23Bs132/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 1 StGB über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 11. März 2025, GZ **-20, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Wohlmuth LL.M., des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Anna Federer durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht , hingegen jener wegen Strafe dahin Folgegegeben, dass die verhängte Geldstrafe unter Beibehaltung der Anwendung des § 43a Abs 2 StGB auf 200 Tagessätze à 8,- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit auf 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt und gemäß § 44 Abs 2 StGB die Rechtsfolge des Ausschlusses natürlicher Personen von der Ausübung des Gewerbes (§ 13 Abs 1 GewO 1994) unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene brasilianische Staatsangehörige A* des Vergehens der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 300 Tagessätzen á EUR 8,--, im Nichteinbringungsfall zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 1. August 2024 in ** als Verantwortlicher des Unternehmens B* dadurch, dass er zumindest gegen das Abfallwirtschaftsgesetz in Bezug auf die Emissionen von Luftschadstoffen und gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, insbesondere gegen die – mitunter den Umgang mit Asbest regelnden - §§ 22, 26 und 27 im 4. Abschnitt der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über Grenzwerte für Arbeitsstoffe sowie über krebserzeugende und über fortpflanzungsgefährdende (reproduktionstoxische) Arbeitsstoffe (Grenzwerteverordnung 2021 – GKV), verstoßend, seine Arbeiter C* und D* anwies und veranlasste, Reinigungsarbeiten an asbesthaltigen Welleternitplatten mittels Hochdruckreiniger vorzunehmen, mithin verbotenerweise asbesthaltige Dachhäute mittels Hochdrucklanzen zu säubern, wodurch Millionen von Asbestfasern und damit kanzerogene Stoffe freigesetzt wurden, entgegen einer Rechtsvorschrift ein Gewässer, den Boden oder die Luft so verunreinigt, dass dadurch eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen entstehen hätte können bzw entstand, weil die Arbeiter unmittelbar durch ihre Tätigkeiten den Schadstoffen ausgesetzt waren und die Asbestzementbruchstücke sowie die asbesthaltigen Ablagerungen ungeschützt auf den umliegenden Nachbargrundstücken landeten, sodass auf Grund der räumlichen Nähe der angrenzenden Wohnhäuser eine nicht mehr festzustellende, aber größere Zahl an Personen ebenfalls Asbestfaserkonzentrationen ausgesetzt waren, die den Irrelevanzwert deutlich überschritten haben.
Bei der Strafzumessung wertete die Erstrichterin den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd, als erschwerend demgegenüber die Gefahr für das Leben bzw einer schweren Körperverletzung der beiden auf der Baustelle unmittelbar tätigen Mitarbeiter und jene für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit von jedenfalls mehr als zehn Personen, nämlich der auf den Nachbargrundstücken wohnhaften Menschen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 21.2) und zu ON 22.2 fristgerecht ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.
Zur der Reihenfolge nach zunächst zu behandelnden Berufung wegen Schuld (Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9) ist vorweg festzuhalten, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (Mayerhofer, StPO 6§ 258 E 30 f; Kirchbacher, StPO 15§ 258 Rz 8). Die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Selbst der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht – im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen – verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336).
Angesichts dieser Prämissen ist die erstrichterliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden: Denn die Erstrichterin hat, nachdem sie sich in der Hauptverhandlung vom Angeklagten sowie den vernommenen Zeugen einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte und in dieser das eingeholte Sachverständigengutachten erörtert wurde (ON 19, 38ff), in ihrer Beweiswürdigung schlüssig und empirisch einwandfrei, zugleich aber auch in vom Gesetz geforderter gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargelegt, auf Grund welcher Verfahrensergebnisse sie zur Überzeugung vom objektiven Handlungsablauf und der darauf gerichteten subjektiven Tatseite des Angeklagten gelangt ist.
So hat sich die Erstrichterin mit den als bloße Schutzbehauptung abgetanen Depositionen des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt und aus seiner langjährigen Tätigkeit in diesem (Unternehmens-)Bereich und dem Wissen, dass bei Arbeiten im Zusammenhang mit Asbest entsprechende Schutzausrüstung zu tragen ist, auf die Kenntnis der von asbesthaltigen Substanzen ausgehenden Gefahr für menschliches Leben und Gesundheit ebenso geschlossen, wie auf die intellektuelle Komponente, wonach durch Bearbeitung mit Hochdruckreinigern zumindest geringfügig in die Substanz eingegriffen und durch das Sprühwasser Asbestfasern freigesetzt werden, die eine Gefahr für die unmittelbaren Arbeitnehmer und die in der Nachbarschaft Wohnenden entstehen ließ.
