JudikaturOLG Wien

14R65/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Koch als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner und Mag. Schaller in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch die BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen EUR 49.951 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St.Pölten vom 3.4.2025, **-14, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.713,52 (darin enthalten EUR 618,92 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Die Beklagte ist Unternehmerin mit Sitz in Malta. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht, aber über eine Lizenz der Maltesischen Aufsichtsbehörde, der Malta Gaming Authority.

Die Klägerin (mit Wohnsitz in Österreich) registrierte sich auf der von der Beklagten betriebenen Homepage ** und spielte dort mit ihrem Privatvermögen Online-Glücksspiel. Diese Homepage der Beklagten ist – so wie auch deren AGB - in deutscher Sprache verfügbar. Die Klägerin zahlte im Zeitraum zwischen 03.06.2016 und 30.06.2024 insgesamt 109.801,- Euro auf das Spielerkonto bei der Beklagten ein und erhielt von der Beklagten Auszahlungen in Höhe von 59.850,-- Euro. Die Klägerin spielte Slotspiele und Roulette. Die AGB der Beklagten las sie nicht durch.

Die Klägerin begehrte die Rückzahlung der erlittenen Spielverluste von 49.951,-- Euro samt 4 % Zinsen seit 01.07.2024 wegen Nichtigkeit der Glücksspielverträge. Das Glücksspielangebot der Beklagten verstoße aufgrund der fehlenden österreichischen Lizenz gegen das österreichische Glücksspielgesetz. Die Zahlungen, welche auf Grundlage dieser unerlaubten und daher unwirksamen Glücksspielverträge geleistet wurden, seien auf bereicherungsrechtlicher Grundlage rückforderbar.

Die Beklagtebeantragte die Klageabweisung und erhob folgende – im Berufungsverfahren noch relevanten – Einwände: Die maltesische Glücksspiellizenz bilde gemeinsam mit der Dienstleistungsfreiheit der EU die Basis für das Angebot in Österreich, welches legal sei. Die entgegenstehenden österreichischen Glücksspielregelungen seien nicht unionsrechtskonform, insgesamt inkohärent und daher nicht anzuwenden. Die dazu ergangenen Entscheidungen des VfGH, VwGH und OGH seien überholt bzw nicht einschlägig, vielmehr müssten Feststellungen getroffen werden, ob das System in seiner konkreten und aktuellen Ausprägung den Vorgaben des EuGH genüge. § 14 GSpG betreffend Konzessionen sei schon wegen der unterbliebenen Notifizierung gegenüber der Europäischen Kommission unanwendbar. Glücksspielverträge seien nach dem ABGB ausdrücklich zulässig und könnten prinzipiell wirksam abgeschlossen werden; dies führe allenfalls zu einem – allerdings irrelevanten - Abschlussverbot. Die Beklagte bestritt zudem den Beginn des Zinslaufs; Zinsen stünden erst ab Klagezustellung zu.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Es ging im Wesentlichen von dem eingangs angeführten - im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen – Sachverhalt aus.

In rechtlicher Hinsicht bejahte es die Anwendbarkeit österreichischen Rechts nach Art 6 Rom I-VO und führte zusammengefasst aus, in Österreich sei nach § 3 GSpG das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, der dieses Recht durch Vergabe von Konzessionen an private Unternehmen übertrage. Da die Beklagte über keine österreichische Konzession verfüge, seien die Glücksspielverträge nichtig. Dies führe zur Rückabwicklung; die Spieleinsätze aus verbotenem Glücksspiel könnten zurückgefordert werden. Nach der gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verstoße das österreichische Glücksspielsystem auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht gegen Unionsrecht.

