nach § 26 VwGVG zustehe.
10Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision in der zur Zulässigkeit ergänzend vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Rechtsstellung eines Vertreters iSd § 10 AVG iVm § 12 AVG abgewichen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Mai 2019, Ra 2019/16/0084, ausgesprochen habe, dürfe § 12 AVG nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass dadurch der gesetzliche oder gewillkürte Vertreter selbst zum Beteiligten werde oder gar die Parteistellung im Verwaltungsverfahren einnehme. Die Ladung und Vernehmung eines Vertreters komme daher nur als Zeuge oder allenfalls als Sachverständiger, nicht aber als Beteiligter in Betracht.
11 Das Bundesverwaltungsgericht legte die Amtsrevision nach Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, dem Verwaltungsgerichtshof vor.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15§ 26 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise wie folgt:
„(1) Zeugen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Beweiszwecken vernommen werden oder deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterbleibt, haben Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und den §§ 3 bis 18 des GebührenanspruchsgesetzesGebAG, BGBl. Nr. 136/1975. [...]
[...]
(5) Die Abs. 1 bis 4 gelten auch für Beteiligte.“
16Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Mai 2019, Ra 2019/16/0084, ausgesprochen hat, setzt der Gebührenanspruch eines Beteiligten nach § 26 Abs. 5 VwGVG voraus, dass seine Einvernahme im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Beweiszwecken erfolgt ist (vgl. VwGH 24.4.2020, Ro 2020/16/0005; 23.9.2021, Ra 2021/16/0011).
17Aus § 4 Abs. 1 GebAG folgt, dass der Anspruch auf die Gebühr dem Zeugen oder Beteiligten zusteht, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen oder Beteiligten zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist (vgl. erneut VwGH 23.9.2021, Ra 2021/16/0011).
18Nach den unbestrittenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Mitbeteiligte zwar nicht als Beteiligte zur Verhandlung vom 19. November 2021 geladen, jedoch in dieser förmlich gemäß § 51 AVG iVm § 49 AVG als Beteiligte einvernommen.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 4. Juli 2001, 97/17/0128, ausgesprochen, dass es nicht Aufgabe der über die von einem Zeugen beanspruchten Gebühren absprechenden Verwaltungsbehörden sein kann, eine gerichtliche Ladung dahin zu überprüfen, ob der Geschäftsführer einer juristischen Person, die als Privatanklägerin in einem Strafverfahren auftritt, als Zeuge oder als Privatankläger zu laden gewesen wäre und ob insoweit etwa kein Gebührenanspruch zustünde.
20 Unter Bezugnahme auf diese Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28.4.2003, 99/17/0207, ausgeführt, dass es ebenso wenig Aufgabe der Verwaltungsbehörden ist, ein gerichtliches Vorgehen dahingehend zu überprüfen, ob eine Einvernahme als Zeuge gerechtfertigt gewesen sei oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte damit im Ergebnis den Gebührenanspruch des Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, weil dieser nach dem Inhalt des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung als Zeuge einvernommen worden war.
21Wie sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits ergibt, ist auch die Gebührenbestimmung nach § 26 VwGVG ein Akt der Justizverwaltung (vgl. VwGH 24.4.2020, Ro 2020/16/0005, mwN); diesen Verwaltungsbehörden kommt keine Zuständigkeit zu, Akte der Gerichtsbarkeit (z.B. Ladung und Einvernahme einer Person als Beteiligte statt als Zeugin) auf deren Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.
22 Im revisionsgegenständlichen Fall erfolgte festgestellter Maßen eine förmliche Einvernahme der Mitbeteiligten als Beteiligte zu Beweiszwecken im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Auch die Bestimmung des § 26 Abs. 1 und 5 VwGVG ist dahingehend zu verstehen, dass es auf die Art der gerichtlichen Einvernahme ankommt, woraus sich folglich der Gebührenanspruch ableitet.
23 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhinge. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. März 2025