Wenn der Berufungswerber moniert, dass das Erstgericht letztgenannten Umstand nicht begründet habe und dabei auf seine Depositionen sowie jene der Zeugen D* und C* verweist, welche allesamt mehrfach betont hätten, dass ihnen lediglich die Gefahr beim Schneiden und Brechen von asbesthaltigen Materialien, nicht jedoch bei dessen Reinigung mit Hochdruckreinigern bekannt gewesen sei, ist er darauf zu verweisen, dass die Erstrichterin die in Rede stehende Feststellung (US 4) aus der Pflicht zur Tragung einer entsprechenden Schutzbekleidung, welcher Anforderung – nach Angabe der Genannten (ON 2.6, 4; ON 2.7, 4; ON 2.10, 4) - auf eigenen Wunsch der Arbeiter nur auf Grund der sehr heißen Temperaturen nicht nachgekommen wurde, der erfolgten Sicherheitsunterweisungen (ON 2.19, ON 2.20), und dem Zugeständnis des Angeklagten, dass die Arbeiter bei ihrer Tätigkeit mit Spritzwasser in Körperkontakt kommen und die Gefahr durch Eingriff in die Substanz der Platten entsteht, abgeleitet hat („daher“, US 11).
Den Urteilsfeststellungen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der Dachsanierung einerseits wusste, dass bei Vornahme von Arbeiten im Zusammenhang mit asbesthaltigen Dächern das Tragen einer entsprechenden Schutzbekleidung vorgeschrieben war (US 4) und es sich bei Welleternitdächern, wie dem vorliegenden, um eine asbesthaltige Dachoberfläche handelt (US 8). In ihrer Beweiswürdigung schloss die Erstrichterin unter anderem auf Grund der langjährigen Tätigkeit des Angeklagten in diesem Bereich auf dessen Wissen um die krebserregende Eigenschaft von Asbest bzw der davon ausgehenden Gefahr im Zusammenhang mit Arbeiten, durch welche in die asbesthaltige Substanz des Welleternit eingegriffen werde (US 11). Schließlich leitete die Erstrichterin unter anderem aus der langjährigen Erfahrung des Angeklagten ab, es sei für diesen erkennbar gewesen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine asbesthaltige Dachhaut handelte (US 13). Wenn der Berufungswerber nun moniert, dass sich das Erstgericht darauf berufen habe, „dass dem Angeklagten auf Grund seiner langjährigen Erfahrung bekannt sein musste, dass eine Reinigung mit Hochdrucklanzen gesundheitsschädigend und verboten ist“, lässt sich dies dem angefochtenen Urteil nicht explizit entnehmen, wiewohl sich daraus durchaus – wie unten erörtert - eine Vorwerfbarkeit iSd § 183a StGB ableiten lässt.
Sofern der Berufungswerber dem Zeugen E* die Glaubwürdigkeit abspricht, weil dieser bei seiner Vernehmung vor der Polizei noch nicht erwähnt hat, den Angeklagten explizit auf die Asbesthaltigkeit hingewiesen zu haben, überzeugt er bei einer Gesamtbetrachtung dieser Aussage nicht. Denn der Zeuge hat einleitend anschaulich dargelegt, als Baumeister Kenntnis vom Umgang mit asbesthaltigen Material zu haben. Die Mitteilung an den Angeklagten, dass die Arbeiten sicher nicht ordnungsgemäß wären, ist daher ohne jeden Zweifel in diese Richtung zu verstehen.
Das Erstgericht hat beanstandungsfrei aus der langjährigen Tätigkeit im Bereich der Reinigung und Beschichtung von Dächern und dem Umstand, dass der Angeklagte einräumte, bei der anklagegegenständlichen Tätigkeit sei gewöhnlich eine adäquate Schutzausrüstung zu tragen, geschlossen, dass auch für diesen erkennbar war, wonach es sich im vorliegenden Fall um eine asbesthaltige Dachhaut handelt. Wenn nunmehr der Berufungswerber darauf hinweist, dass er auch bei seinem vormaligen Arbeitgeber jedes Dach, unabhängig von seiner Beschaffenheit, mit Hochdrucklanzen gereinigt habe, und nicht nachvollziehbar sei, weshalb ihm die Asbesthaltigkeit erkennbar gewesen hätte sein sollen, zieht er bloß andere Schlussfolgerungen als die Erstrichterin, stellt eigene Beweiswerterwägungen an, zeigt jedoch damit keine Beweiswürdigungsmängel in Bezug auf seine Täterschaft auf.
