Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Revisionssache der Mag. B G, vertreten durch Dr. Christoph Schützenberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Dezember 2021, VGW 111/024/6150/2021 34, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: F GmbH, vertreten durch die Hasch und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. März 2021 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 70 der Bauordnung für Wien BO für Wien iVm § 83 Abs. 2 und 3 sowie § 94 Abs. 4 leg. cit. und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes 2008 die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit insgesamt 14 Wohnungen samt Tiefgarage mit 13 Stellplätzen auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in 1110 Wien erteilt.
2 Dagegen erhoben mehrere Nachbarn des Bauvorhabens, unter anderem die nunmehrige Revisionswerberin, Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden der Nachbarn nach Einholung u.a. des Gutachtens eines Amtssachverständigen für Stadtteilplanung und Flächenwidmung sowie nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.) und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei. (II.).
4 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht dazu, soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz, aus, die gegenständlichen Baufluchtlinien auf dem Baugrundstück seien nicht kotiert, obwohl die Möglichkeit der Kotierung für den Verordnungsgeber bestanden hätte und eine solche Kotierung ausweislich des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachtens des bautechnischen Amtssachverständigen auch Praxis sei. Von Strichmitte zu Strichmitte (Anmerkung: der in Rede stehenden Baufluchtlinien) ergebe sich eine Bebauungstiefe von 12 m zuzüglich 0,7 m Messdifferenz. Die gegenständlich projektierte Gebäudetiefe von 12,5 m, damit von weniger als 12,7 m, liege somit innerhalb der Baufluchtlinien.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung, in welcher jeweils der Antrag auf Zurück , in eventu auf Abweisung der Revision, jeweils unter Kostenzuspruch, gestellt wurde.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. für viele etwa VwGH 24.7.2025, Ra 2023/05/0033, Rn. 7, oder auch den in der Revision zitierten Beschluss VwGH 27.2.2020, Ra 2019/10/0121, Rn. 11, jeweils mwN).
11Zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht billige entgegen der höchstgerichtlichen Judikatur eine Bebauungstiefe von 12,5 m (Hinweis auf VfGH 14.6.2019, V 81/2018 u.a., sowie auf VwGH 27.2.2020, Ra 2019/10/0121). Entsprechend der genannten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2019 eröffneten „Widmungsgrenzen keinen Spielraum in Strichstärke“. Die Strichmitte lasse sich „ nach dem derzeitigen Stand der Vermessungstechnik zumindest bei Plänen im Maßstab von 1:5000 präzisieren und mit einer Unschärfe im Bereich von nur noch wenigen Dezimetern in die Natur übertragen “. Dies müsse umso mehr für einen Planmaßstab von 1:2000 gelten. Sollte die genannte Judikatur nicht anwendbar sein, fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob die fehlende Kotierung zwischen zwei zueinander in Bezug stehenden und die Bautiefe markierenden Baufluchtlinien einen Ermessensspielraum zulasse. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu einem Straßenbauvorhaben erkannt, dass „ bei einem Maßstab 1:5000 des Flächenwidmungsplanes zwar der Verlauf der Trasse der Straße auszunehmen ist, mangels Kotierung aber Unstimmigkeiten in geringfügigem Ausmaß nicht als Widerspruch zum Flächenwidmungsplan erkannt werden können“ (Hinweis auf VwGH 7.9.2017, Ra 2016/06/0018 mit Hinweis auf VwGH 13.12.1990, 90/06/0131). Der gegenständliche Fall betreffe den Abstand zwischen zwei Baufluchtlinien im Bebauungsplan.
12 Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
13Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. für viele etwa VwGH 5.12.2024, Ro 2023/05/0008, Rn. 11, mwN).
14 Die Aufzählung der subjektivöffentlichen Nachbarrechte des § 134a BO für Wien ist taxativ („ausschließlich“). Die dort genannten Nachbarrechte werden weiter dadurch eingeschränkt, dass die zugrunde liegenden Bestimmungen von Eigentümern benachbarter Liegenschaften nur herangezogen werden können, „sofern sie ihrem Schutze dienen“ - das heißt, wenn der Nachbar durch ihre Nichteinhaltung selbst betroffen wäre (vgl. etwa VwGH 11.12.2024, Ro 2022/05/0010, Rn. 42, mwN).
15 Mit den allgemeinen Zulässigkeitsausführungen der gegenständlichen Nachbarrevision wird fallbezogen (Anmerkung: die Revisionswerberin ist die seitliche Nachbarin) vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung zur Rechtsstellung des Nachbarn im Bauverfahrennicht aufgezeigt, inwieweit das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bzw. von der Beantwortung der gestellten Rechtsfrage abhängen sollte (vgl. dazu, dass der Nachbar nur die Überschreitung der seiner Liegenschaft zugekehrten Baufluchtlinie geltend machen kann und daher die Einhaltung der vorderen Baufluchtlinie auch nur der gegenüberliegende Nachbar, nicht aber der seitliche, geltend machen kann, etwa VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0046, Rn. 4, bzw. bereits VwGH 15.11.2011, 2008/05/0128, Punkt C) 2., und 20.9.2005, 2003/05/0063, jeweils mwN).
16Im Übrigen argumentiert die Revisionswerberin in den Zulässigkeitsgründen der Revision selbst mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 2019, V 81/2018 u.a., und in diesem Zusammenhang mit einer „Übertragbarkeit in die Natur mit einer Unschärfe im Bereich von nur wenigen Dezimetern“, sowie mit dem auf dieses Erkenntnis bezugnehmenden Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 2020, Ra 2019/10/0121. In Anbetracht des insoweit unstrittigen Revisionssachverhaltes (vgl. oben Rn. 4) wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht nachvollziehbar dargestellt, inwieweit das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sein sollte.
17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
18Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung bereits berücksichtigt ist und der Ersatz von „ERVKosten“ in den genannten Bestimmungen keine Deckung findet (vgl. etwa VwGH 12.3.2021, Ra 2018/06/0321, Rn. 13).
Wien, am 27. November 2025
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