13R36/25x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie Mag. Wieser und Mag. Wessely in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Mag. Johannes Bügler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) B* , **, 2) C* AG , **, vertreten durch Mag. Wolfgang Weilguni, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 30.312,52 sA, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28.11.2024, **-22, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 3.451,62 bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung (darin enthalten EUR 575,27 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 18.9.2023 um 12.30 Uhr ereignete sich in ** an der Kreuzung D*/E* ein Verkehrsunfall, an dem das im Eigentum der Erstbeklagten stehende, von ihr gelenkte und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherte Fahrzeug F* **, Kennzeichen ** [in Hinkunft: F*] und der vom Kläger gehaltene und gelenkte G* **, Kennzeichen ** [in Hinkunft: G*] beteiligt waren.
Der F* war 4,89 m lang, 1,90 m breit und wog 2.134 kg.
Der G* war 3,92 m lang, 1,68 m breit und wog 1.048 kg.
Bei der Unfallstelle handelt es sich um eine rechtwinkelige T-Kreuzung der durchgehenden E* und der von Süden einmündenden Straße D*. Die E* ist in beiden Richtungen einstreifig befahrbar, die Fahrstreifen sind durch markierte Leitlinien getrennt mit einer Breite von je 3,6 m. Der Verlauf ist annähernd geradlinig, sodass große Sichtweiten bestehen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist 50 km/h.
Die Straße D* ist ebenfalls in beide Richtungen befahrbar. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist 30 km/h. Die gesamte Straßenbreite im Einmündungsbereich der Kreuzung beträgt 5,3 bis 5,4 m. Vor der Kreuzung ist am rechten Fahrbahnrand der Straße D* ein Verkehrszeichen „Vorrang geben“ angebracht.
Die Sichtverhältnisse im Bereich der letzten Meter der Straße D* vor der Kreuzung sind aufgrund der beiderseitigen Gebäudelagen in beide Richtungen schlecht. Erst kurz vor der dort befindlichen Radfahrerüberfahrt wird die Sicht besonders nach rechts besser. Die Sicht nach links wird durch eine parallel zur E* verlaufende etwa 15 bis 30 m vor der Kreuzung gelegene Parkbucht eingeschränkt, wobei am Beginn des Gehsteigs noch eine Sicht an den Parkern vorbei auf den Annäherungsbereich des Verkehrs von links möglich ist. Befindet sich ein Fahrzeug weiter vorne, wird die Sicht nach links durch die parkende Fahrzeuge beeinträchtigt und wird erst besser, wenn die Front des Fahrzeugs bereits in die Fahrbahn eingedrungen ist. Zum Unfallzeitpunkt war die Parkbucht voll beparkt.
Der Kläger fuhr von seinem Haus an der Adresse D* ** und wollte an der Kreuzung nach links in die E* stadteinwärts einbiegen. Vor der Kreuzung blieb der Kläger zunächst vor der Radfahrerüberfahrt stehen und fuhr danach langsam weiter bis zum Kreuzungsbereich, wo er im Anschluss daran nochmals direkt vor der Kreuzung zum Stillstand kam. Dabei befand er sich noch am Fahrbahnrand der E*. Er beschleunigte dann den G* in einem Zug und fuhr in die Kreuzung ein, um links in die E* einzubiegen [1] .
Die Erstbeklagte fuhr in unmittelbarer Annäherung an den späteren Unfallbereich mit dem F* auf der E* stadtauswärts in der Fahrstreifenmitte mit einer Geschwindigkeit von 38 km/h [2] . Dabei nahm sie den G* erst bei dessen Eindringen in die Fahrbahn als auffällig wahr, versuchte eine Vollbremsung einzuleiten, deren Wirksamkeit nicht festgestellt werden kann. Es kam aber dennoch zu einer annähernd rechtwinkeligen Kollision der beiden Fahrzeuge, wobei die Kollisionsgeschwindigkeit des F* 38 km/h und die des G* mit 15 km/h festgestellt wird [3] . B ei der Kollision drang die rechte Frontseite des F* in die linke vordere Flanke des G* ein. Der G* wurde im Uhrzeigersinn ausgedreht und kam annähernd rechtwinkelig zur Fahrbahn zum Stillstand. Der F* wurde durch die Bewegung des G* und den großen Massenunterschied deutlich nach links abgelenkt.
