JudikaturBVwG

L511 2293675-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2025

Spruch

L511 2293675–1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 14.02.2024, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 01.03.2023 beim Sozialministeriumservice [SMS] einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses (sowie für den Fall, dass die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertige die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass), und legte dazu im Verfahren mehrere medizinische Befunde vor (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.8; 2.6-2.7, 2.9-2.25).

1.2. Das SMS holte ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie ein. Dieses Gutachten vom 18.04.2023 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin unter Einbeziehung der vorgelegten Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein Gesamtgrad der Behinderung [GdB] von 40 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.35).

1.3. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens nahm die Beschwerdeführerin am 25.05.2023 zum Gutachten Stellung (AZ 2.28).

Darin wird zusammengefasst ausgeführt, die ärztliche Untersuchung am 13.04.2023 sei sehr speziell verlaufen. Sie sei zu diesem Zeitpunkt psychisch sehr labil gewesen und habe sich sehr verletzende Aussagen anhören müssen, die weder sachlich noch wertschätzend gewesen seien. Auch die Bemerkungen hinsichtlich ihrer privaten Beziehungssituation seien nicht angenehm gewesen. Der Untersuchungsverlauf habe damit begonnen, dass der Sachverständige ärztliche Unterlagen einer anderen Person ausgedruckt habe, obwohl die Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass sie nicht diese Person sei. Während der Untersuchung seien ihre Knieprobleme durch die Hose begutachtet worden. Die Untersuchung hinsichtlich der Instabilität sei trotz ihres Hinweises, dass nicht zu stark gedrückt werden sollte, trotzdem mit massivem Körpereinsatz gemacht worden, worauf sich im Bauch Anspannungen gezeigt hätten und im linken Knie laute Knacksgeräusche zu hören gewesen seien. Ihr Kompartmentsyndrom sei erst nach mehrmaliger Aufforderung angeschaut worden. Die geschwollenen Zehen mit verdickten Zehennägeln und die dicken Gelenke seien nicht begutachtet worden, obwohl sie mehrmals darauf hingewiesen habe. Ihre gesundheitlichen Probleme würden darin bestehen, dass sie durch das Kompartmentsyndrom beidseitig im Gehen, Stehen, etc. eingeschränkt sei und auch die Schmerzen oft schwer auszuhalten seien. Die Bauchprobleme durch die Blasenendometriose würden immer noch bestehen, da die Blase verkleinert worden sei. Der Spannungsschmerz sei immer noch sehr deutlich wahrnehmbar, was auch eine klare Einschränkung ihrer Lebensqualität, vor allem auch in der Nacht, bewirke. Die Pos. 02.02.02 sei nur mit 30 % bewertet worden, obwohl nicht von einer mäßigen Funktionseinschränkung gesprochen werden könne. Sie leide an einem Taubheitsgefühl in beiden Füßen, vor allem im Zehenbereich, was wiederum eine erhöhte Sturzgefahr bedeute. Ihr diagnostiziertes Kompartmentsyndrom beidseitig sei in dieser Bewertung überhaupt nicht berücksichtigt worden, obwohl dies ebenfalls eine massive Funktionseinschränkung bedeute. Die Bewertung von 30 % entspräche daher nicht den Gegebenheiten. Die Pos. 07.04.04 und 04.11.01 seien hingegen auch aus ihrer Sicht korrekt eingeschätzt. Zu Seite 2 des Sachverständigengutachtens sei jedoch festzuhalten, dass sie die im Befund angegebenen Gesundheitsprobleme von L3/L4 bis L5/S1 nicht habe.

1.4. Gleichzeitig mit der Stellungnahme stellte die Beschwerdeführerin am 25.05.2023 ein Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gilt (AZ 2.27).

1.5. Das SMS veranlasste in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie. Dieses Gutachten vom 05.02.2024 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.12.2023 unter Einbeziehung des Vorgutachtens und der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein GdB von 40 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.41).

