Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, die Hofräte Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger sowie die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des Landeshauptmannes von Kärnten, vertreten durch die ONZ Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 26. Februar 2024, KLVwG1205/38/2023, betreffend ersatzlose Behebung in einer Angelegenheit des AWG 2002 (mitbeteiligte Partei: P GmbH in W, vertreten durch die Eisenberger Offenbeck Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Muchargasse 34), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 24. Mai 2023 sprach der Amtsrevisionswerber aus wie folgt (Hervorhebungen im Original; Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„I.a) Der Landeshauptmann von Kärnten als Abfallwirtschaftsbehörde weist den Antrag vom 29.11.2018 idF der ergänzenden Eingaben vom 10.04.2019, vom 13.11.2019 und vom 04.03.2020 samt verbessertem Einreichprojekt der [mitbeteiligten Partei] gemäß §§ 17 bis 19 Forstgesetz 1959, BGBl. Nr. 440/1975, idF BGBl. I Nr. 56/2016, iVm §§ 37 Abs. 1, 38 und 39 Abfallwirtschaftsgesetz 2002AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, idF BGBl. I Nr. 200/2021, auf Erteilung einer abfallwirtschafts (forst )rechtlichen Rodungsbewilligung zum Zwecke der Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie [...], nach Maßgabe des vorgelegten, einen integrierenden Bestandteil dieses Spruches darstellenden und mit amtlichen Vermerk versehenen, unter Spruchteil II. in diesem Bescheid bezeichneten Einreichprojekt ab .
„I.b) Der Landeshauptmann von Kärnten als Abfallwirtschaftsbehörde, in diesem Falle in der Angelegenheit des Landesrechts als Mitglied der Landesregierung und somit als oberstes Organ der Landesvollziehung, weist den Antrag vom 29.11.2018 idF der ergänzenden Eingaben vom 10.04.2019, vom 13.11.2019 und vom 04.03.2020 samt verbessertem Einreichprojekt der [mitbeteiligten Partei] gemäß § 8 Kärntner Naturschutzgesetz 2002 KNSG 2002, LGBl. Nr. 79/2002, idF LGBl. Nr. 36/2022, iVm §§ 37 Abs. 1, 38 und 39 Abfallwirtschaftsgesetz 2002AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, idF BGBl. I Nr. 200/2021, auf Erteilung einer abfallwirtschafts (naturschutz)rechtlichen Ausnahmebewilligung zum Zwecke der Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie [...], nach Maßgabe des vorgelegten, einen integrierenden Bestandteil dieses Spruches darstellenden und mit amtlichen Vermerk versehenen, unter Spruchteil II. in diesem Bescheid bezeichneten Einreichprojekt ab .“
2 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht). Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht dieser Beschwerde Folge und behob den Bescheid vom 24. Mai 2023 ersatzlos. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3In seiner Entscheidungsbegründung legte das Verwaltungsgericht dar, die mitbeteiligte Partei habe mit Schriftsatz vom 29. November 2018 die „abfallrechtliche-abfallwirtschaftliche Genehmigung gem. § 37 AWG 2002 i.d.g.F. für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie [...], der Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagerplatzes zur Zwischenlagerung und zeitweiligen mobilen Aufbereitung von nicht gefährlichen Abfällen sowie der Mitbehandlung allfälliger weiterer rechtlicher Materien im Rahmen des konzentrierten AWG Verfahrens“ beantragt. Mit dem Bescheid vom 24. Mai 2023 seien ein Antrag auf Erteilung einer „abfallwirtschafts (forst )rechtlichen Rodungsbewilligung“ und ein Antrag auf Erteilung einer „abfallwirtschafts (naturschutz)rechtlichen Ausnahmebewilligung“ abgewiesen worden. Über den verfahrenseinleitenden Antrag auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung gemäß § 37 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sei nicht abgesprochen worden.
4Das Verwaltungsgericht wies darauf hin, dass das Naturschutzrecht und das Forstrecht von der Konzentrationswirkung des § 38 AWG 2002 erfasst seien und die Aufsplitterung eines nach § 38 AWG 2002 vom zuständigen Landeshauptmannes durchzuführenden Verfahrens in Einzelgenehmigungen der vom Gesetzgeber angeordneten Genehmigungskonzentration widerspreche. Aufgrund der angeordneten Verfahrens- und Entscheidungskonzentration könnesolange das abfallwirtschaftsrechtliche „Hauptverfahren“ nach § 38 Abs. 1 AWG 2002 noch nicht abgeschlossen sei auch die in einer landesrechtlichen Materie zu treffende Entscheidung nicht spruchreif sein. Insoweit liege eine „Akzessorietät“ der etwa zu treffenden naturschutzrechtlichen Entscheidung vor.