Für den Kläger wäre der Unfall zu verhindern gewesen, wenn er den aus seiner Sicht von links annähernden Verkehr aufmerksam beobachtet hätte, weil dieser bei einer Position weiter hinten in Annäherung an den Kreuzungsbereich gut einsehbar war. Jedenfalls hätte er den Unfall dadurch verhindern können, dass er sich unmittelbar beim Kreuzungsbereich dezimeterweise, nicht kontinuierlich in die E* langsam vorgetastet hätte, weil sich dadurch die Sichtverhältnisse auch beim Kreuzungsbereich deutlich verbessert hätten und bereits bei einem Eindringen des G* von 90 cm eine Sicht nach links auf einen Bereich von zumindest 50 bis 60 m möglich gewesen wäre. Bei einem Eindringen in diesem Ausmaß wäre für den bevorrangten Verkehr auf der E* auch ein kollisionsfreies Vorbeifahren problemlos möglich gewesen. Dem Kläger ist somit insgesamt ein Beobachtungsfehler unterlaufen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er das Beklagtenfahrzeug wahrnehmen und den Unfall vermeiden können [4] .
Für die Erstbeklagte blieb demgegenüber ab der Auffälligkeit des G* durch das Eindringen in die E* bloß 1 bis maximal 1,2 sec als Abwehrzeit zur Verfügung. Der Erstbeklagten ist daher eine Reaktionsverspätung von maximal 0,2 sec unterlaufen. Bei prompter Reaktion wäre unter Berücksichtigung einer Vorbremszeit von 1 Sekunde eine Bremsung aber nur für eine Dauer von 0,2 sec wirksam gewesen, sodass es auch dann zur Kollision gekommen wäre. Der Unfall war somit für die Erstbeklagte nicht zu verhindern [5] .
Der Kläger begehrt EUR 30.312,52 sA, zum Unfallhergang mit dem Vorbringen, er sei bis kurz vor die Kreuzung gerollt und dann erneut stehen geblieben. Erst nachdem er sich vergewissert habe, dass von beiden Seiten kein Fahrzeug komme, sei er in die E* eingebogen, wobei er sich langsam vorgetastet habe. In diesem Moment sei ihm die Erstbeklagte mit dem F* plötzlich mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne Achtung auf den Verkehr ungebremst in die linke Seite des G* gefahren. Die Erstbeklagte habe
- die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten,
- gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen,
- verspätet reagiert.
Bei Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung und sofortiger Reaktion hätte sie den Unfall verhindern können. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, rechtzeitig zu reagieren oder auszuweichen.
Das Alleinverschulden treffe die Zweitbeklagte.
Die beklagten Parteien wenden zusammengefasst ein, dass die Erstbeklagte eine Geschwindigkeit von 40 km/h eingehalten habe und den G* erstmals wahrgenommen habe, als sie auf der Höhe des Endes der parallel zum rechten Rand der E* situierten Parkbucht gewesen sei. Der Kläger habe den G* beschleunigt um nach links in die E* einzubiegen. Ihre Vollbremsung habe den Zusammenstoß nicht mehr verhindern können.
Der Verkehrsunfall sei für die Erstbeklagte ein unabwendbares Ereignis gewesen und das alleinige Verschulden treffe den Kläger, weil dieser den Vorrang der Erstbeklagten missachtet und verspätet reagiert habe.
Es werde überdies eine Gegenforderung von EUR 4.200,-- [Schmerzengeld Erstbeklagte; Generalunkosten] eingewendet.
