Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden, den Richter Mag. Einberger und den Kommerzialrat Dr. Seybold in der Rechtssache der klagenden Partei A* eGen , FN **, **, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch die KRONBERGER Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 1.000.000 samt Zinsen, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 28.7.2025, **-14, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 6.082,62 (darin enthalten EUR 1.013,77 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin gewährte der Beklagten im April 2023 einen Abstattungskredit über EUR 7.250.000. Die vereinbarten Sollzinsen wären jeweils zu den Stichtagen 31.3, 30.6, 30.9 und 31.12 zu zahlen und die Kreditvaluta bis spätestens 30.4.2028 zu tilgen gewesen.
Mit Klage vom 25.2.2025 begehrte die Klägerin EUR 1.000.000 samt Zinsen. Sie brachte zusammengefasst vor, die Beklagte habe die vereinbarten Sollzinsen zum 30.9.2024 und zum 31.12.2024 nicht bezahlt. Nach mehrfacher Mahnung der Außenstände habe die Klägerin die Vertragsbeziehung schließlich gemäß Z 23 ihrer AGB mit Schreiben vom 3.12.2024 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aufgekündigt. Der gesamte Kreditbetrag sei daher zur Rückzahlung fällig. Es bestehe ein offener Saldo von EUR 7.488.200,89, wovon aus Kostengründen vorerst nur der Klagsbetrag geltend gemacht werde.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und replizierte, der Kredit sei erst per 30.4.2028 zur Rückzahlung fällig. Das Verlangen der Klägerin auf vorzeitige Tilgung sei daher nicht berechtigt.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt.
Es stellte den aus Seiten 2 bis 3 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, die Beklagte habe das Klagsvorbringen bloß unsubstanziiert bestritten, obwohl es ihr leicht möglich gewesen wäre, allenfalls unrichtige Behauptungen zu widerlegen. Sie habe das Vorbringen der Klägerin damit schlüssig zugestanden. Da die Beklagte mit der Zahlung der Sollzinsen in qualifizierten Verzug geraten sei, sei der Klägerin die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht weiter zumutbar. Sie sei daher zur außerordentlichen Kündigung des Kreditvertrages und zur sofortigen Fälligstellung des gesamten Betrags berechtigt gewesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist zulässig , sie ist aber nicht berechtigt .
1. Entgegen der in der Berufungsbeantwortung offenbar vertretenen Ansicht ist die (Bereitschaft zur) tatsächliche(n) Entrichtung der Pauschalgebühr im Zivilverfahren keine Prozessvoraussetzung ( Neusiedler , Verfahrenskosten und Verfassungsrecht, ÖJA 2024, 400 [410]; VfGH, E 4474/2018 = VfSlg 20.307). Die Berufung ist daher trotz des am Rubrum angebrachten Vermerks „ Kein Gebühreneinzug!“ jedenfalls meritorisch zu behandeln; ob der damit zum Ausdruck gebrachte Widerspruch gegen die in § 4 Abs 4 GGG grundsätzlich zwingend vorgesehene Abbuchung der Gerichtsgebühr überhaupt wirksam ist, kann folglich dahinstehen.
2.Die Berufungswerberin behauptet – auch aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung (vgl aber RS0043304) – sekundäre Feststellungsmängel zur Fälligkeit und Fälligstellung der Klagsforderung. Da die Klägerin die Fälligkeit „soweit überblickbar“ gar nicht behauptet habe, könne sie auch nicht schlüssig zugestanden worden sein. Mangels Fälligkeit sei auch der Vertragsrücktritt nicht berechtigt. Das Erstgericht hätte diesen Umstand erörtern und dazu wie beantragt den Geschäftsführer der Beklagten einvernehmen müssen.
