Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der B S in F, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Dezember 2021, Zl. W203 2236781 1/2E, betreffend Nichtigerklärung der Beurteilung einer Dissertation und Widerruf eines akademischen Grades (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Studienrektorin der Universität Klagenfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Universität Klagenfurt Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. Dezember 2021 erklärte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren die Beurteilung der Dissertation der Revisionswerberin gemäß § 73 Abs. 1 Z 2 Universitätsgesetz 2000 UG für nichtig und hob den Bescheid über die Verleihung des akademischen Grades „Doktor der Philosophie“ („Dr. phil.“) an die Revisionswerberin gemäß § 89 UG auf, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Interesse zugrunde, die Revisionswerberin habe ihr Doktoratsstudium der Philosophie im Fach Pädagogik mit dem Rigorosum am 22. Dezember 2016 abgeschlossen.
3 Ihre Dissertation mit dem Titel „Die vielen Gesichter der Trauer bei Verlust eines Ehe- bzw. Lebenspartners. Aspekte einer individuellen Trauerbewältigung“ sei am 23. Mai 2016 eingereicht und mit der Gesamtnote „Gut“ beurteilt worden.
4 Den theoretischen Teil der Dissertation (S. 1 bis 166) habe die Revisionswerberin selbst verfasst. Der darauf folgende empirische Teil der Arbeit (S. 167 bis 264) sei ein wesentlicher Bestandteil der Dissertation, ohne den die Arbeit nicht positiv hätte bewertet werden können.
5 Ein erster Entwurf der Dissertation sei unzureichend gewesen, sodass ihn die Revisionswerberin grundlegend überarbeiten habe müssen.
6 Die in der Folge vorgelegte Version der Dissertation sei in folgenden Punkten nicht von der Revisionswerberin, sondern von einem Ghostwriter erstellt worden: die Herstellung eines Konnexes zwischen dem theoretischen und dem empirischen Teil der Arbeit, die Ableitung der in Kapitel 9.2. beschriebenen Hypothesen aus dem theoretischen Teil der Arbeit, die statistische Auswertung des Fragebogens sowie das Layout der Tabellen und Graphiken.
7 Der Ghostwriter habe auch die für das Rigorosum erforderliche Präsentation erstellt.
8 Für die erbrachten Leistungen habe die Revisionswerberin dem Ghostwriter ein Honorar von € 1.000, bezahlt.
9 Die Unterstützung durch einen Ghostwriter bei der Erstellung des empirischen Teils der Arbeit bzw. der Umfang der Unterstützung seien entgegen einer eidesstattlichen Erklärung der Revisionswerberin, „die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, einschließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt zu haben“ an keiner Stelle der Dissertation offengelegt worden.
10 Ohne die vom Ghostwriter erbrachten Leistungen bzw. bei Offenlegung der vom Ghostwriter erbrachten Leistungen wäre die Dissertation weniger günstig zu beurteilen gewesen.
11 In seiner Beweiswürdigung stützte sich das Verwaltungsgericht zum festgestellten Umfang des Beitrags des Ghostwriters (näher begründet) auf eine Stellungnahme der Ombudsstelle zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis sowie auf die von der Revisionswerberin nicht bestrittene Zahlung „eines höheren Geldbetrags“ an den Ghostwriter.
12 Die Feststellung, dass ohne die unterstützenden Leistungen durch den Ghostwriter bzw. bei Offenlegung derselben die Dissertation weniger günstig zu beurteilen gewesen wäre, ergebe sich ebenfalls aus der Stellungnahme der Ombudsstelle sowie den (näher wiedergegebenen) Angaben des Erstbetreuers der Arbeit.
13 Dass die Unterstützungsleistungen durch den Ghostwriter in der Dissertation nicht erwähnt worden seien, habe die Revisionswerberin nicht bestritten.
14 In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht iSd § 73 Abs. 1 Z 2 UG von einem „Erschleichen“ der Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeit durch die Revisionswerberin aus (dazu Hinweis u.a. auf VwGH 27.5.2014, 2011/10/0187), insbesondere weil angesichts des festgestellten Sachverhaltes die Legaldefinition des Plagiats iSd § 51 Abs. 2 Z 31 UG erfüllt sei.
15 Dass es von einer Verhandlung absah, begründete das Verwaltungsgericht (unter Hinweis auf bestimmte Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes) mit § 24 Abs. 4 VwGVG.
16 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
17 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt. Die Revisionswerberin hat darauf repliziert.
18 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 21.11.2022, Ra 2021/10/0049, mwN).
22 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 11.4.2023, 2021/10/0191, mwN).
23 3.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision machen zunächst geltend, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Anwendung des § 24 Abs. 4 VwGVG von näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen (Hinweis u.a. auf VwGH 27.1.2015, Ra 2014/19/0085), weil der Revisionswerber die Feststellungen der belangten Behörde in seiner Beschwerde substantiiert bestritten habe.
24 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass es außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK wie hier (vgl. etwa VwGH 21.5.2012, 2011/10/0113, sowie 30.1.2019, Ra 2019/10/0002, zu Verfahren nach dem UG) weiterhin Sache des Revisionswerbers ist, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2015/10/0127, sowie 26.9.2022, Ro 2020/04/0036, jeweils mwN).
25 Es wäre demnach an der Revisionswerberin gelegen, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen; diesbezügliche (konkrete) Darlegungen sind der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision allerdings nicht zu entnehmen.
26 3.2. Im Weiteren wendet sich die Revisionswerberin gegen die den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde liegende Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes (vgl. deren Wiedergabe oben unter Rz 11 bis 13).
27 Als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgerichtshof die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 14.8.2018, Ra 2018/01/0344 bis 0346, mwN, oder 22.8.2022, Ra 2021/10/0001).
28 Abgesehen davon, dass die in diesem Zusammenhang unterbreiteten Ausführungen der Revisionswerberin großteils der Sache nach lediglich Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (zur unzulässigen Vermengung von Revisionsgründen und Zulässigkeitsausführungen vgl. etwa VwGH 30.1.2020, Ra 2020/10/0008, mwN), vermag die Revisionswerberin damit nicht darzulegen, das Verwaltungsgericht habe eine unvertretbare, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Beweiswürdigung vorgenommen.
29 3.3. Schließlich wenden sich die Zulässigkeitsausführungen der Revisionswerberin gegen die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, es liege ein „Erschleichen“ der Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeit iSd § 73 Abs. 1 Z 2 UG vor.
30 In diesem Zusammenhang entfernt sich die Revisionswerberin allerdings von dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt, sodass sie damit schon aus diesem Grund keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigen kann (vgl. etwa VwGH 20.4.2023, Ro 2021/10/0014, mwN).
31 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
32 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. August 2023