JudikaturOLG Wien

4R121/24d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schmied und den Richter Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A* - Bundespartei, **, vertreten durch die Suppan/Spiegl/Zeller Rechtsanwalts OG in Wien, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei B*Parlamentsklub, **, vertreten durch die VÖLK Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 30.100 nach § 56 Abs 2 JN, EUR 20.000 nach RATG) sowie Widerruf und Veröffentlichung (Streitwert EUR 4.900 nach § 56 Abs 2 JN, EUR 1.000 nach RATG), hier wegen einstweiliger Verfügung (Streitwert EUR 30.100 nach § 56 Abs 2 JN, EUR 20.000 nach RATG), über den Rekurs der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10. Juni 2024, **-4, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in Folge: Klägerin) ist eine politische Partei im Sinne des § 1 Abs 2 Parteiengesetz 2012 (PartG), die im Nationalrat vertreten ist. Die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei (in Folge: Beklagte) ist der Parlamentsklub der B*.

Der Beklagte veröffentlichte am 30.4.2024 eine APA-OTS (OTS0129) mit dem Titel „B* – D* zu E*: Auch beim tiefen A*-Staat bestellte Ermittlungen werden politische Wende nicht stoppen!“ . Die Aussendung lautet unter anderem:

„Die Panik vor dem Macht- und Kontrollverlust bei den kommenden Wahlen lassen in der A* jetzt alle Dämme brechen“, so reagierte B*-Generalsekretär NAbg. D*, MA, heute auf die Pressekonferenz von A*-Generalsekretär E*. „Weil alle Anpatzversuche und Schmutzkübel gegen die B* bisher nicht gewirkt haben, hat die verzweifelte A* nun bei ihrem tiefen Staat in der Justiz ein Verfahren ‚bestellt‘, um einen vermeintlichen Skandal zu inszenieren. Denn der Umstand, dass die WKStA ihre Ermittlungen bereits eingestellt hatte, weil sie nicht einmal einen Anfangsverdacht finden konnte, und diese nur auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien, an deren Spitze bekanntlich ein zentrales Element des tiefen schwarzen Staates sitzt, wiederaufnehmen musste, lässt gar keinen anderen Schluss zu!“, so D*.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, den Beklagten schuldig zu erkennen, es ab sofort zu unterlassen, die wörtliche und/oder sinngleiche unwahre Behauptung, die Klägerin habe bei der Justiz oder Teilen davon ein Verfahren gegen die B* oder einzelne Repräsentanten bestellt, zu verbreiten.

Zur Begründung brachte sie vor, der durchschnittliche Leser der OTS gewinne in Zusammenschau mit dem Titel sowie der eindeutigen Aussage, die A* habe bei der Justiz ein Verfahren „bestellt“, den Eindruck, die A* habe unter Verwirklichung eines strafrechtlichen Tatbestandes, allenfalls eines Korruptionsstrafdelikts (bzw die Bestimmungen dazu), auf Justizbeamte eingewirkt, damit diese entgegen der Rechtsansicht der WKStA ein Verfahren gegen die B*, das die WKStA einstellen habe wollen, tatsächlich initiieren bzw fortsetzen.

Die vom Beklagten verbreitete Behauptung sei falsch. Es handle sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung, weil ihr Inhalt objektiv auf seine Richtigkeit überprüft werden könne. Die Behauptung sei ehrenrührig und kreditschädigend nach § 1330 Abs 1 und 2 ABGB.

Der Beklagte brachte in seiner ihm freigestellten schriftlichen Äußerung vor, D* sowie der Beklagte seien für ihre scharfen Formulierungen im Zusammenhang mit der Anprangerung von Missständen bekannt. Dies sei Aufgabe eines Oppositionspolitikers bzw des Abgeordnetenklubs einer Oppositionspartei. Der Beklagte sei für seine kritische Haltung zu Postenschacher und Interventionen in der Justiz seitens der A* bekannt. Er habe wiederholt die Vergabe öffentlicher Positionen durch die A* nach politischen Gesichtspunkten anstatt nach Eignung und Qualifikation kritisiert. Man müsse diese Ansicht nicht teilen. Es sei aber Wesen einer Demokratie, dass sie geäußert werden dürfe, um Debatten zu initiieren und auch in Gang zu setzen.