Die Höhe der Klagsforderung werde außer Streit gestellt.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht die Klage abgewiesen, wobei es den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich würdigte wie folgt:
„ 1.) Zum Anspruch gegen die Erstbeklagte:
Da die Erstbeklagte sowohl Lenkerin als auch Halterin des Beklagtenfahrzeugs iSd § 5 Abs 1 EKHG ist, kann sich der Kläger gegen diese (neben dem ABGB auch) auf das EKHG stützen ( Danzl, EKHG 11§ 5 E 1/1). Wurde ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht, so kommt es gemäß § 11 Abs 1 S 2 EKHG für die gegenseitige Ersatzpflicht der Beteiligten auf die Umstände, insbesondere darauf an, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Beteiligten verschuldet oder durch außergewöhnliche Betriebsgefahr oder überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr verursacht wurde. § 11 Abs 1 S 2 EKHG regelt somit die gegenseitigen Schadenersatzansprüche zwischen den Beteiligten, wenn ein Schaden durch mehrere Fahrzeuge herbeigeführt wurde ( Schauer in Schwimann/Kodek, ABGB 5§ 11 EKHG Rz 1 f) und die Mitverantwortung der Beteiligten untereinander ( Neumayr in Schwimann/Neumayr, ABGB 6§ 11 EKHG Rz 1). Die in § 11 EKHG festgelegte Reihenfolge bringt auch das Gewicht der Haftungsgründe zum Ausdruck (OGH 2 Ob 43/01i): zuerst Verschulden (RIS-Justiz RS0026824), danach folgt die Betriebsgefahr, wobei zwischen außergewöhnlicher und überwiegender gewöhnlicher Betriebsgefahr differenziert wird (RIS-Justiz RS0058443).
Im gegenständlichen Fall wurde der vom Kläger geltend gemachte Schaden, nämlich dessen Reparaturkosten, durch mehrere Kraftfahrzeuge, nämlich durch das Klags- und das Beklagtenfahrzeug verursacht. Kläger und Beklagte stützen ihren Standpunkt auf das jeweilige Alleinverschulden des Unfallgegners, weshalb zunächst zu ermitteln ist, wen das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls trifft.
a.) Zum Verschulden der Erstbeklagten:
Im gegenständlichen Fall brachte der Kläger vor, die Erstbeklagte habe die zulässigeHöchstgeschwindigkeitsgrenze überschritten, gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen und verspätet reagiert. Nach den Feststellungen kann diesem Vorbringen des Klägers nicht gefolgt werden. So fuhr die Erstbeklagte in Annäherung an den Unfallbereich mit etwa 38 km/h und damit weit unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Im Übrigen wäre selbst im für sie ungünstigsten Fall, aus technischer Sicht maximal eine Geschwindigkeit von 48 km/h anzunehmen. Ebenso kann der Erstbeklagten kein Vorwurf dahingehend gemacht werden, sie hätte gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen. Vielmehr befand sie sich auf der Vorrangstraße und hatte durch die Wetterverhältnisse und das Tageslicht eine klare Sicht auf die vor ihr nahezu geradlinig verlaufende Straße. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein bevorrangter Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten keineswegs so wählen muss, dass er einem allfälligen verkehrswidrigen Verhalten eines für ihn noch nicht wahrnehmbaren benachrangten Verkehrsteilnehmers – hier dem Kläger – Rechnung tragen kann (RIS-Justiz RS0074307). Im Übrigen darf derjenige, der keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige) die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang durch Kreuzen oder Einbiegen weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihres Fahrzeuges nötigen (§ 19 Abs 7 StVO). Die Erstbeklagte musste somit gerade nicht auf etwaige Fahrzeuge, die von einer Nebenstraße auf die Vorrangstraße einbiegen wollten, achten, sondern durfte vielmehr nach dem Vertrauensgrundsatz gemäß § 3 Abs 1 StVO davon ausgehen, dass andere Verkehrsteilnehmer die für die Benützung der Straße maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen, also dass Fahrzeuge von Nebenstraßen vor der Vorrangstraße anhalten. Somit geht aber auch der Einwand des Klägers, die Erstbeklagte habe die Front des Klagsfahrzeugs wahrnehmen und eine rechtzeitige Bremsung einleiten müssen, um die Kollision zu vermeiden, ins Leere. Zwar darf der Lenker eines Vorrang genießenden Fahrzeuges auf Kreuzungen den Querverkehr nicht gänzlich unbeachtet lassen (OGH 2 Ob 352/67). Allerdings kann ein im Vorrang befindlicher Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen, dass benachrangte Fahrzeuglenker seinen Vorrang respektieren ( Salamon/Kaltenegger/Riccabona-Zecha in Kaltenegger/Koller/Vergeiner, StVO § 3 E 82). Zum Vorwurf der verspäteten Reaktion der Erstbeklagten ist auszuführen, dass die Rechtsprechung Lenkern abhängig von der konkreten Gefahrensituation, also bspw. der Verpflichtung zur besonderen Aufmerksamkeit, und auch teilweise abhängig von der Versiertheit des Lenkers eine Reaktionszeit von bis zu 1 Sekunde zubilligt (siehe etwa OGH 2 Ob 131/77; 8 Ob 132/76; 2 Ob 26/08z). Wie bereits ausgeführt, traf die Erstbeklagte eine Reaktionsverspätung von bloß etwa 0,2 Sekunden. Eine solche Fehlreaktion von einer Sekundenbruchteile betragenden Reaktionsverspätung kann jedoch bei der Beurteilung eines etwaigen Mitverschuldens vernachlässigt werden (siehe bloß Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1304 Rz 83 mwN). Schließlich wäre die Kollision allerdings auch bei prompter Reaktion nicht zu vermeiden gewesen, sodass es insofern auch an einer Kausalität mangeln würde.