1.6. Mit Schreiben vom 04.01.2024 erstattete die Beschwerdeführerin eine weitere Stellungnahme (AZ 2.29).

Darin führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, sie habe trotz Maskenbefreiung eine Maske tragen müssen und ihrem Mann sei der Eintritt ins Behandlungszimmer verwehrt worden. Die Beschwerdeführerin habe im Behandlungsraum ihre Probleme aufgezählt, diese hätten den Arzt aber nicht interessiert und seien als bloße Empfindlichkeiten der Beschwerdeführerin abgetan worden. Er habe ihr auch nicht zugehört. Zudem sei eine halbe Stunde zu kurz, um alles einzuschätzen, vor allem, wenn nicht alles besprochen werde. Die Beschwerdeführerin listete in ihrer Stellungnahme sämtliche gesundheitlichen Einschränkungen auf und bat um eine angemessene Bewertung und Einstufung.

1.7. Mit Bescheid des SMS vom 14.02.2024, Zahl: XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.03.2023 gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da sie mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle (AZ 2.30).

Begründend führte das SMS aus, aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin vom 25.05.2023 sei eine nochmalige Überprüfung durch den ärztlichen Dienst durchgeführt und ein neuerliches Sachverständigengutachten erstellt worden. Dieses Gutachten vom 05.02.2024 sei als schlüssig erkannt worden und wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.

1.8. Mit Schreiben vom 14.03.2024 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid (AZ 2.31).

Darin führt die Beschwerdeführerin aus, im Gutachten vom 18.04.2023 sei ein GdB von 40 % festgestellt worden, da die Punkte 2 und 3 des Gutachtens die Position 1 als Hauptdiagnose (Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates) gemeinsam um 1 Stufe erhöhen würden. Das bereits damals vorhandene Kompartmentsyndrom sei in diesem Gutachten nicht erwähnt und in die Einstufung miteingebracht worden. Im nunmehrigen Gutachten sei das Kompartmentsyndrom nun berücksichtigt und die damals unter Pkt. 1 angeführte gesundheitliche Einschränkung auf 2 Positionen aufgeteilt worden. Das Sachverständigengutachten habe sich damit um 30 % im Inhalt erhöht, die Pkt. 3 und 4 (vormals Pkt. 2 und 3) würden jedoch nun den GdB nicht mehr erhöhen. Es könne nicht sein, dass gleiche gesundheitliche Bereiche in 2 Gutachten unterschiedlich bewertet würden. Sie ersuche daher, auch diese gesundheitlichen Themen (Magen und Darm, chronische Darmstörungen; chronisches Schmerzsyndrom, bei Endometriose mit Zustand nach Hysterektomie und Blasenverkleinerung auf ein Drittel) entsprechend in den Gesamtgrad miteinfließen zu lassen. Es sei ein GdB von mind. 50 % gerechtfertigt, da Pkt. 3 und 4 mit jeweils 20 % auch im neuen Sachverständigengutachten vom 05.02.2024 den GdB mindestens um 1 Stufe erhöhen müssten.

1.9. Im Zuge des weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie ein. Das Gutachten vom 30.04.2024 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.04.2024 unter Einbeziehung der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und erneut ein GdB von 40 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt festgestellt (AZ 2.32.1).

1.10. Mit Parteiengehör vom 02.05.2024 übermittelte das SMS der Beschwerdeführerin das Gutachten vom 30.04.2024 und gewährte eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme (AZ 2.36). Am 14.05.2024 bat die Beschwerdeführerin telefonisch um Fristerstreckung bis 30.06.2024 aufgrund weiterer Arzttermine (AZ 2.5).

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 16.06.2024 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.1, 2.1 -2.37]).

2.1. Am 05.07.2024 langte eine mit 03.06.2024 datierte Stellungnahme der Beschwerdeführerin samt neuer Befunde beim BVwG ein (OZ 2).

Darin wiederholt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt aus, dass auch das aktuelle Gutachten vom 30.04.2024 die Positionen 07.04.04. und 04.11.01 im GdB nicht berücksichtige, obwohl sich diese seit dem Erstgutachten vom 18.04.2023 nicht verändert hätten und damals zu einer Steigerung des GdB um eine Stufe geführt hätten.

II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich wohnhaft und stellte am 01.03.2023 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses (AZ 2.8).

1.2. Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden (AZ 2.32.1):

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 40 vH.