3. Die Klägerin hat allerdings ausdrücklich und wiederholt die Fälligkeit des gesamten Kredits behauptet (ON 1, S 2, 5. Abs; ON 7, S 5, 1. und 2. Abs). Ob eine Forderung fällig ist, stellt eine Rechtsfrage dar. Schon deswegen liegen dazu keine Feststellungsmängel vor. Nur dort, wo die Fälligkeit von einer Erklärung des Gläubigers abhängt („Fälligstellung“), handelt es sich um eine Tatfrage (vgl G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 503 ZPO Rz 64). Auch dazu hat die Klägerin Vorbringen erstattet (ON 7, S 4, letzter Abs; S 5, 1. Abs).
4. Die in der Berufung vertretene Ansicht, die Fälligkeit der Klagsforderung und damit der Kreditvaluta sei Bedingung für die wirksame Auflösung des Kreditvertrages gewesen, trifft nicht zu; es verhält sich andersherum: Eine wirksam ausgesprochene außerordentliche Kündigung hat die sofortige Fälligkeit des Kredits nicht zur Voraussetzung, sondern zur Folge ( Bollenberger/Bydlinski in KBB 7 § 987 Rz 3; Kellner in Rummel/Lukas/Geroldinger 4§ 987 Rz 71; vgl auch RS0124701).
4.1Zur Fälligstellung hat das Erstgericht eindeutige Feststellungen getroffen. Es hat festgestellt, dass die Klägerin den Kreditvertrag mit Schreiben vom 3.12.2024 wegen des Verzugs der Beklagten bei der Bezahlung der Sollzinsen mit sofortiger Wirkung aufkündigte und dieses Schreiben der Beklagten zuging. Weder ficht die Berufungswerberin diese Feststellung an, noch bekämpft sie die Beurteilung des Erstgerichts, dass ein zur außerordentlichen Kündigung berechtigender, qualifizierter Zinszahlungsverzug (vgl RS0018274) vorlag. Daher wurde mit Erhalt dieses Schreibens die Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags schon von Gesetzes wegen fällig. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass diese als echt zugestandenen Urkunde (./C), deren Inhalt dem Berufungsverfahren ohne Weiteres zugrunde gelegt werden kann (RS0121557), mit „FÄLLIGSTELLUNG/KÜNDIGUNG“ übertitelt ist und die Kreditvaluta „hiermit ausdrücklich Ihnen gegenüber fällig gestellt“ werden.
4.2Ein Erörterungsmangel liegt nicht vor. Das Erstgericht hat der Beklagten Gelegenheit gegeben, substanziiertes Bestreitungsvorbringen zu erstatten, wovon sie keinen Gebrauch gemacht hat (ON 9.5, S 2). Die Anleitungspflicht reicht nicht soweit, dass einer Partei, die selbst ihren Rechtsstandpunkt nicht argumentativ verteidigen will, in Betracht kommende Einwände vorgeschlagen werden dürften oder gar müssten (vgl RS0037052 [insb T7]; RS0108818 [T2], [T8]). Zudem trägt die Berufungswerberin das Vorbringen, das sie bei entsprechender Anleitung erstattet hätte und mit dem die Fälligkeit in Frage gestellt worden wäre, auch nicht nach (vgl aber RS0037300 [T38]).
4.3Auch der gerügte Stoffsammlungsmangel liegt nicht vor. Abgesehen davon, dass bei juristischen Personen wie der Beklagten ein lediglich auf „PV“ lautender Beweisantrag nicht ausreichend bestimmt ist ( Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 5150 f; OLG Wien, 16 R 186/24a [Pkt 2.3 mwN]), war auch kein konkretes Beweisthema angegeben (vgl RS0039882). Das in der Berufung nachgetragene Vorbringen, der Geschäftsführer der Beklagten hätte zur Unzulässigkeit der Aufkündigung mangels Fälligkeit befragt werden sollen, verstößt gegen das Neuerungsverbot, ist daher prozessual unbeachtlich und stellt – weil allein auf die Beantwortung einer Rechtsfrage gerichtet – keinen zulässigen Gegenstand der Personalbeweisführung dar (RS0043593; Rechberger in Fasching/Konecny³ Vor § 266 ZPO Rz 40 f).
5. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 51, 41 ZPO.
Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
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