b.) Zum Verschulden des Klägers:
Im Gegensatz dazu trifft den Kläger sehr wohl ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls: So wurde dem Kläger durch das Verkehrszeichen „Vorrang geben“ gemäß § 19 Abs 4 StVO eine Wartepflicht gegenüber der bevorrangten Straße auferlegt. Demgemäß hatte sowohl der Verkehr von links als auch von rechts den Vorrang gegenüber dem Kläger. Wie aus den Feststellungen ersichtlich, unterlief dem Kläger diesbezüglich ein Beobachtungsfehler. Es wäre ihm nämlich erstens möglich gewesen, am Beginn des Gehsteigs (vor Überquerung der Radfahrerüberfahrt) stehenzubleiben und von dort den Linksverkehr einzusehen. Zweitens wäre es ihm aber auch möglich gewesen, durch langsames Vortasten in die aktive Fahrbahn bis etwa 90 cm, den Linksverkehr ausreichend wahrzunehmen. In beiden Fällen hätte der Kläger die Erstbeklagte sehen, sodann stehenbleiben und dadurch die Kollision verhindern können, was ihm durch das Verkehrszeichen „Vorrang geben“ auch vorgeschrieben war. Der im „Nachrang“ Befindliche hat seine Fahrweise nämlich so einzurichten, dass er den Vorrang dort wahrnehmen [Anm.: gemeint: geben] kann, wo er nach den konkreten örtlichen und Verkehrsverhältnissen mit bevorrangten Fahrzeugen rechnen muss, wobei er bei schlechten Sichtverhältnissen an einer Kreuzung seine Geschwindigkeit bis zum „Vortasten“ herabzusetzen hat (RIS-Justiz RS0074791). „Vortasten“ bedeutet dabei in der Regel schritt- oder gar nur zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zu jenem Punkt, von dem aus die erforderliche Sicht gegeben ist (zum Ganzen Fucik/Hartl/Schlosser, Handbuch des Verkehrsunfalls VI3 Rz 441 mwN). Ein solches Vortasten hat der Kläger gerade nicht vorgenommen, vielmehr ist er nach dem Stillstand im Kreuzungsbereich in einem Zug nach links abgebogen, obwohl er bei langsamem Vorrollen die Erstbeklagte jedenfalls noch wahrnehmen hätte können. Der Kläger verstieß somit gegen § 19 Abs 4 StVO und handelte objektiv sorgfaltswidrig. Das Verschulden wird gemäß § 1298 ABGB vermutet ( Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.09 § 1311 Rz 52). Es sind auch keine Gründe für eine fehlende Vorwerfbarkeit des Verstoßes gegen § 19 Abs 4 StVO des Klägers ersichtlich.
c.) Ergebnis:
Den Kläger trifft somit durch den Beobachtungsfehler und die damit verbundene Vorrangverletzung das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls, da für die Erstbeklagte der Unfall nicht zu vermeiden war und auch die minimale (und im Ergebnis nicht kausale) Reaktionsverspätung bei der Verschuldensabwägung zu vernachlässigen ist. Das Leistungsbegehren besteht daher gegen die Erstbeklagte bereits dem Grunde nach – weder nach dem EKHG noch nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen des ABGB – nicht zu Recht.