Zum Zinsenlauf führte es aus, dass Vergütungszinsen im Fall ungerechtfertigter Bereicherung ab dem Zeitpunkt der Bereicherung zumindest in Höhe der gesetzlichen Zinsen gebühre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung samt sekundärer Feststellungsmängel und wegen Verfahrensmängeln in Form von Stoffsammlungsmängeln mit dem Antrag, das Urteil - allenfalls nach Verfahrensergänzung - im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt; wiederum hilfsweise wird begehrt, Verzugszinsen erst ab dem 09.10.2024 zuzuerkennen.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1.1 In ihrer Verfahrensrüge erblickt die Beklagte offenbar einen Verfahrensmangel in Form eines Stoffsammlungsmangels darin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Marktforschung und Werbepsychologie nicht eingeholt habe und daher keine Feststellungen zur Kohärenz des Glücksspielmonopols getroffen habe (Berufung Punkt II.).

1.2Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Abstandnahme von beantragten Beweisaufnahmen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 57). Hat das Erstgericht aber – wie hiergerade keine Feststellungen getroffen, könnte im Unterlassen der Beweisaufnahmen, vorausgesetzt diese wären rechtlich relevant, nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen, die – wie es hier im Rahmen der Berufung ohnehin erfolgt – mit Rechtsrüge aufzugreifen wäre (vgl Pimmer aaO Rz 55, 58).

2.1 In der Rechtsrüge beruft sich die Beklagte vorrangig auf die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols, und darauf, dass das Kohärenzgebot nicht beachtet worden sei. Als sekundären Feststellungsmangel rügt sie, dass das Erstgericht zu den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols sowie zur Einhaltung der vom EuGH entwickelten Kohärenzkriterien durch den österreichischen Monopolisten keine Feststellungen getroffen habe, obwohl die Beklagte diesbezüglich umfangreiches Vorbringen erstattet und Beweise vorgelegt habe. Das Erstgericht habe auch keine Feststellungen in Bezug auf das österreichische Glücksspielmonopol und dessen Auswirkungen, insbesondere auch nicht zum Markt- und Werbeverhalten des österreichischen Monopolisten, getroffen.

2.2Der OGH hielt auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH und im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte in aktuellen Entscheidungen ausführlich fest, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und daher nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl zB ua 9 Ob 20/21p mit Übersicht zur Rechtsprechung des EuGH, VfGH und VwGH; 4 Ob 223/21d; 6 Ob 59/22d; 1 Ob 95/23m uvm; zuletzt etwa 8 Ob 54/25m; 9 Ob 64/25i; 6 Ob 33/25h).

2.3Selbst unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass sich der diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalt in relevanter Weise von jener Sach- und Rechtslage unterscheiden würde, die in dem für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Zeitraum bestand. Die Beklagte führt auch inhaltlich nicht aus, inwiefern sich die faktischen Gegebenheiten seit den letzten höchstgerichtlichen Entscheidungen grundlegend geändert haben sollen. Der erkennende Senat folgt deshalb (wie auch bereits das Erstgericht) der gefestigten höchstgerichtlichen Judikatur zur Unionsrechtskonformität der österreichischen Rechtslage, ohne dass von der Beklagten vermisste weitere Feststellungen notwendig wären (vgl RS0053317). So wurden zuletzt auch außerordentliche Revisionen ua maltesischer Online-Glücksspielanbieter zurückgewiesen und sekundäre Feststellungsmängel zum Thema Unionsrechtswidrigkeit verneint (vgl 6 Ob 128/24b, 1 Ob 60/25t, 3 Ob 17/25h uva).

2.4 In diesem Zusammenhang haben sich die Gerichte auch mit den Werbeaktivitäten der Konzessionäre bereits umfassend beschäftigt, auch für den hier klagsgegenständlichen Zeitraum. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall und zu jeder einzelnen Werbekampagne. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass nicht bloß statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden darf (vgl EuGH C-464/15, Admiral, Rn 32 ff). Zudem sprach der OGH erst jüngst in 1 Ob 25/23t aus, dass sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus , kein Verbot für ein nationales Gericht ergibt, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des OGH) zu berufen.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Einholung eines von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zu Werbe- und Marketingmaßnahmen des Monopolisten zutreffend unterblieben.

