3R182/24t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Resetarits und die KR Mag. a Rodrix in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, FN **, **, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* , geb. **, selbstständig, **, vertreten durch Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen EUR 269.908,77 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 258.555,08 s.A.) gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 31.07.2024, **-87, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.495,92 (darin enthalten EUR 749,32 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte hat eine kaufmännische Lehre zum Einzelhandel absolviert und war seit 2003 im Tätigkeitsbereich „Büroverwaltung inkl. Buchhaltung“ bei der in der IT-Branche tätigen Klägerin angestellt. Seit November 2007 ist die Beklagte 1%-ige Minderheitsgesellschafterin der Klägerin. 2007 hat die Beklagte zudem ein eigenes Unternehmen gegründet, arbeitete sodann halbtags für die Klägerin und beabsichtigte im Jahr 2008 die Gesellschaft zu verlassen, um sich vollständig ihrem Unternehmen zu widmen. Aufgrund des Ablebens des früheren Geschäftsführers der Klägerin im Dezember 2008 übernahm die Beklagte jedoch die Notgeschäftsführung für die Klägerin. Vom 17.06.2009 bis zum 09.06.2020 war sie sodann alleinige Geschäftsführerin der Klägerin.
Die Streitteile errichteten für die Beklagte kein gemeinsames Dokument als Geschäftsführervertrag. Die Mitgesellschafter und die Beklagte hatten den Willen einen Vertrag über die Anstellung der Beklagten als Geschäftsführerin im Zeitpunkt ihrer Bestellung abzuschließen, ohne dass über das Gehalt und die Arbeitszeit der Beklagten gesprochen wurde. Die übrigen Gesellschafter der Klägerin hielten ihre Geschäftsanteile an der Klägerin als reine Kapitalanlage, ohne sich in die Tätigkeit der Beklagten einzubringen, sodass diese im Rahmen ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin selbständig agierte. Die Beklagte hat sich in der Folge für sich selbst ein Gehalt in Form eines Grundgehalts und von Prämien festgesetzt, das sie nicht mit den Mitgesellschaftern besprach und das sie der Höhe nach auch nicht der Generalversammlung zur Genehmigung vorlegte. Sie zahlte sich ihre Vergütung selbst aus. Während der Tätigkeit der Beklagten als Geschäftsführerin gab es von den Mitgesellschaftern keine Rückmeldungen oder Nachfragen in Bezug auf die Gewinnausschüttung. Die Gesellschafter der Klägerin stellten zum Gehalt der Beklagten auch keine Nachfragen. Die Beklagte hat über ihre Entnahmen mit den Mitgesellschaftern weder gesprochen noch sie der Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt.
Die Beklagte zahlte sich während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin in den Jahren 2009 bis 2019 ein Grundgehalt von insgesamt EUR 985.531,41 und Prämien von EUR 342.060,45 aus. Es gab laufende Prämien und Jahresprämien, die im Jänner des Folgejahres rückwirkend ausbezahlt wurden, mit Ausnahme der Jahresprämie 2019, die schon im Dezember 2019 ausbezahlt wurde. Maßgebliche Parameter für die Höhe der Auszahlungen waren für die Beklagte ihr Einsatz sowie der Gewinn und Umsatz (der Klägerin). Die Beklagte sah die Prämie als Bestandteil ihres Gehalts und entnahm sich eine solche, wenn es sich das Unternehmen leisten konnte. Den Grundbezug und die Prämien hat die Beklagte derart festgelegt, dass sie den Erfolg, ihren Einsatz und ihre Verantwortung für das Unternehmen bei der Bemessung der Höhe berücksichtigte. Die Mitgesellschafter sind zu keiner Zeit von Entnahmen in dieser Höhe ausgegangen.
Die von der Beklagten getätigten Entnahmen waren der Höhe nach nicht marktüblich und nicht angemessen. Die Angemessenheit der Vergütung kann bei Gehältern nur im Zusammenhang mit einer Vergleichsgruppe beurteilt werden. Bei der personalpolitischen Entgeltfindung eines Betriebes wird das Gehalt von Führungskräften durch die Ausbildung, die Berufserfahrung, das Alter und die segmentale Situation am Arbeitsmarkt sowie die individuelle Verhandlungssituation determiniert. Die Betriebsgröße (Umsatz) und die Mitarbeiterzahl des Unternehmens sind Basis für den Gehaltsansatz im Marktvergleich. Bei Führungskräften setzt sich der Gesamtbezug üblicherweise aus einem Bruttofixbezug und einem prozentuell unterschiedlich hohen variablen Bezugsteil zusammen, der abhängig von dem Erreichen vereinbarter Ziele ist. Der jährlich unterschiedliche Erfolg eines Geschäftsführers wird üblicherweise durch den Ausgleich im variablen Vergütungsanteil des Gesamtbezuges vergolten. Schwankungen der Umsätze in unterschiedlichen Jahren ändern grundsätzlich nichts an einer Grundentlohnung des Geschäftsführers, besondere Steigerungen in einem Geschäftsjahr führen zumeist zu einem Ausgleich im variablen Vergütungsanteil. Variable Anteile sollen – da jährlich abhängig vom Ergebnis der zugrundeliegenden Zielvereinbarung – dem konkreten Geschäftsjahr zugerechnet werden. Die Höhe der variablen Vergütung ist von der Unternehmensgröße und von Faktoren wie Führungsverantwortung, Position, Zielerreichung gegenüber Umsatz und/oder Ergebnis und auch anderer schriftlich vereinbarter Grundlagen abhängig. Die marktüblichen Gehaltsbandbreiten für einen 45 bis 50-jährigen Geschäftsführer in der IT-Branche mit einem Umsatz von EUR 750.000,-- bis EUR 1 Million und einer Mitarbeiteranzahl von 8 bis 12 belaufen sich in ** für die Jahre 2009 bis 2015 zwischen EUR 84.300,-- (unteres Quartil) und EUR 107.700,- (oberes Quartil). Der Median liegt bei EUR 93.900,--. Der angemessene Zielbonus betrug zwischen 18% und 25%. Die marktüblichen Gehaltsbandbreiten für einen 50- bis 55-jährigen Geschäftsführer in der IT-Branche mit einem Umsatz von EUR 1 bis EUR 2 Millionen und einer Mitarbeiteranzahl von 15 bis 25 in ** für die Jahre ab 2016 belaufen sich zwischen EUR 102.800,-- (unteres Quartil) und EUR 126.400,-- (oberes Quartil). Der Median liegt bei EUR 112.500,--. Der angemessene Zielbonus betrug zwischen 20% und 30% (Median: 25%).