Führendes Leiden ist die Position 1 mit Stufensteigerung durch die Position 2 um eine Stufe. Wegen relativer Geringfügigkeit bei Obstipation und Verordnung von Laxantien bei fehlender Schmerzmitteleinnahme resultieren aus den Positionen 3 und 4 keine Beeinflussungen des GdB.

1.3. Keinen Grad der Behinderung erreichen die taube Stelle am Sprunggelenk rechts nach Treppensturz, die verdickten Zehen und verdickten Zehennägel, die Schmerzen der Zehen und Nägel in Schuhen, die zwei Mal im Jahr vorzunehmende Blutuntersuchung, die nächtlichen Wadenkrämpfe, die kleine Niere, der Knöchelschmerz links nach Sturz, das Kaltwerden und Schmerzen des Bauches nach längerem Sitzen sowie das ossifzierte Fibrom am Sitzbein von 1,4 cm Größe.

1.4. Es handelt sich um einen Dauerzustand.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen: Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 30.04.2024 (AZ 2.32.1); Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie vom 05.02.2024 (AZ 2.33); Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie und der Allgemeinmedizin vom 18.04.2023 (AZ 2.35); Bescheid des SMS vom 14.02.2024 (AZ 2.30); Beschwerde vom 14.03.2024 (AZ 2.31); Stellungnahmen der Beschwerdeführerin vom 25.05.2023 (AZ 2.28) vom 04.01.2024 (AZ 2.29) und vom 03.06.2024 (OZ 2); Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR)

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1) ergeben sich aus der Antragstellung und dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.8, OZ 1).

2.2.2. Die festgestellten Funktionseinschränkungen deren Ausmaß und medizinische Einschätzung sowie deren Dauer und der Gesamtgrad der Behinderung (Punkte 1.2-1.4) ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 30.04.2024 (AZ 2.32.1). Die Feststellungen im Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Das Gutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, berücksichtigt die Vorgutachten (AZ 2.33, 2.34, 2.35) sowie die vorgelegten Befunde (AZ 2.6-2.7, 2.9-2.25) und steht mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004). Auch die Subsumtion unter die jeweiligen Positionsnummern der Einschätzungsverordnung ist nachvollziehbar.

2.2.3. Den Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme und in der Beschwerde wurde durch Einholung von neuen Gutachten, zuletzt vom 30.04.2024 (AZ 2.32.1), Rechnung getragen. Wie bereits die Vorgutachten vom 18.01.2024 (AZ 2.34), 05.02.2024 (AZ 2.33) und 18.04.2023 (AZ 2.35) kommt jedoch auch das aktuelle Gutachten zum Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin ein GdB von 40 vH vorliegt. Der Gutachter legt auch sehr ausführlich dar, wie er zu den einzelnen Einschätzungen gelangte und geht auch auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin konkret ein.

Zum zuletzt auch in der Stellungnahme vom 03.06.2024 (OZ 2) wiederholten Einwand der Beschwerdeführerin, die Positionen 07.04.04. und 04.11.01 würden im Vergleich zum Erstgutachten vom 18.04.2023 (AZ 2.35) im GdB nicht mehr berücksichtigt werden, obwohl sich diese tatsächlich und auch in der Bewertung nicht verändert hätten, wird im aktuellen Gutachten vom 30.04.2024 (AZ 2.32.1) nachvollziehbar ausgeführt, dass wegen relativer Geringfügigkeit bei Obstipation (Verstopfung) und Verordnung von Laxantien bei fehlender Schmerzmitteleinnahme aus den Positionen 3 und 4 (wie auch im Vorgutachten vom 05.02.2024 eingeschätzt) keine Beeinflussungen des GdB resultiert.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass sich gemäß § 3 EinschätzungsVO einzelne Einschätzungen nicht automatisch addieren und festgestellte Funktionsbeeinträchtigungen (nur) dann stufenerhöhend wirken, wenn eine wechselseitig verstärkende Wirkung mit der am höchsten bewerteten Funktionsbeeinträchtigung vorliegt. Da die beiden jüngsten Gutachten aus unterschiedlichen Fachgebieten übereinstimmend zum Ergebnis kommen, dass auf Grund fehlender Wechselwirkung der unter Positionen 3 und 4 festgestellten Leiden keine Stufenerhöhung vorzunehmen ist, folgt der erkennende Senat dieser Einschätzung.