Der inkriminierten Äußerung sei der von der Klägerin ausgeblendete Sachverhalt zugrunde gelegen, dass die von der WKStA an den „rot-blauen Machtmissbrauch – Untersuchungsausschuss“ gelieferten Chats „geleakt“ und seitens der Klägerin über mögliche Inseratenkorruption betreffend Mitglieder der Bundesregierung der B* sowie ihre ehemaligen Bundesminister F*, G*, H*, I* und J* spekuliert worden sei. Aufgrund der von der Klägerin angeheizten medialen Spekulation habe die WKStA die Chats geprüft und an die Oberstaatsanwaltschaft Wien berichtet, dass sie von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen alle angezeigten Personen mangels eines Anfangsverdachtes abzusehen gedenke. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien habe demgegenüber mittels Weisung gemäß § 8a StAG umgehend Ermittlungsverfahren wegen drohender Verjährung einzuleiten verfügt. Bemerkenswert an dieser Weisung sei, dass sie sich in keiner Weise mit den (öffentlich nicht einsehbaren) Erwägungen der WKStA, kein Verfahren einzuleiten, auseinandergesetzt habe und auch keine rechtliche Begründung für das mittels Weisung durchgesetzte Vorgehen, sofort ein Ermittlungsverfahren gegen F*, G*, H*, I* und J* einzuleiten, enthalte. Die WKStA habe daraufhin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Vor diesem Hintergrund habe der Beklagte die inkriminierte Äußerung verbreitet, weil es bei der für das bemerkenswerte Vorgehen zuständigen Dienst- und Fachaufsicht, der Oberstaatsanwaltschaft Wien, schon in der Vergangenheit zu näher genannten bemerkenswerten Vorfällen im Zusammenhang mit Postenbesetzungen gekommen sei. Medial und politisch, aber auch von der Richterschaft seien diese unfassbaren Vorgänge und politischen Einflussnahmen gemeinhin als „schwarze Netzwerke in der Justiz“ qualifiziert worden. Alle Parteien, bis auf die Klägerin, hätten diese Vorgänge verurteilt und sie beispielsweise im Rahmen parlamentarischer Anfragen thematisiert. Da die Umstände in Justiz und Öffentlichkeit derart breit diskutiert worden seien, sei von Notorietät auszugehen.

Die Klägerin betrachte die Äußerung isoliert und losgelöst vom Kontext zur öffentlichen Debatte rund um die Einflussnahme auf die (vornehmlich staatsanwaltschaftlichen Teile der) Justiz. Beim Sinngehalt einer Äußerung komme es jedoch immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an. Es sei auch der situative Kontext sowie das aktuelle Vor- und Begleitwissen zu berücksichtigen. Dem durchschnittlichen Leserkreis der beanstandeten Äußerung sei die öffentliche Diskussion um sogenannte „schwarze Netzwerke“ (oder auch „tiefer Staat“) in der Justiz, insbesondere in der Oberstaatsanwaltschaft Wien, bestens bekannt. Der Klägerin würden in der Äußerung keine strafbaren Handlungen vorgeworfen werden. Die Äußerung, ein Verfahren „bestellt“ zu haben, werde bewusst und klar erkennbar unter Anführungszeichen gesetzt. Der Rezipient wisse die Äußerung als scharfe und polemische Kritik an den Vorgängen einzuordnen. Die Setzung unter Anführungszeichen suggeriere nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung klar, dass die Äußerung nicht beim Wort zu nehmen, sondern als ironisch zu verstehen sei. Die bloße Behauptung, die Klägerin habe ein Verfahren „bestellt“, sei weder nach § 1330 Abs 1 ABGB, noch nach Abs 2 leg cit tatbildlich. Dem Begriff selbst komme keine negative Konnotation zu. Es werde der Klägerin im Ergebnis damit bestenfalls unterstellt, eben besonders mächtig respektive einflussreich zu sein, worauf auch durch die weitere Verwendung des Begriffs „tiefer Staat“ Bezug genommen werde. Im Zweifel handle es sich bei der beanstandeten Äußerung um ein Werturteil. Im Rahmen politischer Debatten, wozu insbesondere auch Debatten über Vorgänge in der Justiz zählen, genüge bereits ein „dünnes Tatsachensubstrat“ für die Zulässigkeit einer Wertung.