Die Mitgesellschafter der Klägerin erfuhren (im Jahr 2020) von den Mitarbeitern C*, D* und E* von länger bestehenden Problemen des wichtigsten Kunden der Klägerin „**“ in der Kommunikation mit der Beklagten und dass sie befürchten, dass man den Kunden verlieren könnte. Der Mitgesellschafter F* hat sodann Kontakt mit dem Kunden aufgenommen und die behaupteten Kommunikationsschwierigkeiten bewahrheiteten sich. Die Mitgesellschafter der Klägerin begaben sich sodann am 25.05.2020 in die Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin, sprachen gegenüber der Beklagten die Kündigung aus und beabsichtigten ihr Weisungen für die Zeit bis zum Vertragsende zu erteilen. Der Beklagten wurde durch die Gesellschafter ein als Weisung tituliertes Schreiben übergeben, in dem der Beklagten die Weisung erteilt wurde, für den 09.06.2020 eine Generalversammlung einzuberufen. Weiters wurde sie angewiesen, jegliche Personalentscheidungen nur nach schriftlicher Freigabe durch sämtliche andere Gesellschafter zu setzen. Dieses Schreiben war durch sämtliche Gesellschafter der Klägerin mit Ausnahme der Beklagten unterfertigt. Ein Beschluss aller Gesellschafter in Bezug auf die Weisung lag am 25.05.2020 nicht vor. Die Beklagte erteilte als Minderheitsgesellschafterin dazu keine Zustimmung. Die Beklagte erklärte, dass man ihr außerhalb eines Umlaufbeschlusses oder einer Generalversammlung nichts zu sagen habe und verwies die Mitgesellschafter unter Berufung auf ihr Hausrecht aus der Büroräumlichkeit.
Die Beklagte kündigte sodann am selben Tag die Dienstverhältnisse mit den Mitarbeitern C* und D* zum 05.07.2020 und mit dem Mitarbeiter E* zum 07.05.2021 zeitwidrig auf, stellte alle drei Mitarbeiter sofort dienstfrei und erteilte ihnen ein Hausverbot. Der Beklagten war bewusst, dass sie diese Kündigungen gegen den erklärten Willen ihrer Mitgesellschafter vornahm. Die Beklagte war für Weisungen der Mitgesellschafter nicht empfänglich und hätte die Geschäftsführung nicht übernommen, wenn sie Weisungen entgegennehmen hätte müssen. Die Kündigungen waren für die Klägerin konsequenzreich, weil E* technischer Leiter war und bei den Kunden in weiterer Folge Unsicherheit bestand. Der Geschäftsführer der Klägerin hat die Dienstfreistellungen nicht widerrufen. Die Kündigungen wurden jedoch von den Mitgesellschaftern widerrufen, die drei Mitarbeiter sind daraufhin bei der Klägerin zu Gesprächen erschienen, sind aber nicht mehr im Unternehmen tätig. Die Klägerin musste diesen Mitarbeitern für die Zeit ihrer Dienstfreistellung weiter ein Gehalt zahlen.
In der von der Beklagten (weisungsgemäß) einberufenen Generalversammlung vom 09.06.2020 wurde über die Abberufung und Kündigung der Beklagten abgestimmt. Die Beklagte wurde als Geschäftsführerin abberufen, die ausgesprochene Kündigung und die ausgesprochene Weisung bestätigt sowie eine neue Geschäftsführerin bestellt. In den Generalversammlungen wurden die Bilanz und die Gewinnausschüttung thematisiert. In den Jahresabschlüssen waren die Entnahmen der Beklagten nicht gesondert aufgeschlüsselt und wurde darin generell der Personalaufwand im Sinne von Löhnen und Gehältern, sozialen Aufwendungen, Rückstellungen für Prämien betreffend Personal festgehalten. Nach der Generalversammlung sichteten die neue Geschäftsführerin gemeinsam mit den übrigen Mehrheitsgesellschaftern die Bücher der Klägerin und bemerkten, dass die Beklagte laufend zunehmend höher werdende Summen aus der Klägerin entnommen hatte, die auf sie unangemessen und nicht nachvollziehbar wirkten. Von den ausgezahlten Prämien und deren Höhe wussten die Mitgesellschafter bis dahin nichts. Diese Entnahmen konnten die Mitgesellschafter auch aus der ihnen zur Verfügung gestellten Dokumentation nicht ersehen. Die Geschäftsführerin G* rief sodann am 26.06.2020 eine außerordentliche Generalversammlung zum 13.07.2020 ein. Die Tagesordnungspunkte waren unter anderem die Abberufung der Geschäftsführerin G* und Bestellung von H* zum Geschäftsführer, die Bestätigung der am 24.06.2020 erteilten Weisungen, der Bericht der ehemaligen Geschäftsführerin B* und die Geltendmachung von Ansprüchen gegen B*. Zur Berichterstattung wurde festgehalten, dass unter anderem zu den Themen Arbeitszeit- und Urlaubsaufzeichnungen, die Vorlage aller Zahlungsflüsse der Klägerin an die Beklagte und Bekanntgabe von Daten sämtlicher Angestellter zu berichten und Dokumentationen vorzulegen seien. Mit Schreiben vom 02.07.2020 wurde der Beklagten durch G* mitgeteilt, man habe mit Entsetzen festgestellt, dass die Beklagte Zahlungen vom Betriebskonto auf ihr Privatkonto getätigt habe, die nicht nachvollziehbar seien. Die Beklagte wurde in dem Schreiben um Aufklärung der Unregelmäßigkeiten bis zum 06.07.2020 ersucht und darauf hingewiesen, dass zu viel entnommene Beträge zurückzuzahlen seien.
Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 06.07.2020 und gab darin unter anderem bekannt, dass sie zur Generalversammlung nicht kommen werde und ihr per Stichtag 30.09.2020 noch 28,5 und nach Aufrundung 29 Urlaubstage bei einer 4-Tage-Woche zustünden. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 09.07.2020 mit, dass ihre Dienstfreistellung für alle Weisungen und dienstlichen Erledigungen ausdrücklich für die Zeit der Generalversammlung aufgehoben und ihre Berichterstattung nicht optional sondern betriebsnotwendig sei, dass ihr die Weisung in der Funktion als Dienstgeberin erteilt und abermals um Vorlage der genannten Unterlagen ersucht werde.
Die Beklagte nahm an der Generalversammlung am 13.07.2020 unentschuldigt nicht teil und kam sämtlichen Forderungen in den Schreiben vom 02. und 09.07.2020 nicht nach. Die Mitgesellschafter stimmten sodann über die Entlassung der Beklagten ab und beschlossen die Entlassung einstimmig, weil sie unentschuldigt nicht an der Generalversammlung teilnahm, die geforderten Unterlagen nicht zur Verfügung stellte und keine Aufklärungen über die Entnahmen tätigte, wie es in den angekündigten Tagesordnungspunkten vorgesehen war. Die Mitgesellschafter hatten vorab auch mehrmals erfolglos versucht, die Beklagte dazu telefonisch zu erreichen und sie per WhatsApp kontaktiert. Dem nunmehrigen Geschäftsführer wurde die Weisung erteilt, die Entlassung der Beklagten zur Kenntnis zu bringen. Die Beklagte übermittelte mit E-Mail vom 20.07.2020 eine Krankmeldung, nach der sie ab 13.07.2020 arbeitsunfähig gewesen sei. Sie hatte aber bereits im Vorfeld angekündigt, dass sie an der Generalversammlung nicht teilnehmen werde und befürchte, dass es zu einer Eskalation kommen könnte.
Die Beklagte löschte nach ihrer Kündigung ihren E-Mail-Account mit rund 8,6 GB Datenvolumen. Darin waren nicht nur private, sondern auch betriebliche E-Mails enthalten.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 269.908,77 samt 9,2% Zinsen über dem Basissatz seit dem 19.9. bzw dem 23.10.2020, die sich aus ungerechtfertigten Entnahmen von EUR 237.189,08, den Kosten der gekündigten Mitarbeiter während ihrer Dienstfreistellung von EUR 31.228,81 und den Kosten der Wiederherstellung der E-Mails von EUR 1.490,88 zusammensetzt. Die Beklagte habe wöchentlich nur rund 25 Stunden gearbeitet, die selbst getätigten Entnahmen seien nicht angemessen und nicht marktüblich gewesen. Die Entnahmen seien (mangels Geschäftsführervertrages) rechtsgrundlos gewesen. Selbst bei Abschluss eines üblichen Geschäftsführervertrages seien die Zahlungen unangemessen, fremdüblich und eigenmächtig erfolgt. Das Klagebegehren werde in diesem Punkt auf eine verbotene Einlagenrückgewähr, Schadenersatz und Bereicherung gestützt. Die Kündigungen der Mitarbeiter der Klägerin seien weisungswidrig erfolgt und habe die Willensbildung von 99% der Gesellschafter der Klägerin missachtet. Die Beklagte habe absichtlich ihre betrieblichen E-Mails gelöscht, um die anderen Gesellschafter daran zu hindern, Kenntnis vom Inhalt zu erlangen. Die Wiederherstellung sei unvermeidbar und notwendig gewesen, um essenzielle Kundeninformationen zurückzugewinnen. Der Beklagten stehen keine Gegenforderungen zu. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt, weil die Beklagte der Generalversammlung am 13.07.2020 unentschuldigt ferngeblieben sei und eine Aufklärung zu den eigenmächtigen Entnahmen verweigert habe.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte – soweit noch von Relevanz – vor, bei den inkriminierten Entnahmen handle es sich um die ordnungsgemäß ausbezahlten Gehälter samt Prämien, welche der Beklagten für ihre Tätigkeit zustehen. Die Beklagte habe bereits 2009 einen neuen Arbeitsvertrag mit einem Bruttogehalt von EUR 4.522,-- (für 25 Wochenstunden) aufgesetzt. Nachdem sich das Arbeitsausmaß erheblich erhöht habe, sei die Höhe des Gehaltes angepasst worden. Die Beklagte sei zumindest Vollzeit für die Klägerin tätig gewesen und habe über elf Jahre ohne Beanstandung selbstständig und weisungsfrei gearbeitet. Der Beklagten sei seit dem Jahr 2009 jährlich in der Generalversammlung die Entlastung erteilt worden. Aus den im Rahmen der Generalversammlung vorgelegten Bilanzen seien die Löhne und Gehälter sowie die Boni ersichtlich gewesen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt Auskünfte über Personalkosten verweigert. Die Vergütungen seien angemessen und marktüblich gewesen. Die Weisung vom 25.05.2020 sei nicht wirksam gewesen, weshalb die ausgesprochenen Kündigungen keiner Weisung widersprochen haben. Den Kündigungen sei ein monatelanges Fehlverhalten der Mitarbeiter vorausgegangen; die Kündigung sei erfolgt, weil der Beklagten das Weiterbestehen des Unternehmens durch eine stabile Teamstruktur ein Anliegen gewesen sei. Durch die Kündigungen sei kein Nachteil entstanden, sondern hätten diese verhindert, dass die Mitarbeiter der Gesellschaft Schaden zufügen. Die Beklagte habe lediglich E-Mails mit privatem Inhalt gelöscht, was der Klägerin keinen Schaden zugefügt habe. Der Aufwand für die Wiederherstellung der E-Mails sei unnötig, vermeidbar und lediglich durch die Neugier der Mitgesellschafter verursacht worden. Für den Fall des Zurechtbestehens der Klagsforderung wandte die Beklagte Gegenforderungen ein. Die Entlassung vom 14.07.2020 sei ungerechtfertigt, weil weder die erhobenen Vorwürfe berechtigt seien, noch die Entlassung unverzüglich erfolgt sei. Die Beklagte habe krankheitsbedingt nicht an der Generalversammlung vom 13.07.2020 teilnehmen können. Ihr stehe daher eine Kündigungsentschädigung von EUR 108.208,55 zu, jedenfalls habe sie aber einen Anspruch auf ihr Gehalt bis zum 14.07.2020 sowie auf Urlaubsersatzleistung.
Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 258.555,08 und die Gegenforderung mit EUR 15.612,40 als zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 242.942,68 samt 4 % Zinsen. Das Zahlungs- und das Zinsenmehrbegehren wies es (teilweise implizit) rechtskräftig ab. Es stellte den auf den Urteilsseiten 1 und 2 sowie 16 bis 30 ersichtlichen Sachverhalt fest, der eingangs teilweise wiedergegeben wurde und auf den verwiesen wird. Insbesondere traf es folgende bekämpfte Feststellungen:
„ Man kann im System auch die Basis des Urlaubs eingeben und daraus ergaben sich bei der Beklagten durchschnittlich 25 Wochenstunden. “ bekämpfte Feststellung [F1]
„ Die Beklagte war seit September 2009 als Geschäftsführerin nicht Vollzeit, sondern Teilzeit bei der Klägerin beschäftigt. Sie arbeitete durchschnittlich 30 Wochenstunden. Sie hat ihr Unternehmen „I* e.U.“ nicht stillgelegt. “ bekämpfte Feststellung [F2]
„ Die Mitgesellschafter gingen davon aus, dass wenn die Beklagte ihre Arbeitszeit erhöhen muss, sie ihnen dies mitteilt .“ bekämpfte Feststellung [F3]
„ Die Beklagte war freitags nicht in den Büroräumlichkeiten der Klägerin. “ bekämpfte Feststellung [F4]
„ Hintergrund der Kündigungen war, dass die Beklagte ihnen nicht traute, wobei sie in Kauf nahm, dass sie der Gesellschaft damit Schaden zufügen kann. “ bekämpfte Feststellung [F5]
„ Bei der Beklagten wäre personalpolitisch nicht zu erwarten gewesen, dass sie allein auf Basis ihrer dargelegten Ausbildung und Berufserfahrung in den Anfangsjahren 2009 ff eine dem vorliegenden Median (./H) entsprechende Bruttoentlohnung erhalten hätte. “ bekämpfte Feststellung [F6]
„ Die ihres Erachtens relevanten E-Mails legte die Beklagte im Laufe der Zeit im System ab […] Die Beklagte nahm in Kauf, dass die Mitgesellschafter keinen Zugriff auf die darin enthaltenen betrieblichen E-Mails und Informationen hatten. “ bekämpfte Feststellung [F7]
Dazu erwog das Erstgericht in seiner sehr ausführlichen rechtlichen Beurteilung (stark zusammengefasst), die Streitteile haben keinen ausdrücklichen Anstellungsvertrag abgeschlossen. Sowohl die Beklagte wie auch die anderen Gesellschafter seien aber von einer Entgeltlichkeit der Tätigkeit der Beklagten ausgegangen. Mit dem Bestellungsbeschluss zur Geschäftsführerin sei ein konkludentes Angebot zum Anstellungsvertrag erfolgt, das durch Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten angenommen worden sei. Eine Einigung über die Höhe des Entgeltes sei nicht erfolgt, im Zweifel gelten die Grundsätze des § 1152 ABGB (allenfalls analog), zusätzlich sei auch die Grenzziehung durch § 82 GmbHG einschlägig. Die Höhe der Bezüge des Geschäftsführers sei grundsätzlich frei vereinbar, werde für Gesellschafter-Geschäftsführer aber indirekt durch § 82 GmbHG beschränkt, indem weder überhöhte noch drittunübliche Vergütungen erfolgen dürfen. Es sei von einer Teilzeitbeschäftigung der Beklagten auszugehen. Für die Jahre 2009 bis 2015 habe das Gericht für die Ermittlung der angemessenen Vergütung aufgrund des festgestellten Ausbildungsniveaus, der schlechten Ertragslage und der Feststellung, wonach es personalpolitisch nicht zu erwarten gewesen sei, dass die Beklagte allein auf Basis ihrer Ausbildung und Berufserfahrung eine dem Median entsprechende Brutto-Entlohnung erhalten hätte, das untere Quartil für die angemessene Vergütung herangezogen. Das Erstgericht rechnete das tatsächlich ausbezahlte Grundgehalt auf ein Vollzeitgehalt hoch und stellte dem das angemessene Bruttogehalt (für 40h) gegenüber. Unter Anwendung dieser Prämissen kam es zu dem Schluss, dass in den Jahren 2009 bis 2019 eine Überzahlung beim Gehalt von EUR 190.376,14 und bei den Boni von EUR 159.609,97 erfolgt sei. Unter Berücksichtigung dieser Zahlungen erweise sich der eingeklagte Teilbetrag hinsichtlich der Entnahmen als berechtigt. Eine schlüssige Genehmigung der Entnahmen durch die Gesellschafter sei nicht erfolgt, weil diese die Höhe der Entnahmen nicht gekannt haben. Der Klägerin stehe auch nach § 83 GmbHG ein Rückgewährungsanspruch zu. Den - im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen - Verjährungseinwand der Beklagten verwarf das Erstgericht. Dem Anspruch der Klägerin stehe auch die jährliche Entlastung nicht entgegen, weil über die Höhe des Gehaltes in der ordentlichen Generalversammlung nicht berichtet worden und sie den Mitgesellschaftern nicht bekannt gewesen sei.