5Fallbezogen habe die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 unter Mitanwendung der Konzentrationsbestimmungen des § 38 Abs. 1 und Abs. 1a AWG 2002 genannten Materien beantragt. Der Amtsrevisionswerber habe jedoch unzweifelhaft gemäß dem „Wortlaut des Spruches“ und den Ausführungen im Zuge der mündlichen Verhandlung lediglich über Teilaspekte des Antrages, nämlich nach dem Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) und dem Kärntner Naturschutzgesetz 2002 (K NSG 2002), abgesprochen. Damit sei das konzentriert durchzuführende Verfahren in Einzelgenehmigungsverfahren aufgesplittert und es sei nur in einzelnen Materien vor dem Abschluss des abfallwirtschaftsrechtlichen Hauptverfahrens entschieden worden. Der Amtsrevisionswerber habe damit nicht über den von der mitbeteiligten Partei gestellten Antrag abgesprochen, sondern lediglich auf diese Weise gar nicht gestellte (Einzel )Anträge abgewiesen.
6Da die Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht jene Angelegenheit sei, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde bilde und fallbezogen Sache des Verfahrens nur die Abweisung von Anträgen nach dem ForstG 1975 und dem KNSG 2002 sei, sei es dem Verwaltungsgericht verwehrt, erstmals über den von der mitbeteiligten Partei gestellten Antrag auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 zu entscheiden.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Amtsrevisionswerbers mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattete, auf die die Amtsrevisionswerberin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 In der vorliegenden Revision wendet sich der Amtsrevisionswerber der Sache nach gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass mit dem Bescheid vom 24. Mai 2023 lediglich über Einzelgenehmigungen abgesprochen und keine umfängliche Entscheidung über den Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei getroffen worden sei.
9 Mit diesem Vorbringen erweist sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision als zulässig; sie ist auch begründet.
10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Bescheidauslegungen in aller Regel einzelfallbezogene Rechtsfragen dar, die nicht revisibel sind. Anderes gilt jedoch unter anderem dann, wenn sich die vom Verwaltungsgericht fallbezogen vorgenommene Auslegung eines verfahrensgegenständlichen Bescheides als unvertretbar erweist (vgl. in diesem Sinne VwGH 25.10.2016, Ra 2016/07/0070, Rn. 5, mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass jeder Bescheid rein objektiv seinem Wortlaut nachinsoweit also gleich einem Gesetz nach den §§ 6 und 7 ABGBauszulegen ist (vgl. VwGH 10.11.2022, Ra 2022/06/0079, Rn. 20, mwN). Eine subjektive Interpretation nach dem Willen der Behörde ist ebenso wie eine Auslegung nach der subjektiven Erwartungshaltung des Bescheidadressaten schon im Ansatz verfehlt (VwGH 30.6.2015, Ra 2015/06/0053, mwN).
12Weiters ist ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit; bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen (VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0465 bis 0472, Rn. 50, mwN). So ist einem Bescheidspruch im Zweifel der Inhalt zuzumessen, der den Bescheid rechtmäßig erscheinen lässt (VwGH 18.12.2024, 2012/07/0233, mwN).
13Fallbezogen stützte das Verwaltungsgericht seine Annahme, der Amtsrevisionswerber habe mit dem Bescheid vom 24. Mai 2023 „unzweifelhaft“ lediglich über Teilaspekte des Antrages, nämlich nach dem ForstG 1975 und dem K NSG 2002 abgesprochen, auf den Wortlaut des Spruches und Ausführungen eines Vertreters des Amtsrevisionswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung.
14 Insoweit ist anzumerken, dass es auf die Ausführungen des Vertreters des Amtsrevisionswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung dazu, wie dieser den angefochtenen Bescheid verstanden wissen wollte, als Ausdruck eines subjektiven Verständnisses vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon grundsätzlich nicht ankommen kann.
15 Zu dem vom Verwaltungsgericht überdies angeführten „Wortlaut des Spruchs“ ist darauf hinzuweisen, dass dieser sprachlich zwar tatsächlich in erster Linie in seinem Spruchpunkt I.a) auf die Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer forstrechtlichen Rodungsbewilligung und in seinem Spruchpunkt I.b) auf die Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung abzielt. Allerdings wird in beiden Spruchpunkten jeweils uneingeschränkt auf den gesamthaft gestellten verfahrenseinleitenden Antrag Bezug genommen und beide Spruchpunkte enthalten auch jeweils eine Bezugnahme auf einen „abfallwirtschafts... rechtlichen“ Abspruch. Überdies wird in beiden Spruchpunkten nicht bloß auf Bestimmungen des ForstG 1979 bzw. des KNSG 2002 Bezug genommen, sondern jeweils auch auf die §§ 37 Abs. 1, 38 und 39 AWG 2002.