Mit dem angefochtenen Beschluss erließ das Erstgericht antragsgemäß die einstweilige Verfügung. Ausgehend von dem auf den Seiten 4 und 5 der Beschlussausfertigung ersichtlichen Sachverhalt kam es in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, der Bedeutungsinhalt der Äußerung des Beklagten sei nach ihrem Gesamtzusammenhang für den unbefangenen Durchschnittsadressaten dahin zu verstehen, dass die Klägerin in der Justiz ein Verfahren im Zusammenhang mit Werbeaufträgen B*-geführter Ministerien „bestellt“ habe, sohin ein solches einleiten habe lassen, indem sie auf die Oberstaatsanwaltschaft Wien eingewirkt habe, an deren Spitze „bekanntlich ein zentrales Element des tiefen schwarzen Staates sitzt“, der WKStA die Weisung zur Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens zu erteilen, nachdem die WKStA ihre Ermittlungen bereits eingestellt gehabt habe, weil sie nicht einmal einen Anfangsverdacht finden habe können. Damit werde der Eindruck suggeriert, dass die Klägerin Einfluss auf die Oberstaatsanwaltschaft Wien genommen habe und durch Initiative der Klägerin diese sodann die Weisung an die WKStA erteilt habe, Ermittlungen wieder aufzunehmen. Es werde der Klägerin aber auch unterstellt, dass die Oberstaatsanwaltschaft Wien, die von D* im Artikel als „tiefer schwarzer Staat“ bezeichnet werde, von der Klägerin angestiftet worden sei, ein Verfahren wieder aufzunehmen. Damit werde der Klägerin vorgeworfen, sie hätte entgegen der eigenen Rechtsansicht der Oberstaatsanwaltschaft Wien diese dazu angeleitet, sie sohin zum Amtsmissbrauch angestiftet, und damit unrechtmäßig Einfluss auf die Justiz genommen. Damit werde der Klägerin Anstiftung zum Amtsmissbrauch vorgeworfen. Dieses Verhalten sei ehrenrührig und kreditschädigend und erfülle den Tatbestand des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB.

Der Umstand, dass das Wort „bestellt“ unter Anführungszeichen gesetzt worden sei, vermöge daran nichts zu ändern. Vielmehr werde damit der vermittelte Bedeutungsgehalt, die Klägerin habe jedenfalls unzulässigerweise und unrechtmäßig Einfluss auf die Oberstaatsanwaltschaft Wien, sohin die Justiz, genommen, noch verstärkt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Der Rekurswerber argumentiert im Wesentlichen, das Erstgericht habe den Sinngehalt der inkriminierten Äußerung nicht methodengerecht ermittelt. Es blende den der inkriminierten Äußerung zugrunde liegenden Sachverhalt aus, was jedoch verfehlt sei. Die Äußerung, die Klägerin habe ein Verfahren gegen die B* oder ihre Repräsentanten „bestellt“, könne unmöglich als Tatsachenbehauptung, sondern nur als scharfe und polemische Kritik an den Vorgängen rund um die Einleitung des Ermittlungsverfahrens verstanden werden. Schon die Setzung unter Anführungszeichen suggeriere nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung laut Duden ganz klar, dass die Äußerung nicht beim Wort zu nehmen, sie also ironisch zu verstehen sei.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob „Tatsachen" verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerungen an; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend. Die Mitteilung ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden (RS0031883 [T7]).

„Tatsachen" sind Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bestimmter oder doch zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt. Darin liegt der Unterschied gegenüber den bloßen Werturteilen, die erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden können und die eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben. Es ist demnach entscheidend, ob die Unrichtigkeit der in Frage kommenden Behauptungen bewiesen werden kann. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um eine unüberprüfbare Meinungskundgebung des Erklärenden (RS0032212 [T1]).

3. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet bestellen etwa „veranlassen, dass etwas geliefert, gebracht wird; in Auftrag geben“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/bestellen). Wenngleich Wörtern in unterschiedlichen Kontexten auch ein unterschiedlicher Bedeutungsgehalt unterstellt werden kann, lässt die vom Beklagten verwendete Diktion „bestellt“ im Zusammenhang mit dem weiteren Inhalt der OTS-Meldung nur den Rückschluss zu, dass die Klägerin Entscheidungsträger der Oberstaatsanwaltschaft Wien dahin beeinflusst hat, dass diese der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) eine Weisung erteilt hat. Daran vermag auch die Setzung von Anführungszeichen nichts zu ändern. Damit handelt es sich aber um eine Behauptung, deren Unrichtigkeit bewiesen werden kann. Dass die Behauptung wahr wäre, behauptet der Beklagte nicht.

4.1 Dem Rekurswerber ist dahin beizupflichten, dass im Rahmen politischer Auseinandersetzungen und bei „Public Figures“ bereits ein „dünnes Tatsachensubstrat“ für die Zulässigkeit einer Wertung genügt (RS0107915 [T10]). Dementsprechend muss in einer politischen Auseinandersetzung den Opponenten in einer demokratischen Gesellschaft gestattet sein, wertende gegensätzliche Standpunkte auch in scharfer Form zu formulieren und Argumente, die für den eigenen Standpunkt sprechen, darzulegen. Eine politische Wertung, die nicht den Vorwurf eines persönlich unehrenhaften Verhaltens des politischen Gegners enthält, ist nicht tatbildlich im Sinne des § 1330 Abs 1 oder Abs 2 ABGB (RS0102052). Da die Freiheit der politischen Debatte einer der Pfeiler des Konzeptes einer demokratischen Gesellschaft ist, sind die Grenzen einer vertretbaren Kritik in Bezug auf einen Politiker, der in seiner öffentlichen Eigenschaft auftritt, weiter zu ziehen als in Bezug auf eine Privatperson.