Gesellschafter einer GmbH seien deren Geschäftsführern gegenüber weisungsbefugt. Eine Weisung setze grundsätzlich einen Beschluss der Gesellschafter voraus. Weisungsbeschlüsse für die Geschäftsführung seien auch dann verbindlich, wenn sie schriftlich gemäß § 34 GmbHG gefasst worden seien. Es habe kein Beschluss der Generalversammlung über die Erteilung der Weisung vorgelegen. Ein rechtswirksamer Umlaufbeschluss habe vor Erteilung der Weisung nicht gefasst werden können, weil die Beklagte der Beschlussfassung im schriftlichen Weg nicht zugestimmt und auch mit dem Beschlussantrag nicht einverstanden gewesen sei. Die Kündigung sei daher nicht weisungswidrig erfolgt. Dies habe die Beklagte aber nicht legitimiert, gegen den ausdrücklich erklärten Willen sämtlicher Mitgesellschafter vorzugehen. Die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich erfolgt, weil die Mitgesellschafter der Beklagten ausdrücklich zu erkennen gegeben haben, dass sie keine Personalentscheidungen zu treffen habe. Die Beklagte habe bei der Kündigung Eigeninteressen verfolgt und es bewusst in Kauf genommen, gegen den Willen der Mitgesellschafter zu agieren und der Klägerin einen Schaden zuzufügen. Die Klägerin sei ihrer Schadensminderungspflicht nachgekommen, weil die Kündigungen widerrufen worden seien. Die geltend gemachten Sonderzahlungen seien jedoch nicht im Zeitraum der Dienstfreistellungen erfolgt, sodass die Forderung teilweise zu reduzieren gewesen sei.
Arbeitnehmer seien bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Rückgabe betrieblicher E-Mails und Unternehmensdaten verpflichtet. Die Löschung der betriebliche E-Mails durch die Beklagte sei pflichtwidrig erfolgt.
Mangels Unternehmereigenschaft der Beklagten stehe der Klägerin lediglich eine Verzinsung von 4 % pa zu.
Die Entlassung der Beklagten sei gerechtfertigt, weil die eigenmächtige Auszahlung unangemessen hoher Vergütungen und eine wiederholte mangelnde Mitwirkung an der Aufklärung eine Vertrauensunwürdigkeit der Beklagten verursacht habe. Die Mitgesellschafter haben frühestens am 09.06.2020 Verdacht auf das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten erlangt. Nachdem die Klägerin der Beklagten die Möglichkeit geboten habe, in der außerordentlichen Generalversammlung ihr Verhalten zu erklären, sie jedoch weisungswidrig daran nicht teilgenommen habe, haben die Mitgesellschafter die Entlassung beschlossen. Das Entlassungschreiben sei der Beklagten unverzüglich zugegangen. Die für die Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Zeit stelle keinen Grund dar, die Unverzüglichkeit der Entlassung zu negieren. Der Beklagten stehe jedoch für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 14.07.2020 ein Gehalt sowie Ansprüche aus Sonderzahlungen und eine Urlaubsersatzleistung zu, sodass eine Gegenforderung von insgesamt EUR 15.612,40 gerechtfertigt sei.
Gegen den stattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Beweisrüge samt Rüge der Aktenwidrigkeit
1.1. Feststellungen zum Arbeitsausmaß der Beklagten
Anstelle der bekämpften Feststellungen [F1] bis [F4] begehrt die Beklagte folgende Ersatzfeststellungen:
„ Man kann im System auch die Basis des Urlaubs eingeben, daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Beklagte lediglich 25 Wochenstunden arbeitete.“ Ersatzfeststellung [E1]
„Die Beklagte war seit September 2009 als Geschäftsführerin in Vollzeit bei der klagenden Partei beschäftigt. Sie arbeitete durchschnittlich zumindest 40 Wochenstunden. Sie hat ihr Unternehmen „I* e.U.“ nicht aktiv betrieben. Sie war ab ihrer Geschäftsführertätigkeit kaum noch für ihr Unternehmen tätig und erzielte, wenn überhaupt, nur geringfügige Einkünfte. In den letzten drei Jahren ihrer Geschäftsführertätigkeit, also seit 2016, erzielte sie mit ihrem Unternehmen überhaupt keine Einkünfte mehr.“
Ersatzfeststellung [E2]
„Die Mitgesellschafter gingen nicht davon aus, dass wenn die Beklagte ihre Arbeitszeit erhöhen muss, die Beklagte ihnen dies mitteilt, weil über die Stundeneinteilung nicht gesprochen wurde und seitens der Gesellschafter kein Interesse an der Gesellschaft bestand und zwar über die gesamte Geschäftsführungsperiode der Beklagten.“ Ersatzfeststellung [E3]
„Die Beklagte war freitags nicht in den Büroräumlichkeiten der Klägerin, sondern arbeitete von zu Hause aus. Sie versandte und beantwortete E-Mails und war für ihre Mitarbeiter auch telefonisch immer erreichbar, auch am Wochenende.“ Ersatzfeststellung [E4]
Sie meint zusammengefasst, das Beweisverfahren habe eindeutig ergeben, dass die Beklagte im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung für die Klägerin tätig gewesen sei. Das Erstgericht hätte den Angaben der Beklagten folgen müssen, auch weitere Zeugenaussagen haben den Standpunkt der Beklagten bestätigt.
1.1.1.Die erfolgreiche Geltendmachung der Beweisrüge setzt auch voraus, dass die bekämpfte und gewünschte Feststellung in einem Austauschverhältnis zueinander stehen. Ein solches liegt nur dann vor, wenn zwischen der bekämpften und der begehrten Feststellung ein derartiger inhaltlicher Widerspruch (Gegensatz) besteht, dass sie nicht nebeneinander bestehen können. Die eine Feststellung muss die andere ausschließen (RS0043150 [T9]; RI0100145). Diese Voraussetzung ist bei den Ersatzfeststellungen [E1] und [E4] nicht erfüllt:
1.1.2. Mit der Feststellung [F1] stellte das Erstgericht lediglich fest, aus dem IMS-System der Klägerin ergebe sich eine Arbeitszeit der Beklagten von durchschnittlich 25 Stunden. Diese Feststellung trifft zum wesentlichen Punkt, nämlich der tatsächlichen Arbeitszeit, keine Aussage. Damit ist die begehrte Ersatzfeststellung [E1] zwar inhaltlich richtig, steht aber in keinem Widerspruch zur bekämpften Feststellung. Die Frage der tatsächlichen Arbeitsleistung der Beklagten wird in der ebenfalls bekämpften Feststellung [F2] beantwortet.
1.1.3. In der Feststellung [F4] stellte das Erstgericht lediglich fest, dass die Beklagte am Freitag nicht in den Büroräumlichkeiten der Klägerin anwesend war. Diesen Umstand zieht die Berufung gar nicht in Zweifel, vielmehr deckt sich die Ersatzfeststellung in diesem Punkt mit der bekämpften Feststellung. Selbst wenn die Beklagte im Sinne der weiteren Teile der Ersatzfeststellung [E4] freitags von zu Hause aus gearbeitet hätte, sagt dies nichts über ihren tatsächlichen Arbeitsaufwand aus, der - wie dargestellt - Gegenstand der Feststellung [F2] ist.