Im übrigen handelt es sich bei der verwaltungsakzessorischen Klausel der Umweltstraftatbestände um ein normatives Tatbestandsmerkmal, welches prinzipiell vom Vorsatz umfasst sein muss. Für den Vorsatz genügt es, dass der Täter den sozialen Bedeutungsgehalt seines Tuns laienhaft erfasst. Der Täter muss es daher ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass er gegen eine generelle Rechtsvorschrift oder gegen einen individuellen behördlichen Auftrag verstößt und dass deren Schutzzweck zumindest teilweise auch den Schutz der Umwelt umfasst (Manhart, SbgK § 183a Rz 2).
Ein Irrtum über Existenz oder Inhalt einer Norm, die Erforderlichkeit einer Genehmigung bzw. Inhalt und Reichweite einer erteilten Genehmigung ist als Tatbildirrtum anzusehen (Koller, WK 2StGB § 183a Rz 2). Der Täter, welcher einem solchen unterliegt, kann mangels Vorsatzes nicht nach dem jeweiligen Vorsatzdelikt bestraft werden. § 183a Abs 1 StGB ordnet jedoch an, dass ein vorwerfbarerIrrtum über die Verwaltungsrechtslage (über eine Rechtsvorschrift oder über einen behördlichen Auftrag) unbeachtlich ist und der vorsätzlich handelnde Täter dennoch nach dem jeweiligen Vorsatzdelikt der §§ 180ff StGB strafbar ist (Koller, aaO Rz 2; Manhart, aaO Rz 2 ff; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 183a Rz 2). Wenn nunmehr der Angeklagte – entgegen den erstrichterlichen Konstatierungen - vorbringt, nicht gewusst zu haben, dass eine Reinigung mit Hochdrucklanzen gesetzlich verboten sei, unterliegt er einem vorwerfbaren Irrtum über Rechtsvorschriften, zumal der Angeklagte ein Gewerbe betrieben hat (ON 2.14; US 3), ohne sich mit den einschlägigen Rechtsvorschriften bekanntzumachen, und ihm der Irrtum auch sonst vorzuwerfen ist, da ein solcher Irrtum einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters, welcher als Firmeninhaber der B* die Durchführung von Dachreinigungen und –imprägnierungen anbietet (US 3f), nicht unterlaufen wäre. Wenn daher der Berufungswerber reklamiert, dass sich die subjektive Tatseite zur Verwaltungsrechtswidrigkeit nicht aus dem Beweissubstrat ableiten lasse, so ist er darauf zu verweisen, dass bezüglich des Tatbestandsmerkmals der Verwaltungsrechtswidrigkeit letztlich Fahrlässigkeit ausreicht und das behauptete Fehlen des Unrechtsbewusstseins der Strafbarkeit nicht entgegensteht (Manhart, aaO Rz 3).
Da das Berufungsgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung in Erledigung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hat, war die Schuldberufung zu verwerfen.
Auch der Berufung wegen Nichtigkeit war keine Folge zu geben.
Mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO moniert der Angeklagte, dass sich aus den Feststellungen nicht entnehmen lasse, aus welcher konkreten Verwaltungsvorschrift sich ergibt, dass die Reinigung von asbesthaltigen Dächern mittels Hochdrucklanzen gesetzlich generell verboten ist, sowie wann und bei welchen konkreten Tätigkeiten im Zusammenhang mit asbesthaltigem Material das Tragen von Schutzbekleidung explizit vorgeschrieben ist.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Anhand methodischer Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565 und RS0116569) hat der Berufungswerber rechtliche Fehler bei der Beurteilung des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts aufzuzeigen. Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).
Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 180 Abs 1 StGB ist ein Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Bestimmungen. Eine Anknüpfung kann sich daher aus ausreichend bestimmten bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften, aber auch gemeinschaftsrechtlichen Normen, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sind, ergeben. Nicht oder nicht unzureichend umgesetzte gemeinschaftsrechtliche Richtlinien können hingegen niemals für die Strafbarkeit maßgeblich sein (vgl dazu Manhart, aaO Vorbem §§ 180ff Rz 31f). Wenn nunmehr der Berufungswerber darauf hinweist, dass die technischen Regeln für Gefahrstoffe Asbest- Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten (TRGS 519) keinen Anknüpfungspunkt für die Verwaltungsakzessorietät bieten, so trifft dies ebenso wie auf den Leitfaden für den Umgang mit Asbestzement bei Dach- und Fassadenarbeiten, herausgegeben von der Bundesinnungsgruppe Baunebengewerbe, aus welchem sich ergibt, dass die Reinigung von Asbestzementplatten mit Hochdruckreinigern nicht erlaubt ist, zu, weil es sich um keine verwaltungsrechtlichen Bestimmungen handelt. Jedoch hat die Erstrichterin die Verwaltungsrechtsakzessorietät auch auf die Grenzwerteverordnung (GKV 2021) gestützt, dessen § 26 Abs 2 festlegt, dass Arbeiten, bei denen Arbeitnehmer/innen Asbeststaub oder Staub von asbesthaltigen Materialien ausgesetzt sind oder sein können, so zu gestalten sind, dass kein Asbeststaub entsteht. Materialien, in denen Asbestfasern fest in einer Matrix gebunden sind, dürfen nur mit Handgeräten oder mit geeigneten, langsam laufenden, die Entstehung von Asbeststaub möglichst vermeidenden Arbeitsmitteln, die mit geeigneten filternden Absaugungen versehen sind, oder mit Arbeitsmitteln, die im Nassverfahren arbeiten, bearbeitet werden. Zudem verpflichtet § 27 Abs 1 GKV 2021 Arbeitgeber vor Beginn von Abbruch- oder Instandhaltungsarbeiten festzustellen, ob und in welchem Umfang asbesthaltige Materialien enthalten sind. Das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) sieht in § 1 Abs 1 Z 1 vor, dass schädliche oder nachteilige Einwirkungen auf Mensch, Tier und Pflanze, deren Lebensgrundlagen und deren natürliche Umwelt vermieden oder sonst das allgemeine menschliche Wohlbefinden beeinträchtigende Einwirkungen so gering wie möglich gehalten werden. Schließlich finden sich allgemeine Vorschriften im Hinblick auf Asbestarbeiten im AschG und in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Schutz der Arbeitnehmer/innen durch persönliche Schutzausrüstung (Verordnung Persönliche Schutzausrüstung – PSA-V). Diesen Bestimmungen ist in einer Gesamtschau inhärent, dass das Reinigen von asbesthaltigen Dachhäuten mittels Hochdrucklanzen verboten ist. Entgegen der Berufungsausführung liegt eine unrichtige rechtliche Beurteilung daher nicht vor.
War der Berufung wegen Nichtigkeit keine Folge zu geben, kann der Strafberufung im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Die reklamierte Unbesonnenheit liegt nur bei einem (plötzlich bzw spontanen) Willensimpuls, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen gewesen und nach der Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre, vor (RIS-Justiz RS0091000), wovon bei einem Gewerbetreibenden, der laufend asbesthaltige Dächer reinigt, nicht auszugehen ist.
Ein Rechtsirrtum ist den erstgerichtlichen Konstatierungen nicht zu entnehmen, der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 12 StGB daher nicht gegeben.
Jedoch ist das vom Angeklagten gezeigte Nachtatverhalten – so hat er nach dem gegenständlichen Vorfall seinen Arbeitgebern eine erneute Sicherheitsunterweisung erteilt (ON 2.17; ON 2.18) und an einem Fachseminar zum Thema Basisinformation – fachkundiger Umgang mit Asbest der AUVA teilgenommen (ON 22.3) – im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungskriterien des § 32 StGB mildernd zu berücksichtigen (Riffel, WK 2StGB § 32 Rz 37 ff).
Bei objektiver Abwägung dieser korrigierten Strafzumessungslage und allgemeiner Strafzumessungserwägungen erweist sich die vom Erstgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ausgemessene Sanktion als etwas zu hoch bemessen und war diese in Stattgebung der Berufung auf ein allen Strafzwecken gerecht werdendes Ausmaß im spruchgemäßen Umfang herabzusetzen.
Da es sich in casu um die erste Verurteilung des Angeklagten handelt, erscheint eine bedingte Nachsicht der Rechtsfolge des Ausschlusses natürlicher Personen von der Ausübung eines Gewerbes gemäß § 44 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit vertretbar.
Der Berufung war daher nur im spruchgemäßen Umfang Erfolg beschieden.