Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. November 2021, VGW 011/030/2044/2020 10, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: Dr. A D, vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
1 Mit Straferkenntnis des Amtsrevisionswerbers vom 10. Jänner 2020 wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 135 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 9 der Bauordnung für Wien BO für Wien eine Geldstrafe in der Höhe von € 810, (Ersatzfreiheitsstrafe: 13 Stunden) verhängt, weil er es als Alleineigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft in 1170 Wien, für welche laut gültigem Flächenwidmungsplan die Widmung „Grünland Erholungsgebiet Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen“ bestehe, in der Zeit von 8. August 2018 bis 4. März 2019 entgegen seiner Verpflichtung gemäß § 54 Abs. 9 der BO für Wien unterlassen habe, die vor der Liegenschaft entlang der näher bezeichneten Front errichtete Gehsteigauf und überfahrt, insbesondere die Randsteinauffahrtsrampe aus Beton, zu beseitigen, „da keine bescheidmäßige Bekanntgabe der Ausführung des Unterbaus im Bereich dieser Gehsteigauf oder überfahrt vorlag, obwohl gemäß § 54 Abs. 9 der Bauordnung für Wien vor der Herstellung von Auffahrten von der Fahrbahn auf den Gehsteig sowie von Gehsteigüberfahrten zur Einfahrt in eine Liegenschaft bzw. zur Ausfahrt aus einer Liegenschaft die Baubehörde aufgrund eines Ansuchens die Ausführung des Unterbaus im Bereich dieser Gehsteigauf oderüberfahrt mit Bescheid bekannt zu geben ist“. Der Mitbeteiligte wurde weiters gemäß § 64 VStG zu einem Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 81, verpflichtet.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 50 VwGVG Folge und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein (I.). Ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG nicht auferlegt (II.); eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für unzulässig erklärt (III.).
3 Den Verfahrensgang stellte das Verwaltungsgericht in diesem Erkenntnis allein durch wörtliche Wiedergabe des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses und der Beschwerde dar. Zum Sachverhalt heißt es lediglich (Fehler im Original):
„Am 4.10.2019 fand eine Ortsverhandlung über die verfahrensgegenständliche Konsenswidrigkeit statt. Der Beschwerdeführer hat am 29.01.2020 die errichtete Gehsteigauf und Überfahrt, und die Randsteinauffahrtsrampe aus Beton beseitigen lassen. Zu dieser Sachverhaltsfeststellung gelangt das Verwaltungsgericht Wien aufgrund folgender Überlegungen Der einvernommene Mitarbeiter der Baubehörde wusste zu berichten, dass die inkriminierte Abweichung vom gültigen Konsens am 29.01.2020 beseitigt worden ist.“
4 Unter der Überschrift „In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen wie folgt:“ wird weiters § 54 Abs. 9 BO auszugsweise wiedergegeben und sodann ausschließlich ausgeführt (Fehler im Original):
„Obigen Sachverhaltsfeststellungen zu Folge wurde der inkriminierte Abweichung am 29.01.2020 beseitigt und die Errichtung der inkriminierten Abweichung hat der Beschwerdeführer nicht durchgeführt, weshalb die verbleibende Tatzeit vom Beschwerdeführer nicht zu verantworten und das Straferkenntnis spruchgemäß aufzuheben war.“
5Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis „wegen Rechtswidrigkeit“ aufzuheben. Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision zusammengefasst vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Pflicht, in der Sache selbst zu entscheiden, abgewichen, indem es den zu ahndenden Lebenssachverhalt der Unterlassung der Beseitigung einer bewilligungslos bestehenden Gehsteigauf und überfahrt rechtsirrtümlich als konsenslose Errichtung eines Bauwerkes qualifiziert habe, welche jedoch nicht vom Mitbeteiligten zu verantworten gewesen sei, und daher das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben habe. Weiters sei das Verwaltungsgericht auch von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung in der Sache selbst abgewichen, weil es zu beurteilen gehabt hätte, ob das subjektive und objektive Tatbild während des verfahrensgegenständlichen Tatzeitraumes erfüllt gewesen sei, aber nicht über Umstände abzusprechen gehabt habe, die vor oder nach dem Tatzeitraum verwirklicht worden seien. Indem die nachträgliche Beseitigung der verfahrensgegenständlichen Gehsteigauf und überfahrt, welche lediglich bemessungstechnisch zu berücksichtigen gewesen wäre, als tatbildeliminierend gewertet worden sei, sei nicht in der Sache selbst entscheiden worden, da die nachträgliche Entfernung des beanstandeten Zustandes circa 10 Monate nach Beendigung des im Verfahren relevanten Tatzeitraumes keine der zu prüfenden Strafbarkeitsvoraussetzungen des § 54 Abs. 9 BO für Wien für den verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum betroffen habe.
6 Der Mitbeteiligte erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurück , bzw. die Abweisung der Amtsrevision sowie Kostenersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Amtsrevision ist zulässig und auch berechtigt.
8 Zunächst ist zur mangelhaften Begründung des angefochtenen Erkenntnisses Folgendes zu sagen:
9Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenso bereits wiederholt betont hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 24 VStG die Begründungspflicht im Sinn des § 58 AVG von Bedeutung (vgl. für viele etwa VwGH 7.12.2022, Ra 2022/05/0112, Rn. 8, mwN).
10Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 24.6.2025, Ra 2023/05/0261, Rn. 7, mwN).
11Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen vermag. Das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen führt jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (vgl. nochmals VwGH 7.12.2022, Ra 2022/05/0112, Rn. 10, sowie 24.6.2025, Ra 2023/05/0261, Rn. 8, jeweils mwN).
12Ein Begründungsmangel führt nach der hg. Rechtsprechung dann zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. wiederum VwGH 7.12.2022, Ra 2022/05/0112, Rn. 11, sowie 24.6.2025, Ra 2023/05/0261, Rn. 8, jeweils mwN).
13 Das angefochtene Erkenntnis genügt schon den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht. Es erschöpft sich wie bereits oben ausgeführt in der Darstellung des Verfahrensganges allein durch die wörtliche Wiedergabe des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses und der Beschwerde, gefolgt von der rechtlichen Beurteilung, aufgrund der Beseitigung der verfahrensgegenständlichen Gehsteigauf und überfahrt durch den Revisionswerber am 29. Jänner 2020 sei das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben. Aufgrund welcher rechtlicher Überlegungen das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangte, die unstrittig nach Ende des Tatzeitraumes durchgeführte Beseitigung des in Rede stehenden Bauwerkes durch den Revisionswerber habe zu einer Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens zu führen, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und mangels ordnungsgemäßer Begründung des Erkenntnisses nicht überprüfbar.
14Das Erkenntnis ist daher schon aus diesem Grund mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet und gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Im Übrigen ist die Amtsrevision mit ihrem Vorbringen in der Revisionsbegründung im Recht, dass fallbezogen der Verfahrensgegenstand, über den das Verwaltungsgericht aufgrund der Tatanlastung im Straferkenntnis vom 10. Jänner 2020 im angefochtenen Erkenntnis abzusprechen gehabt hätte, die Nichtbeseitigung der Gehsteigauf und überfahrt durch den Mitbeteiligten in dem vom Straferkenntnis angelasteten Zeitraum 8. August 2018 bis 4. März 2019 gewesen wäre.
Wien, am 4. November 2025
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