JudikaturOLG Wien

11R178/24p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien fasst als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Primus als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten MMMag. Frank und die Richterin Mag. Aigner in der beim Bezirksgericht Josefstadt zu A* geführten Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH , **, vertreten durch Dr. Fritz Arlamovsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C* , **, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Aidin, MAS, LL.M., Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Aufkündigung, hier: wegen Ablehnung der Vorsteherin des Bezirksgerichts Josefstadt Dr. D* durch die beklagte Partei, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den im Ablehnungszwischenverfahren gefassten Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17.1.2024 zu GZ **-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Text

Die Klägerin führt als Vermieterin gegen den Beklagten als Mieter zu AZ A* des Bezirksgerichtes Josefstadt ein gerichtliches Aufkündigungsverfahren.

Der Beklagte lehnte die Verhandlungsrichterin Mag. E* mit Schriftsatz vom 18.1.2022 wegen Befangenheit ab (GZ A*-62). Die in Ablehnungssachen zuständige Vorsteherin des Bezirksgerichtes Josefstadt Dr. D* wies diesen Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 27.2.2023 (GZ F*-3) zurück. Gegen diesen Beschluss erhob der Ablehnungswerber am 17.3.2023 Rekurs, in welchem er unter einem auch die Vorsteherin des Bezirksgerichtes Josefstadt wegen Befangenheit ablehnte (GZ F*-4).

In ihrer Äußerung vom 10.11.2023 stellte diese ihre Befangenheit in Abrede (GZ F*-9).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der zuständige Senat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien den vom Beklagten erhobenen Ablehnungsantrag gegen die Vorsteherin des Bezirksgerichtes Josefstadt zurück, weil für eine Voreingenommenheit kein Anhaltspunkt bestehe.

Dagegen wendet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass seinem Ablehnungsantrag stattgegeben werde.

Die Klägerin erstattete keine Rekursbeantwortung.

Ein im Rekurs unter einem erhobener Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Senats des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, die den angefochtenen Beschluss verfassten, wurde bereits rechtskräftig zurückgewiesen (GZ **-3).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Der Ablehnungswerber behauptet erstmals im Rekurs, die abgelehnte Vorsteherin sei auch deshalb voreingenommen, weil sie ein freundschaftliches Verhältnis zu der Richterin Mag. E* pflege, über deren Befangenheit sie entschieden habe. Mit diesem Vorbringen verstößt er gegen das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

2. Der Rekurswerber moniert, die Vorsteherin habe ihm die Stellungnahme der abgelehnten Richterin Mag. E* nicht zur Äußerung zugestellt. Dadurch sei sein rechtliches Gehör verletzt und liege zumindest die begründete Besorgnis einer Befangenheit vor.

2.1.Ein Richter kann in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (§ 19 Z 2 JN). Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive (RS0045975).

Ein solcher Grund wird vom Ablehnungswerber in diesem Punkt nicht dargetan. Bei Prüfung der Unbefangenheit ist zwar im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949), die Ablehnung soll jedoch nicht die Möglichkeit bieten, dass sich Parteien eines nicht genehmen Richters entledigen können (RS0109379). Weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch ein Verfahrensmangel bildet in der Regel einen Ablehnungsgrund; Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen bzw vermeintliche Entscheidungsfehler sind nicht im Ablehnungs-, sondern im Rechtsmittelverfahren auszutragen bzw zu überprüfen (RS0046019, RS0046090, RS0111290). Es ist somit nicht Aufgabe des Ablehnungsverfahrens, sondern jene des Instanzenzugs, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen zu überprüfen (RS0111290 [T4, T7]). Dies gilt selbst in Fällen, in denen die beanstandete Rechtsmeinung von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird (RS0111290; RS0046047).

2.2.Zwar können Verfahrensmängel den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters mit Grund zweifeln lassen (RS0046090 [T1, T7]). Einen derartigen Verstoß zeigt der Rekurswerber aber nicht auf:

2.2.1. Die Behauptung, die Vorsteherin habe ihm die Äußerung der abgelehnten Verfahrensrichterin nicht zugestellt und damit sein rechtliches Gehör verletzt, reicht unter Verweis auf die nachstehenden Grundsätze zur Begründung einer Befangenheit nicht aus:

Im Ablehnungsverfahren ist zunächst von der Partei die Ablehnungserklärung abzugeben, über die sich in der Folge der abgelehnte Richter gem § 22 Abs 2 JN zu äußern hat. Eine Stellungnahme der ablehnenden Partei zur Äußerung des Richters ist weder nach der JN noch nach § 183 Geo zwingend vorgesehen. Zwar sind alle allenfalls nötig erscheinenden Erhebungen durchzuführen; das besagt aber nicht, dass dem Ablehnungswerber, der ja ohnedies gehalten ist, schon in seinem Ablehnungsantrag Bescheinigungsmittel für den von ihm behaupteten Sachverhalt anzubieten, in jedem Falldie Äußerung des abgelehnten Richters zur Gegenäußerung zugestellt werden muss (RS0045962 [T9, T16]; Danzl, Geo. 10 § 183 Anm 12 [Stand 15.1.2023, rdb.at]).

