18Bs222/25s – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Juni 2025, GZ **-87.1, sowie dessen implizierte Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO nach der am 11. September 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener, des Angeklagten A* und seines Verteidiger Mag. Maximilian Lohsmann durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung
I./ zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II./ den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, einen unbekämpft gebliebenen Verfallsausspruch enthaltenden Urteil wurde der am ** in Syrien geborene staatenlose A* des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem Strafsatz des § 129 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 1.000,-- Euro binnen 14 Tagen an die Privatbeteiligte B*, die mit ihren weiteren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, verurteilt.
Gleichzeitig fasste das Erstgericht den Beschluss auf Absehen vom Widerruf gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 3 StGB der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juli 2024 zu AZ ** gewährten bedingten Strafnachsicht und verlängerte gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 17. Jänner 2025 in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem bereits rechtskräftig verurteilten C* als Mittäter (§ 12 StGB) B* fremde bewegliche Sachen in einem 5.000,-- Euro jedenfalls nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in einen sonstigen umschlossenen Raum weggenommen, indem sie die provisorisch reparierte Türe zur Wohnung der Genannten aufbrachen und einen Teppich, mehrere Flaschen Alkohol, Werkzeug, eine Wok-Pfanne und drei Körbe im Gesamtwert von zumindest 500,-- Euro mitnahmen, wobei die Wohnung zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr als Wohnstätte genutzt wurde.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht eine einschlägige Vorstrafe und den raschen Rückfall als erschwerend, hingegen keinen Umstand als mildernd.
Gegen dieses Urteil richtet sich die nach Urteilsverkündung angemeldete (ON 87, 14), fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (ON 91). Gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO richtet sich dessen implizierte Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst verfehlt die auf § 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsberufung ihr Ziel.
Unvollständigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) liegt vor, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet ( Kirchbacher, StPO 15§ 281 Rz 53; RIS-Justiz RS0118316). Die gesetzliche Anordnung, die Nichtigkeitsgründe bestimmt zu bezeichnen (hier § 489 Abs 1 iVm § 467 Abs 2 StPO), schließt in den Fällen, in denen die eingewendete Nichtigkeit nach dem Gesetz aus den Akten zu entwickeln ist (hier Z 5 zweiter Fall), als logisch ersten Schritt bestimmter Bezeichnung die Notwendigkeit ein, die diesbezüglichen Fundstellen zu nennen. Demnach muss stets – unabhängig vom Umfang der Akten – die Aktenseite, auf der sich die argumentative Basis für die Nichtgkeitsbeschwerde (hier Berufung wegen Nichtigkeit) zu finden ist, exakt bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0124172 [T4]).
Diesem Erfordernis wird die Mängelrüge nach § 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO (ON 91.2, 2) nicht gerecht, weil sie unter Verweis auf nicht näher bestimmte Verfahrensergebnisse und ohne Bezugnahme auf ein näher bezeichnetes Beweismittel samt Fundstelle eine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung geltend macht und deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde.
Außerdem ist die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370). Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Berufung ebenfalls, indem sie die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung außer Acht lässt und aus der Aussage des bereits rechtskräftig verurteilten Mittäters C* anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Berufungswerber den Schluss ableitet, dass er vorsatzlos gehandelt habe.
Die Nichtigkeitsberufung ist daher zu verwerfen.
Die Schuldberufung ist ebenfalls nicht im Recht.
Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (SSt 39/41; Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30f; Kirchbacher, StPO 15§ 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Ausgehend von diesen Erwägungen kommt der Schuldberufung keine Berechtigung zu. Der Einzelrichter hat nach Einbeziehung des von dem in der Hauptverhandlung vernommenen Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks und unter Würdigung aller wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere der Depositionen der Zeugin B* und des rechtskräftig verurteilten Mittäters C*, nachvollziehbar dargelegt, wie er zu seinen, für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht gelangte. Dabei stützte er sich insbesondere auf die für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin B*, die Videoaufzeichnung (ON 24) und den Umstand, dass die Tat in der Nacht verübt wurde, während er die Verantwortung des Angeklagten als reine Schutzbehauptung verwarf (US 3 ff).
