3Ob17/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D* N.V., *, und 2. F* Ltd, *, beide vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 56.130,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2024, GZ 2 R 157/24g 21, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu C 440/23 wird abgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Erstbeklagte ist ein nach den Gesetzen von Curaçao eingetragenes und registriertes Unternehmen mit Sitz in Curaçao. Die Zweitbeklagte ist eine in Zypern ansässige (hundertprozentige) Tochtergesellschaft der Erstbeklagten. Beide verfügen über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, boten jedoch über ihre Website auch in Österreich die Teilnahme an verschiedenen Online Glücksspielen an.
[2] Die Klägerin begehrte die Rückzahlung ihres Spielverlustes, den sie auf der von beiden Beklagten betriebenen Online Glücksspiel Websites erlitten habe.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem dieses die Beklagten zur Zahlung verpflichtete. Die ordentliche Revision erklärte es mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[5] 1. Das Berufungsgericht korrigierte die – erkennbar nur irrtümlich – unrichtige Bezeichnung der von den Beklagten betriebenen Website. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich dabei um einen offensichtlichen Schreibfehler, der einer Berichtigung zugänglich war, weil die Beklagten selbst zugestehen, dass mit der falschen Bezeichnung keine Website existiert. Durch die bloße Behauptung, mit dieser Vorgangsweise sei das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, zeigen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[6] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret gegen § 52 Abs 5 GSpG verstoßen hat, kommt es daher nicht an. Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (zuletzt 7 Ob 16/25s [Rz 6] mwN).
[7] 2.2 Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (7 Ob 16/25s [Rz 7] mwN). Bereits mehrmals wurde vom Obersten Gerichtshof festgehalten, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert, wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (6 Ob 77/23a [Rz 5] mwN). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152). Dies gilt im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes nach gefestigter Rechtsprechung auch dann, wenn der Leistende in Kenntnis der Nichtschuld ist und ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (7 Ob 16/25s [Rz 7] mwN), sodass das Argument der Revision, die Forderung erfolge wider Treu und Glauben, keine erhebliche Rechtsfrage begründet.
[8] 2.3 Auch aus der Entscheidung zu 8 Ob 21/24g lässt sich für den Standpunkt der Beklagten nichts gewinnen. Das Argument, die Verweigerung eines Rückforderungsanspruchs würde dem Spielerschutz besser gerecht, weil die Spieler sonst einerseits die Einsätze zurückverlangen aber andererseits auf die Auszahlung von Gewinnen vertrauen könnten, lässt die mit dem Glücksspielgesetz ebenso verfolgten ordnungspolitischen und fiskalischen Zwecke außer Acht, die eine absolute Nichtigkeit und beiderseitige Rückforderbarkeit erfordern (2 Ob 198/24t [Rz 8] mit Hinweis auf 8 Ob 21/24g [Rz 26]).
[9] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i, je mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang.
[10] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl 6 Ob 19/25z mwN). Entgegen der Argumentation der Revisionswerberinnen ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH, C 920/19, Fluctus , kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin (vgl Rn 58) bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen. Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag das Rechtsmittel nicht aufzuzeigen.
[11] 5. Einer Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C 440/23 bedarf es nicht, weil zu den dort gestellten Fragen keine unionsrechtlichen Zweifel bestehen (vgl 6 Ob 19/25z [Rz 10]; 2 Ob 187/24z [Rz 4], je mwN). Auch der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht näher zu treten.
[12] 6. Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, liegt nicht vor.