In der Beurteilung der Vorsteherin, die Stellungnahme sei dem Beklagten im vorliegenden Fall nicht zuzustellen, kann damit kein Zweifel an ihrer Objektivität begründender, schwerwiegender Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze gesehen werden.

2.2.2. Der Rekurswerber erblickt einen die Befangenheit aufzeigenden schweren Verfahrensverstoß ferner darin, dass die Vorsteherin die Äußerung der abgelehnten Verfahrensrichterin zu seinem Ablehnungsantrag als „Nichtbestreitung“ hätte werten müssen, weil jene nicht „Punkt für Punkt“ auf alle von ihm aufgezeigten Ablehnungsgründe eingegangen sei.

Ein abgelehnter Richter hat zwar darzulegen, ob die vom Ablehnungswerber behaupteten Tatsachen zutreffen oder nicht. Die Forderung des Ablehnungswerbers, abgelehnte Richter müssten sich zu konkret vorgebrachten Ablehnungsgründen äußern und diese nachvollziehbar widerlegen, findet im Gesetz jedoch keine Deckung (RS0130642 [T1]).

Der Beklagte konnte damit auch hier nicht aufzeigen, dass die Richterin in einer Weise, dass daraus ein Anschein ihrer Befangenheit abgeleitet werden könnte, Verfahrensgrundsätze außer Acht gelassen hätte.

3.Die begründete Besorgnis einer Befangenheit sieht der Ablehnungswerber ferner dadurch gegeben, dass die Vorsteherin einerseits die nach seinem Dafürhalten vorliegende Missachtung der Verpflichtung der Verhandlungsrichterin, gem § 78 StPO eine Anzeige wegen falscher Zeugenaussage zu erstatten, in ihrer Entscheidung nicht thematisiert habe, andererseits sie selbst dieser Anzeigepflicht nicht nachgekommen sei.

3.1. Voranzustellen ist, dass die Vorsteherin in ihrem Beschluss konkret ausführte, dass„die Bedenken im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht der Richterin nach § 78 StPO nicht geeignet (sind), die Unbefangenheit der Richterin in Zweifel zu ziehen.“ und damit diesen Ablehnungsgrund behandelt hat.

Wie bereits das Erstgericht ausgeführt hat, handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verletzung der Anzeigepflicht gem § 78 StPO durch die Verfahrensrichterin vorlag, die eine Befangenheit begründen könnte, um eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Eine Überprüfung dieser Rechtsfrage obliegt dem Rechtsmittelgericht im Anlassverfahren und nicht dem Ablehnungssenat (vgl dazu bereits Punkt 2.1.).

3.2. Der Ablehnungswerber konnte aber auch keinen Grund glaubhaft machen, die Unbefangenheit der Vorsteherin deshalb in Zweifel zu ziehen, weil sie selbst keine Anzeige wegen falscher Beweisaussage erstattet hat.

Die Anzeigepflicht nach § 78 StPO muss an eine konkrete Verdachtslage aufgrund bestimmter Tatsachen anknüpfen, wie sie für die Beschuldigtenstellung gefordert wird. Bloße Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht herstellen können, lösen noch keine Anzeigepflicht aus (vgl Schwaighofer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 78 Rz 17 [Stand 1.12.2020, rdb.at] mwN).

Im Verfahren über die gerichtliche Aufkündigung lag dazu lediglich ein E-Mail des Beklagten an die Verhandlungsrichterin vor, in welchem er die Anschuldigung einer falschen Beweisaussage gegen eine Zeugin erhob (dg Beilage ./51). Wenn im Hinblick auf diese Entscheidungsgrundlagen die Vorsteherin eine konkrete Verdachtslage verneinte und für ein Vorgehen nach § 78 StPO keine Veranlassung sah, bedeutet dies keineswegs, dass sie sich dabei von anderen als sachlichen Gesichtspunkten leiten ließ. Dieser Umstand allein kann den Anschein mangelnder Objektivität nicht begründen, sodass auch insofern kein Ablehnungsgrund vorliegt.

4. Ob die Entscheidung der Vorsteherin an den behaupteten Rechts- oder Verfahrensmängeln leidet, bleibt – unter Verweis auf die unter Punkt 2.1. dargelegten Grundsätze – der Entscheidung des Rechtsmittelsenats im Anlassverfahren (über den vom Ablehnungswerber gegen den Beschluss der Gerichtsvorsteherin vom 27.2.2023, GZ F*-3, erhobenen Rekurs vom 17.3.2023) vorbehalten.

5.Aus dem Gesagten folgt, dass das Erstgericht den Ablehnungsantrag in Ermangelung der Voraussetzungen des § 19 Z 2 JN zutreffend zurückgewiesen hat. Dem dagegen erhobenen Rekurs kann somit kein Erfolg beschieden sein.

5.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RS0126588). Infolge Zurückweisung des Ablehnungsantrags ist der Beklagte im Zwischenstreit unterlegen und hat seine Kosten daher selbst zu tragen.

7.Der Revisionsrekurs ist nach hRsp gemäß § 24 Abs 2 JN jedenfalls unzulässig (RS0098751; RS0074402).