2.5Zur fehlenden Verpflichtung einer Notifizierung des § 14 GSpG ist die Beklagte auf die Entscheidungen des OGH zu 4 Ob 223/21d, 7 Ob 213/21f, 6 Ob 203/21b, 6 Ob 226/21k uva zu verweisen.

2.6Auch die Ansicht der Beklagten, die Konzessionspflicht bewirke nur ein Abschluss- und kein Inhaltsverbot, sodass auch unter Verstoß gegen diese Konzessionspflicht abgeschlossene Glücksspielverträge wirksam seien, widerspricht der ständigen Judikatur des OGH. Demnach stellt die Durchführung einer Ausspielung, für die nach den Bestimmungen des GSpG eine Konzession erforderlich ist, eine solche aber nicht erteilt wurde, ein verbotenes Glücksspiel dar. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt wurde, ist rückforderbar. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die bezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmungen des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünden, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, würde dem Zweck der Glücksspielverbote widersprechen (6 Ob 124/16b, 7 Ob 225/16p mwN; RS0025607 [T1]).

2.7 Auch der Einwand der Beklagten zum Beginn des Zinsenlaufs ist unberechtigt.

Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen, wobei bei Geld die Nutzung mit den gesetzlichen Zinsen (§ 1333 ABGB) abzugelten ist (RS0032078; RS0016316 [T1] = 9 Ob 62/16g). § 1000 ABGB ist in diesem Zusammenhang ganz generell als Pauschalierung des gewöhnlichen Nutzungsentgelts für Geld („Zinsen“) zu verstehen (vgl 10 Ob 2/23a Rz 124 mwN).

Auch bei Redlichkeit des Bereicherten ist die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals inter partes dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Daher hat nach ständiger Rechtsprechung selbst der redliche Bereicherungsschuldner – außer bei Vorliegen einer Gegenleistung – die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines vom ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben („Vergütungszinsen“). Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn der Bereicherte den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens behalten könnte (RS0032078; 7 Ob 11/20y ; auch OLG Wien 14 R 44/24d).

Die Rechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, nach der Zinsen erst ab Klagszustellung zustehen, ist daher überholt (RS0016316 [T1]; 9 Ob 62/16g; RS0032078 [T1]; vgl auch 6 Ob 51/21z; stRsp des Berufungsgerichts). Die in vereinzelt gebliebenen Entscheidungen vertretene gegenteilige Ansicht, auf die sich die Beklagte stützt (etwa OLG Wien, 16 R 205/22t; [richtig:] LGZ Graz, 6 R 244/22d) wird nicht geteilt. Die in der Berufung zitierte Entscheidung 8 Ob 107/17v ist nicht einschlägig; dort war ein Geschäftsunfähiger Bereicherungsschuldner der Kreditvaluta und die Frage zu beurteilen, ob gesetzliche Verzugszinsen ab der Zuzählung der Kreditvaluta zustehen.

Zinsen gebühren daher entgegen der Ansicht der Beklagten bereits ab dem Eintritt der Bereicherung, dh grundsätzlich ab der letzten Einzahlung. Daher ist der Zuspruch von Vergütungszinsen ab dem Tag nach der letzten Einzahlung zutreffend erfolgt.

Da es nur auf die Nutzungsmöglichkeit durch die Beklagte ankommt, die schon angesichts ihrer unternehmerischen Tätigkeit zu bejahen ist, und die Klägerin nur den gesetzlichen Mindestzinssatz nach § 1000 ABGB begehrt, musste sie kein näheres Vorbringen zu einer gewinnbringenden Veranlagung erstatten.

3. Der unberechtigten Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

4.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

5.Es liegt gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, von der das Berufungsgericht nicht abweicht. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die ordentliche Revision daher nicht zuzulassen.