1.1.4. Eine wesentliche Frage, die sich im Beweisverfahren stellte, war der tatsächliche Arbeitsaufwand der Beklagten. Das Erstgericht folgte dabei (Feststellung [F2]) weitgehend dem Standpunkt der Klägerin. Die von der Berufung geäußerte Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung teilt das Berufungsgericht nicht. Wie bereits das Erstgericht richtig hervorgehoben hat, ist bei dieser Frage vor allem die Beilage ./L von wesentlicher Bedeutung. Die Klägerin hat im IMS-System der Klägerin über mehrere Jahre selbst eingetragen, zwischen 25 und 30 Wochenstunden gearbeitet zu haben. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin in dem System unrichtig weniger Stunden eingetragen haben sollte als sie tatsächlich gearbeitet hat. Schließlich hätte sie damit sogar ihren eigenen Urlaubsanspruch geschmälert. Mit diesem – bereits vom Erstgericht zu Recht hervorgehobenen - gewichtigen Argument setzt sich die Berufung nicht auseinander. Richtig ist, dass einige Zeugenaussagen den Standpunkt der Beklagten stützen. Damit hat sich das Erstgericht aber eingehend auseinandergesetzt (vgl US 32 bis 35) und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es diesen Angaben nicht gefolgt ist. Die Berufungsausführungen beschäftigen sich nicht mit den inhaltlichen Ausführungen der Erstrichterin zu diesen Aussagen, sondern beschränken sich darauf, über mehrere Seiten Zeugenaussagen zu zitieren. Für die erfolgreiche Geltendmachung der Beweisrüge reicht es aber nicht aus, bloß auf einzelne für den Prozessstandpunkt der Berufungswerberin günstige Beweismittel zu verweisen. Vielmehr muss dargelegt werden, warum das Erstgericht diesen und nicht anderen Beweismitteln hätte glauben sollen. Erforderlich ist also eine kritische Auseinandersetzung mit der gesamten Beweislage ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 467 ZPO Rz 46). Auch der Verweis auf die Beilagen ./12 bis ./18 kann eine Auseinandersetzung mit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nicht ersetzen. Zudem hat die Klägerin bereits in ihren Urkundenerklärungen (ON 9 und ON 42) beachtliche Argumente genannt, die gegen die Richtigkeit dieser Urkunden sprechen. Die Auflistung von E-Mails, bei denen insbesondere nicht ersichtlich ist, welchen Inhalt sie haben, ist nicht geeignet, einen konkreten Arbeitsumfang der Beklagten nachzuweisen. Das Erstgericht hat in der Beweiswürdigung auch klar dargelegt (US 34), weshalb es zu einem Arbeitsumfang von rund 30 Stunden gelangt ist. Auch damit setzt sich die Berufung nicht auseinander.
Der zweite Satz der bekämpften Feststellung [F2] wird in der Berufung gar nicht in Zweifel gezogen. Die Frage, ob die Beklagte ihr Unternehmen aktiv betrieben hat und welche Umsätze damit erzielt wurden, ist weder Gegenstand der bekämpften Feststellung noch von Relevanz.
1.1.5.Die Berufungswerberin rügt die Feststellung [F3] auch als aktenwidrig. Dabei zeigt sie zwar richtig auf, dass die Aussage der Zeugin G*, auf die das Erstgericht die Feststellung unter anderem gegründet hat, der Feststellung widerspricht. Das Erstgericht hat die Feststellung in der Beweiswürdigung jedoch zudem mit der allgemeinen Lebenserfahrung begründet, wogegen sich die Berufung ebenso wendet. Ein Eingehen auf diesen Punkt der Berufung ist entbehrlich, weil die Berufungswerberin die Relevanz der bekämpften Feststellung nicht aufzeigen kann, die auch für den Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit notwendig ist (vgl RS0043347 [T9]; RS0043265). Die Frage, wovon die Gesellschafter der Klägerin ausgingen, ist nicht relevant, weil nicht feststeht, dass ein allfälliger Wille nach außen getreten wäre. Das Berufungsgericht übernimmt die bekämpfte Feststellung [F3] daher nicht und legt sie der rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde.
1.2. Feststellung zu den Kündigungen:
Anstelle der bekämpften Feststellung [F5] begehrt die Berufungswerberin nachstehende Ersatzfeststellung:
„ Hintergrund der Kündigungen war, dass die Beklagte den gekündigten Mitarbeitern nicht traute, weil sie gegen die Geschäftsführung arbeiteten und sie diese selbst übernehmen wollten. Sie zeigten ein dem Betriebsfrieden abträgliches Verhalten. Die Beklagte hatte zudem Sorge, dass technisch etwas passiert und sie Schaden anrichten würden. Nach Ausspruch der Kündigungen und der Dienstfreistellung kehrte wieder Ruhe in das Team ein. “ Ersatzfeststellung [E5]
Die Feststellung soll unrichtig sein, weil keine wirksame Weisung erteilt worden sei. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes habe zudem die Aussage der Beklagten und des Zeugen H* nicht berücksichtigt. Abermals erschöpft sich die Beweisrüge im Wesentlichen in der Zitierung von Aussagen und der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, ohne aber inhaltlich auf die Erwägungen des Erstgerichtes, die auch zu dieser Feststellung umfassend waren (vgl US 36 f), einzugehen. Die Berufungswerberin ist daher auf die Ausführungen des Erstgerichtes sowie darauf zu verweisen, dass die Aussage des Zeugen H* ihren Standpunkt nicht stützt. Dieser gab zwar an, die Sache wäre explodiert, wenn er die drei gekündigten Mitarbeiter wieder ins Team gelassen hätte (S 14 in ON 12). Dies betraf jedoch die Frage der Rücknahme der Dienstfreistellung, sagt aber nichts darüber aus, ob die Kündigungen und die Dienstfreistellungen ex ante ein notwendiges und sinnvolles Mittel waren. Die Berufung ist in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen, dass nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes die drei gekündigten Mitarbeiter gegenüber den übrigen Gesellschaftern Probleme eines Kunden mit der Beklagten äußerten und sich diese Bedenken bewahrheiteten. Entgegen den Berufungsausführungen arbeiteten die Mitarbeiter daher nicht schlicht (sohin zu Unrecht) gegen die Beklagte, sondern zeigten berechtigte Sorge über die Dienstverrichtung der Beklagten auf.