16 Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass aus dem Spruch des Bescheides vom 24. Mai 2023 entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht gerade nicht klar hervorgeht, dass damit lediglich eine forstrechtliche Rodungsbewilligung und eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung nicht erteilt wurden, sondern zumindest unklar ist, ob auch ein Abspruch über die Nichterteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung erfolgte. Folglich ist zur Auslegung des Spruches gemäß der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Bescheidbegründung zurückzugreifen.
17Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Begründung des in Rede stehenden Bescheides kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, dass unter Außerachtlassung der in § 38 AWG 2002 angeordneten Verfahrenskonzentration bloß über einen Antrag auf Erteilung einer forstrechtlichen Rodungsbewilligung und einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung abgesprochen werden sollte. Vielmehr wird in der Darstellung des Verfahrensganges ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass die mitbeteiligte Partei einen „Antrag auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung“ eingebracht hat. Dieser sei im Auftrag der „AWG Behörde“ im Hinblick auf verschiedene Fachbereiche (neben „Forsttechnik/Forstwirtschaft“ und „Naturschutz“ auch „Geologie/Hydrologie“, „Abfallwirtschaft“, „Deponietechnik“, „Gewässerökologie“, „Luftreinhaltung [Emission/Immission]“, „Schall- und Erschütterungsschutz“, „Verkehrstechnik“, „Hochbautechnik“ sowie „arbeitnehmerinnenschutzrechtliche Belange“) auf seine Vollständigkeit und Beurteilungsfähigkeit vorgeprüft worden und es seien in der Folge zu den einzelnen Fachbereichen (Amts)Sachverständige bestellt worden. Überdies wurde im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausdrücklich auf die in § 37 Abs. 1 AWG 2002 statuierte Genehmigungspflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen und auf die in einem Genehmigungsverfahren für gemäß § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen nach § 38 Abs. 1 bzw. 1a AWG 2002 mitanzuwendenden landes- und bundesgesetzlichen Vorschriften hingewiesen. Dabei wurde auch wie der Amtsrevisionswerber in seiner Revision zutreffend hervorhebt ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass „auch“ das KNSG 2002 und das ForstG 1959 [gemeint wohl: 1975] anzuwenden gewesen seien.
18 Im Übrigen bezieht sich auch der Betreff zu dem dort als „Abweisungsbescheid“ bezeichneten Bescheid ausdrücklich auf einen „Antrag auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung“ und die zu entscheidende Sache wird auch ausdrücklich als „Abfallwirtschaftsrechtsangelegenheit“ bezeichnet. Damit ergibt sich aber, dass bei der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzunehmenden gesamthaften Beurteilung des Bescheides vom 24. Mai 2023 davon ausgegangen werden muss, dass mit diesem auch eine Abweisung des Antrags der mitbeteiligten Partei auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung erfolgt ist.
19Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Aufsplitterung eines nach § 38 AWG 2002 konzentriert zu führenden Genehmigungsverfahrens in Einzelgenehmigungen nach den jeweiligen materiell-rechtlichen Vorschriften unzulässig ist (vgl. VwGH 5.8.2020, Ra 2020/05/0110, Rn. 12, mwN). Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis zutreffend erkannte, erwiese sich der in Rede stehende Bescheid, wenn damit tatsächlich bloß über die Nichterteilung von „Einzelgenehmigungen“ nach dem KNSG 2002 und dem ForstG 1975 abgesprochen worden wäre, als rechtswidrig. Auch dies spricht dafür, dass der in seinem Spruch nicht eindeutige Bescheid dahin auszulegen ist, dass damit gesetzeskonform keine Aufsplitterung in Einzelgenehmigungen erfolgt ist, sondern gesamthaft über den Antrag auf Erteilung einer abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung abgesprochen wurde.
20Da das Verwaltungsgericht dies verkannte und dessen ungeachtet davon ausging, mit dem bei ihm angefochtenen Bescheid vom 24. Mai 2023 sei nicht gesamthaft über den von der mitbeteiligten Partei gestellten Antrag abgesprochen worden, weshalb es den Bescheid als rechtswidrig erachtete, belastet es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 19. Dezember 2024