Die subjektive Tatseite leitete der Erstrichter mängelfrei aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 5).
Wenn der Berufungswerber vorbringt, das Erstgericht hätte seinen Angaben folgen müssen, weil er glaubwürdig angegeben habe, dass er die Anweisung seines Chefs zu befolgen hatte, es sich um Baustellengegenstände hätte handeln sollen und er keinen Tatvorsatz auf einen Einbruchsdiebstahl hatte (ON 91.2, 3), stellt er lediglich Spekulationen und eigene Beweiswerterwägungen an, ohne damit jedoch Beweiswürdigungsmängel in Bezug auf seine Täterschaft aufzuzeigen und vermag damit die ausführliche erstgerichtliche Beweiswürdigung nicht zu erschüttern.
Der Erstrichter hat sich mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten eingehend auseinander gesetzt und ist nach detaillierter Erörterung zu dem Schluss gelangt, dass dieser nicht zu folgen sei (US 3 ff).
Insgesamt hat der Angeklagte in seiner Berufungsausführung bloß seine Verantwortung wie in erster Instanz aufrecht erhalten und nichts vorgebracht, was geeignet wäre, die ausführliche und kritische erstrichterliche Beweiswürdigung sowie die darauf gegründeten Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht zu erschüttern.
Dieser aktenkonformen Beweiswürdigung kann sich das Berufungsgericht bedenkenlos anschließen und hegt bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage.
Auch die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über Strafe bleibt erfolglos.
Das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig und richtig erfasst. Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen aggraviert zusätzlich die Tatbegehung während offener Probezeit die Schuld des Angeklagten (RISJustiz RS0090597, RS0090954, RS0090969).
Dem Angeklagten gelingt es nicht, weitere für ihn günstige Strafbemessungsgründe zur Darstellung zu bringen.
Wenn er vorbringt, dass die seiner einschlägigen Vorstrafe zugrunde liegenden Tat aus dem Jahr 2023 datiert und somit etwas länger zurück liegt, verkennt er, dass er den unbedingten Strafteil der über ihn verhängten Freiheitsstrafe bis 22. November 2024 verbüßt hat (ON 79, 2) und die neuerliche Tatbegehung am 17. Jänner 2025 erfolgte. Dass die Wohnung nicht mehr bewohnt war, manifestiert sich bereits in dem der Verurteilung zugrundeliegenden Delikt, nämlich dem Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach § 129 Abs 1 Z 1 StGB und nicht dem Verbrechen des Diebstahls durch ein Einbruch in eine Wohnstätte nach § 129 Abs 2 Z 1 StGB sowie dem Urteilstenor.
Bei objektiver Abwägung der zum Nachteil des Angeklagten präzisierten Strafzumessungslage erweist sich im Sinne des § 32 StGB die - bei einem vorliegenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - verhängte, mit nicht einmal der Hälfte der Strafobergrenze ausgemessene Sanktion als schuld- und tatangemessen und wird auch generalpräventiven Erwägungen gerecht, sodass für eine Reduktion des Strafausspruchs kein Anlass besteht.
Eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht kommt – wie der Erstrichter zutreffend darlegte - nicht in Betracht, weil schon angesichts der Tatbegehung während offener Probezeit im raschen Rückfall nicht davon auszugehen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe oder eines Teils derselben ausreichen werde, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Schließlich kommt auch der implizierten Beschwerde des Angeklagten gegen die Verlängerung der Probezeit keine Berechtigung zu. Angesichts der neuerlichen Tatbegehung im raschen Rückfall innerhalb offener Probezeit ist eine Ausweitung des Beobachtungszeitraums, in welchem sich der Angeklagte wohlverhalten muss, jedenfalls spezialpräventiv notwendig und zweckmäßig, um ein künftiges strafbares Verhalten des Angeklagten hintanzuhalten.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.