1.3. Feststellung zur Angemessenheit
Statt der Feststellung [F6] wird die Feststellung begehrt:
„ In der Summe ist die Angemessenheit so zu betrachten, dass die variablen Bezüge miteingerechnet werden. Für die Angemessenheitsprüfung und auch als Vergleich für die Außenwirkung mit anderen vergleichbaren Positionen und Unternehmen ist eine Gesamtcash Beurteilung anzustellen, also Fixbezüge plus variable Bezüge. Der angemessene Jahresbezug bei Vollzeitbeschäftigung beträgt bis einschließlich 2015 EUR 111.500,00, ab 2016 EUR 136.400,00. “ Ersatzfeststellung [E6]
Die bekämpfte Feststellung entspricht wortwörtlich dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen MMag. Dr. J* (S 6 f in ON 67). Entgegen den Berufungsausführungen hat das Erstgericht dessen Aussage auch nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Die bekämpfte Feststellung behandelt nicht allgemein die Frage der Angemessenheit der Leistungen der Beklagten, sondern spezifisch den Umstand, ob es personalpolitisch zu erwarten gewesen wäre, dass die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung ein dem Median entsprechendes Gehalt lukrieren hätte können. Dieser Umstand wird in der Beweisrüge gar nicht in Zweifel gezogen. Das Erstgericht hat auf den Urteilsseiten 27 bis 29 umfassende Feststellungen zur Angemessenheit der Entlohnung getroffen, die jedoch nicht bekämpft werden.
1.4. Feststellung zur Löschung der E-Mails
Statt der Feststellung [F7] begehrt die Berufung die Ersatzfeststellung
„ Alle E-Mails, die für das Unternehmen relevant waren, legte die Beklagte im Laufe der Zeit im System ab. Die Beklagte nahm die Löschung deshalb vor, weil darin auch einige private E-Mails, auch von Mitarbeitern, gespeichert waren.“ Ersatzfeststellung [E7]
Die bekämpfte Feststellung sei aktenwidrig, weil die Beklagte in ihrer Aussage keinen Eventualvorsatz zugestanden habe.
Die Beklagte gab selbst an (ON 79 S 7), tausende E-Mails gelöscht zu haben, ohne diese vorher zu selektieren. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht folgt aus dieser Angabe zwingend, dass 1. auch betriebliche E-Mails gelöscht wurden und 2. es die Beklagte in Kauf nahm, dass die Mitgesellschafter keinen Zugriff mehr auf diese betrieblichen E-Mails haben. Diesen Schluss stellt die Berufung auch gar nicht in Abrede. Von einer Aktenwidrigkeit kann keine Rede sein.
2. Rechtsrüge
2.1. Zur Angemessenheit der Vergütung
Die Berufungswerberin kritisiert die Berechnung des Erstgerichtes, weil dieses das überhöhte Gehalt der Beklagten auf Basis des – von den Feststellungen nicht gedeckten – Falles der Vollbeschäftigung berechnet habe. Diese Kritik ist richtig. Die Berechnungen des Erstgerichtes stellen auf die Differenz zwischen dem hochgerechneten Gehalt der Klägerin und dem angemessenen Gehalt (je auf der Basis 40h/Woche) ab, was deshalb unrichtig ist, weil die Klägerin das hochgerechnete Gehalt gar nicht erhalten hat. Richtigerweise beträgt die Differenz zwischen den tatsächlichen Gehaltszahlungen und den angemessenen Gehaltszahlungen (auf Basis einer Beschäftigung von 30 Stunden pro Woche) EUR 142.782,10. Wie die Berufungsbeantwortung richtig darlegt, ist daraus jedoch für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen, weil auch die Berechnung der Prämien durch das Erstgericht unrichtig ist und sich bei diesen – in Übereinstimmung mit den Berechnungen in der Berufungsbeantwortung (S 7 f) – (bei sonst gleichen Prämissen) insgesamt eine Überzahlung von EUR 200.226,96 ergibt. Weitere Einwände gegen die Berechnungen des Erstgerichtes führt die Berufung nicht ins Treffen. Wenn die Berufung – ohne weitere Argumente – meint, eine Rückforderbarkeit der Zahlungen sei aufgrund der jährlichen Entlastung sowie der Kenntnis der Mitgesellschafter ausgeschlossen, so ist sie (neben dem Umstand, dass dies teilweise dem festgestellten Sachverhalt widerspricht) auf die Ausführungen des Erstgerichtes zu dieser Frage zu verweisen (US 46 f), wogegen in der Berufung keine Argumente vorgebracht werden. Weder auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Klagsführung noch auf einen gutgläubigen Verbrauch hat sich die Beklagte in erster Instanz gestützt, sodass diesen Argumenten in der Berufung das Neuerungsverbot entgegensteht (§ 482 ZPO).
2.2. Zu den Kündigungen der Mitarbeiter
2.2.1. Nach Ansicht der Berufungswerberin reichen die Feststellungen für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht aus. Zudem sei der Klägerin die Verletzung der Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, weil sie die Dienstfreistellungen nicht zurückgenommen habe, als ihr dies möglich gewesen sei.