2.) Zur Haftung der Zweitbeklagten:
Gemäß § 26 KHVG kann der geschädigte Dritte (hier der Kläger) den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrages auch gegen den Versicherer geltend machen. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherte haften als Gesamtschuldner. Der Geschädigte hat daher einen Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers ( Grubmann , KHVG 5 § 26 E 2). Da der Haftpflichtversicherer aber nur insoweit in Anspruch genommen werden kann, wie die Ersatzpflicht des Schädigers reicht ( Grubmann , KHVG 5 § 26 E 24), kommt auch eine Haftung der Zweitbeklagten nicht in Betracht.
Das Klagebegehren war daher vollinhaltlich abzuweisen.
3.) Zur Gegenforderung:
Da bereits die Klagsforderung zur Gänze abzuweisen war, musste auf die compensando eingewendete Gegenforderung nicht mehr eingegangen werden ( Deixler-Hübner in Fasching/KonecnyIII/23 § 391 ZPO Rz 47).“
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der
- unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung,
- unrichtigen rechtlichen Beurteilung,
mit dem Berufungsantrag das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1. Vorbemerkungen
1.1. Begründungserleichterung
Das Berufungsgericht hält die Berufungsausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe - sowohl zum Tatsachen- als auch zum Rechtsbereich - des angefochtenen Urteils für zutreffend, weshalb darauf verwiesen wird (§ 500a ZPO).
1.2. Die Haftung der Erstbeklagten und der zweitbeklagten Versicherungsgesellschaft kommt nur in Betracht, wenn der Kläger einen gegen die Erstbeklagte gerichteten Verschuldensvorwurf beweisen hätte können; andernfalls ein (Mit-)Verschulden des Klägers, das über die Vorrangverletzung hinausgeht, gar nicht zu prüfen wäre.
Zunächst ist daher zu prüfen, ob die Feststellungen des angefochtenen Urteils zu
- Annäherungsgeschwindigkeit der Erstbeklagten,
- Reaktionsverspätung der Erstbeklagten,
ohne „Beweiswürdigungsfehler“ getroffen wurden.
2. Geschwindigkeit Erstbeklagte
Der Kläger bekämpft die Feststellung [2] zur Annäherungsgeschwindigkeit des F*, die mit 38 km/h festgestellt wurde, und begehrt die Feststellung, dass die Geschwindigkeit über 50 km/h betragen habe.
Der Kläger führt jedoch kein Beweisergebnis an, aus dem sich ableiten ließe, dass die bekämpfte Feststellung unrichtig, die begehrte Ersatzfeststellung aber richtig sei, weshalb die Tatsachenrüge nicht „gesetzmäßig“ ausgeführt ist ( Kodek in Rechberger/Klicka, Kommentar 5Rz 15 zu § 471 ZPO,Voraussetzungen b), d)). Die bekämpfte Feststellung folgt sämtlichen verwertbaren Beweisergebnissen, zumal die Erstbeklagte aussagte, sie sei etwa 40 km/h schnell gefahren und der verkehrstechnische Sachverständige DI H* [in Hinkunft: SV] die Endlagen der unfallbeteiligten Fahrzeuge und die Beschädigungsbilder dahingehend würdigte, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des F* zwischen 33 und 43 km/h gelegen sei, aus technischer Sicht mit größter Wahrscheinlichkeit 38 km/h (Tagsatzung 28.11.2024, ON 18.4, 1 S 9). Dem steht nicht einmal die Aussage des Klägers entgegen, der meinte, er könne nicht sagen, wie schnell die Erstbeklagte gefahren sei (do S 2).
Aufgrund welcher Beweisergebnisse der bekämpften Feststellung ein „Beweiswürdigungsfehler“ des Erstgerichtes zugrundeliegen soll und aufgrund welcher Beweisergebnisse es feststellen hätte müssen, dass die Geschwindigkeit über 50 km/h gelegen sei, wird nicht überzeugend dargelegt. Die Berechnungen des Klägers in der Tatsachenrüge, nach der die Kollisionsgeschwindigkeit mit 38 km/h nach einer Vollbremsung nur möglich gewesen sei, wenn die Erstbeklagte zuvor mit über 50 km/h unterwegs gewesen wäre, stellen bloß Berechnungen an, die vom verkehrstechnischen SV nicht geteilt werden. Die Erstbeklagte habe danach nämlich eine geringe Abwehrzeit zur Verfügung gehabt, weniger als 1 sec bis maximal 1,2 sec, wobei eine Vollbremsung nur über 0,2 sec wirksam werden hätte können und somit auch die Differenz zwischen Annäherungs- und Kollisionsgeschwindigkeit marginal gewesen wäre. Selbst unter Zugrundelegung der ungünstigsten Variante für die Erstbeklagte wäre ihr aus technischer Sicht keine überhöhte Geschwindigkeit anzulasten (do S 10).
Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann der Erstbeklagten somit nicht vorgeworfen werden.
3. Reaktionsverspätung Erstbeklagte
Der Kläger bekämpft zwar formal in der Tatsachenrüge ua die Feststellung, nach der der Erstbeklagten eine Reaktionsverspätung von „maximal 0,2 sec“ unterlaufen sei, begehrt jedoch keine konkrete Ersatzfeststellung, sondern lediglich die Feststellung,
Die Erstbeklagte hat die Kreuzung nicht aufmerksam beobachtet. Hätte die Erstbeklagte ihre Geschwindigkeit den Gegebenheiten angepasst und wäre in Annäherung an die Kreuzung langsamer geworden, hätte sie problemlos bremsen und ausweichen und die Kollision verhindern können.
Damit wird aber keine Feststellung einer - allfälligen - Reaktionsverspätung der Erstbeklagten begehrt, sondern abermals auf die Annäherungsgeschwindigkeit der Erstbeklagten abgestellt; diese ist aber - wie zu 2. ausgeführt - deutlich unter den maximal zulässigen 50 km/h gelegen.
3. Vermeidbarkeit des Unfalls für die Erstbeklagte
Der Kläger bekämpft formal auch die Feststellung, nach der der Unfall für die Erstbeklagte „nicht zu verhindern“ war, ohne eine Ersatzfeststellung zu begehren.
Die Tatsachenrüge ist daher auch in diesem Punkt nicht „gesetzmäßig“ ausgeführt.
4. Rechtliche Schlussfolgerung
4.1. Es steht damit fest, dass die im Vorrang befindliche Erstbeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h deutlich unterschritten hat (38 km/h) und ihr keine Reaktionsverspätung anzulasten ist; die Feststellung, es treffe sie eine Reaktionsverspätung von „maximal 0,2 sec“, beinhaltet nämlich die Möglichkeit von 0,0 sec. Die Feststellung ist zu Lasten des für einen Sorgfaltsverstoß der Erstbeklagten behauptungs- und beweispflichtigen Klägers rechtlich dahingehend auszulegen, dass die Erstbeklagte keine Reaktionsverspätung traf.
Damit ist geklärt, dass die gegen die Erstbeklagte erhobenen Verschuldensvorwürfe nicht nachgewiesen werden konnten und die Erstbeklagte - iSd § 9 Abs 2 EKHG - den Unfall „nicht verhindern hätte können“. Die Ausführungen des Klägers in der Rechtsrüge, nach denen
- die Erstbeklagte als im Vorrang befindliche Fahrerin den Querverkehr nicht gänzlich unbeachtet lassen hätte dürfen,
- bei ungünstigen örtlichen Verhältnissen besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit einhalten hätte müssen,
- die Geschwindigkeit so wählen hätte müssen, dass sie in der Lage geblieben wäre, ihren Verpflichtungen im Verkehr Genüge zu leisten,
- der Erstbeklagten ein Auslenken möglich gewesen wäre,
sind unerheblich. Sie gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, weshalb auch die Rechtsrüge nicht „gesetzmäßig“ ausgeführt ist ( Kodek aaO Rz 16 ).
4.2. Mangels Sorgfaltsverstoßes und Vermeidbarkeit des Unfalls für die Erstbeklagte war die Klage abzuweisen, ohne dass es zusätzlich einer Prüfung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers bedurfte. Auf die Feststellungsrügen [1], [3] und [4] , die sich mit einem Mitverschulden des Klägers beschäftigen, kommt es daher nicht an.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich auf § 502 Abs 1 ZPO, wobei das Berufungsgericht keine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu lösen hatte.