6Ob128/24b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*, Malta, vertreten durch Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 51.406,71 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Juni 2024, GZ 13 R 44/24x 31, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die beklagte Limited hat ihren Sitz in Malta. Sie veranstaltet über eine Website Online Glücksspiel. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz. Die Klägerin erlitt im Zeitraum von 5. 5. 2019 bis 4. 3. 2023 Spielverluste aus von der Beklagten veranstalteten Online Automatenspielen in Höhe des eingeklagten Betrags. Von der Notwendigkeit einer Konzession für das Anbieten von Online Glücksspiel wusste die Klägerin nicht.
[2] Die Vorinstanzen gaben der auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge gestützten Klage auf Rückersatz statt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
[4] 1. Die Beklagte erblickt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darin, dass das Berufungsgericht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB unrichtig ausgelegt habe. Mit ihrer Argumentation, die Klägerin habe wissentlich Einsätze zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung, nämlich ihrer eigenen Teilnahme an einer nicht konzessionierten elektronischen Lotterie, geleistet, geht sie hinsichtlich der Wissentlichkeit – die sich auf die Unerlaubtheit beziehen muss (vgl 10 Ob 10/12m [ErwGr 2.2.2.]) – nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Sie macht schon deshalb keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO geltend.
[5] 2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl etwa 6 Ob 19/25z; 1 Ob 95/23m; 6 Ob 157/24t). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung.
[6] 3. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C 920/19, Fluctus , kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
[7] Der behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidung, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlten, ist damit nicht zu erkennen.
[8] Der Senat sieht auch keinen Anlass, dem von der Beklagten angeregten Vorabentscheidungsersuchen näher zu treten (vgl 6 Ob 19/25z; 2 Ob 23/23f; 7 Ob 135/24i).
[9] 4. Einer – insoweit nur angeregten – Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen zu C 440/23 bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – bereits geklärt erscheinen (vgl etwa 6 Ob 19/25z; 4 Ob 219/23v; 9 Ob 72/23p; 8 Ob 31/24b; 2 Ob 194/24d).