2.2.4. Zum von der Beschwerdeführerin wiederholt erwähnten Kompartmentsyndrom wird im aktuellen Gutachten folgendes festgehalten: „Die subjektive Schilderung einer chronischen Ausfallssymptomatik mit Schwellneigung und Sensibilitätsdefiziten nach Kompartmentspaltung an beiden Waden/Unterschenkeln ist objektiv nicht gesichert: Es fehlen alte wie auch frische fachärztlich neurologische Befunde, welche eine solche Sensibilitätsstörung manifesten Hintergrundes bestätigen würden und liegen auch keine Befundunterlagen für eine etwaige motorische Ausfallssymptomatik vor. Ebenso fehlen neurologisch elektrophysikalische Befunde mit etwa positivem Nachweis körperfernen Nervenstörungen (EMG/ENG). Ein mehrmals zitiertes Zustandsbild nach lagerungsbedingtem Kompartmentsyndrom an beiden unteren Extremitäten erweist sich aktuell unfallchirurgisch-orthopädisch als seitengleich unauffällig – ausgenommen einer beidseitigen blanden vertikalen Narbe an den Außenseiten der körpernahen Oberschenkelhälften beidseitig, ohne Störungen der Unterhaut, ohne umschriebene Muskelprotrusionen oder Faszienlücken, wie dies etwa nach ‚therapeutischer Fasziektomie‘ erwartet werden könnte, und liegen auch keine objektiv nachvollziehbaren Kriterien für eine manifeste Sensibilitätsstörung vor. […] Ein Kompartmentsyndrom liegt aktuell mit Sicherheit nicht (mehr) vor.“

Dem trat die Beschwerdeführerin in ihrer letzten Stellungnahme vom 03.06.2024 nicht mehr entgegen und auch der von der Beschwerdeführerin vorgelegte aktuelle neurologische Befund vom 07.06.2024 (OZ 2) bestätigt dies, da auch der behandelnde Facharzt, ein gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, ausführt, es liege motorisch und sensibel ein Normalbefund vor und der Verlauf sei erfreulich.

2.2.5. Zusammenfassend zeigt die Beschwerdeführerin mit ihren Ausführungen somit keine substantiierten Widersprüche, Ungereimtheiten oder Mängel der Sachverständigengutachten auf und sie hat keine Beweise vorgelegt, die die Annahme zulassen würden, die Schlussfolgerungen der Sachverständigen seien unzutreffend. Das Vorbringen ist daher nicht geeignet, die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der Sachverständigen zu entkräften.

Zumal die Gutachten den Kriterien der Rechtsprechung entsprechen und wie ausgeführt auch sonst keine Hinweise dahingehend hervorgekommen sind, dass die Beurteilungen im Gutachten nicht richtig wären, legt der erkennende Senat die im Gutachten vom 30.04.2024 (AZ 2.32.1) getroffenen Feststellungen der rechtlichen Beurteilung zu Grunde.

2.3. Entfall der mündlichen Verhandlung

Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus den der Beschwerdeführerin bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Die dagegen erhobene Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

3.1.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:

§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) […] Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn […] ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt (Z3).

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird. [...]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt (Teilstrich 1) oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen (Teilstrich 2).

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

3.2. Abweisung der Beschwerde

3.2.1. Die bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen sind nicht nur vorübergehend, weshalb eine Behinderung im Sinne des § 1 BBG vorliegt. Der Grad der Behinderung ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 40 und § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen (VwGH 21.06.2017, Ra2017/11/0040).

3.2.2. Die vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten sind (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die aktuellen Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft. Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt somit zum Entscheidungszeitpunkt 40 vH und sie erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG nicht, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist.

3.2.3. Da die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses somit nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

3.3. Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass es zwar zutrifft, dass dem Begehren der Beschwerdeführerin auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn ein Behindertenpass samt Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ vorläge. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung dieses Antrags nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides angemerkt wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden. Da der Antrag somit noch offen ist, wird er unter Berücksichtigung des nunmehrigen Verfahrensergebnisses zu behandeln sein.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind (soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich) eindeutig. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Rückverweise