2.2.2.Das Erstgericht hat den Zuspruch in diesem Punkt mit einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten der Beklagten (vgl § 1295 Abs 2 ABGB) begründet. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes äußerten die später gekündigten Mitarbeiter gegenüber den Mehrheitsgesellschaftern Bedenken gegen den Umgang der Beklagten mit einem wichtigen Kunden der Klägerin. Dies führte zur Kündigung der Beklagten. Unmittelbar nachdem der Beklagten durch die Gesellschafter, die 99% des Stammkapitals halten, die – wenngleich unwirksame – Weisung erteilt wurde, bis zu ihrer Abberufung keine Personalentscheidungen mehr zu treffen, kündigte die Beklagte eben jene Mitarbeiter, die ihre Kündigung verursacht hatten, weil sie diesen nicht mehr traute. Angesichts ihrer bevorstehenden Absetzung ist es jedoch für das Wohl der Klägerin nicht Belang, ob die Beklagte noch ein Vertrauen in diese Mitarbeiter hatte. Die Kündigung erfolgt demnach ausschließlich als Reaktion auf die (berechtigten) Vorwürfe der Mitarbeiter. Ein derartiges Verhalten ist sittenwidrig. Die Beklagte nahm es dabei zumindest billigend in Kauf auch die Klägerin zu schädigen, wobei es genügt, dass bei sittenwidriger deliktischer Schädigung der Schaden vom bedingten Vorsatz umfasst ist (RS0026603). Die Feststellungen sind für den erfolgten Zuspruch daher ausreichend.
2.2.3. Die Klägerin hat ihre Obliegenheit zur Schadensminderung nicht verletzt. Eine Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist kann grundsätzlich widerruflich oder unwiderruflich erfolgen ( Reissner in Neumayr/Reissner , ZellKomm 3§ 20 AngG Rz 42). Dienstfreistellungen ohne Widerrufsvorbehalt können einseitig nicht mehr durch die Gesellschaft rückgängig gemacht werden ( Laimer/Wieser , Der GmbH-Geschäftsführer als Angestellter 2 Rz 2.347; Laimer/Wieser in Walbert , Haftung von leitenden Angestellten und Geschäftsführern Rz 7.81). Dass die Beklagte gegenüber den gekündigten Mitarbeitern einen Widerrufsvorbehalt ausgesprochen hätte hat sie weder behauptet, noch steht ein solcher fest. Im Hinblick auf das gleichzeitig erteilte Hausverbot musste ein verständiger Erklärungsempfänger von einer unwiderruflichen Erklärung ausgehen, sodass es der Klägerin gar nicht möglich war, die Freistellung einseitig zu widerrufen.
2.3. Zu den Gegenforderungen
2.3.1. Die Berufungswerberin rügt folgende Feststellung des Erstgerichtes als überschießend:
„ Die Mitgesellschafter stimmten sodann über die Entlassung der Beklagten ab und beschlossen die Entlassung einstimmig, weil sie unentschuldigt nicht an der Generalversammlung teilnahm, die geforderten Unterlagen nicht zur Verfügung stellte und keine Aufklärungen über die Entnahmen tätigte, wie es in den angekündigten Tagesordnungspunkten vorgesehen war.“
Die Entlassung sei zudem nicht gerechtfertigt. Die Beklagte sei deshalb nicht zur Generalversammlung am 13.07.2020 gekommen, weil sie krank gewesen sei. Die Entlassung sei überdies verspätet erfolgt.
2.3.2.Die Klägerin brachte bereits in der Klage (S 4) vor, da die Beklagte die Aufklärung zu den Entnahmen verweigert habe und nicht einmal zur Generalversammlung erschienen sei, habe die Klägerin die Entlassung ausgesprochen. Die Feststellung des Erstgerichtes entspricht daher dem Klagsvorbringen und ist nicht überschießend (zum Begriff vgl RS0037972).
2.3.3. Wenn die Berufung argumentiert, die Beklagte habe an der Generalversammlung am 13.07.2020 krankheitsbedingt nicht teilnehmen können und zudem meint, die Mitgesellschafter der Klägerin hätten bereits am 09.06.2020 Kenntnis von der Höhe der Auszahlungen an die Beklagte gehabt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Auch die Rechtsausführungen, wonach die Entlassung einem bloßen Verdacht der Klägerin folgte, beruhen nicht auf den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes.
2.4. Widersprüchlichkeit der Feststellungen, sekundäre Feststellungmängel
2.4.1. Die Berufung meint, die Feststellungen zu den Auszahlungen seien in sich widersprüchlich. Diese Kritik kann das Berufungsgericht nicht nachvollziehen. Das Erstgericht stellte fest, welche Auszahlungen als Gehalt und als Prämien erfolgten. Zu den Prämien traf es zudem die Feststellung, wonach die Auszahlungen der (wenngleich nicht näher bezifferten) Jahresprämien – mit Ausnahme des Jahres 2019 - jeweils im Jänner des Folgejahres erfolgten. Damit liegen eindeutige Feststellungen vor; welchem Jahr die jeweiligen Prämien zuzuordnen sind, stellt eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar. Da die Feststellungen zu den Auszahlungen durch die Berufungswerberin nicht bekämpft wurden, steht der geforderten „ergänzenden“ Feststellung auf Seite 23 der Berufung – die sich in Widerspruch zu den Feststellungen des Erstgerichtes setzt - der unbekämpfte Sachverhalt entgegen. Wenn man dieses Vorbringen dahingehend versteht, dass die Berufungswerberin damit auch kritisiert, das Erstgericht habe die Prämien nicht dem jeweils richtigen Jahr zugeordnet, so kann sie die Relevanz dieses (behaupteten) Versäumnisses nicht aufzeigen. Der angemessene Bonus betrug von 2009 bis 2015 jährlich je EUR 11.380,50 und ab dem Jahr 2016 EUR 21.093,75. Selbst wenn man die Prämien – wie die Beklagte in der Berufung - teilweise anderen Zeiträumen zuordnen würde, würde sich aus der Gegenüberstellung der tatsächlich ausbezahlten und der angemessenen Beträge eine Überzahlung errechnen, die den zugesprochenen Betrag weit übersteigt.
2.4.2. Das Erstgericht hat umfassende Feststellungen zum angemessenen Entgelt getroffen, die weitgehend nicht bekämpft wurden. Dass bei der Angemessenheitsprüfung sämtliche Gehaltsbestandteile gegenüberzustellen sind, ist klar und bedarf keiner Tatsachenfeststellungen. Argumente gegen die vom Erstgericht herangezogene angemessene Honorierung nach dem unteren Quartil (für die Jahre 2009 bis 2015) führt die Berufung nicht ins Treffen.
Der unberechtigten Berufung war der Erfolg zu versagen.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
4.Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen war.