4.2 Eine in die Ehre eingreifende Kritik auf Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen verstoßt jedoch gegen § 1330 ABGB. Das Recht auf freie Meinungsäußerung findet in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung seine Grenze in einer unwahren Tatsachenbehauptung (RS0075552 [T6, T11]). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, basierend auf unwahren Tatsachenbehauptungen, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung (RS0107915). Unwahre, diffamierende Tatsachenbehauptungen oder auf unwahren bzw nicht hinreichenden Tatsachenbehauptungen beruhende negative Werturteile oder Wertungsexzesse fallen somit nicht unter den Schutzbereich des Art 10 MRK. (RS0107915 [T11]; RS0075601). So ist beispielsweise eine unwahre Tatsachenbehauptung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die Grundrechtsberechtigte eine Oppositionspolitikerin ist und sich in einer Sache von allgemeinem Interesse äußert (6 Ob 161/14s).

5. Ehrenbeleidigung ist jedes der Ehre - verstanden als Personenwürde (§ 16 ABGB) - nahetretende Verhalten. Der – durch einstweilige Verfügung sicherbare - Unterlassungsanspruch ist von einem Verschulden des Beklagten unabhängig (RS0008984 [T3, T4, T7]). Strafgesetzliche Tatbestandsmäßigkeit ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 1330 Abs 1 ABGB (RS0031977; RS0032008). Es geht um die Einschätzung der Person durch ihre Umwelt, also um ihre soziale Wertstellung innerhalb der Gemeinschaft.

Für eine Gefährdung des Kredits im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB reicht, dass das inkriminierte Verhalten geeignet ist, den Kredit des anderen zu beeinträchtigen (6 Ob 162/17t). So wurde dem Sachverhalt der Entscheidung 6 Ob 162/17t zufolge auf der Website einer Medieninhaberin ein Blog ihres Redakteurs und Chefs vom Dienst gestellt, demzufolge die drittklagende politische Partei die Verletzung der Wahlordnung durch ihre eigenen Beisitzer nicht nur geduldet, sondern sogar provoziert habe. Ein derartiger Vorwurf der Manipulation einer Wahl ist nicht nur kreditschädigend, sondern stellte auch eine Ehrenbeleidigung dar, weil der Vorwurf (zumindest auch) die soziale Wertschätzung von Politikern und einer politischen Partei erheblich beeinträchtige, wenn ihnen die Vorbereitung einer Wahlanfechtung auf Bundesebene durch bewusste Instruktion „ihrer Beisitzer“ zu „Verletzungen der Wahlordnung“ unterstellt wird. Der insoweit völlig unbelegte Vorwurf einer Wahlmanipulation ist dem demokratischen Diskurs nicht förderlich, sondern in hohem Maße abträglich. Durch den Mangel eines konkreten Tatsachensubstrats, das Grundlage für den zum Ausdruck kommenden Vorwurf einer aktiven Wahlmanipulation durch die Kläger sein könnte, unterscheidet sich dieser Fall auch von jenen, in denen sich dieser Vorwurf bei Vorliegen tatsächlicher Wahlmängel gegen für die Durchführung der Wahl Verantwortliche richtete (6 Ob 162/17t).

6. Im Ergebnis stellt die Äußerung des Beklagten somit eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die den Tatbestand des § 1330 Abs 1 und 2 ABGB erfüllt.

7. Zu den vom Rekurswerber monierten sekundären Feststellungsmängeln ist zunächst festzuhalten, dass er es unterlässt, auszuführen, welche konkreten ergänzenden Feststellungen das Erstgericht zu treffen gehabt hätte. Ein Rechtsmittel ist eine in sich geschlossene selbständige Prozesshandlung, die durch eine Bezugnahme auf den Inhalt anderer Schriftsätze nicht ergänzt werden kann (RS0043616 [T5]). Eine solche Verweisung ist unzulässig und unbeachtlich (RS0007029 [T1]).

Ungeachtet dessen wäre die Äußerung auch unter Zugrundelegung der vom Beklagten ohnehin als notorisch angesehenen (und damit nicht beweisbedürftigen) medialen Berichterstattung über „Vorfälle“ bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien im Zusammenhang mit der zuständigen Dienst- und Fachaufsicht nicht anders als unter Punkt 3. ausgeführt zu verstehen. Vor allem vor dem Hintergrund eines vermuteten „schwarzen Netzwerks in der Justiz“ kann der Vorwurf, eine politische Partei habe ein Ermittlungsverfahren „bestellt“, obwohl die zuständige Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen bereits eingestellt hatte und nur aufgrund der Weisung der Oberstaatsanwaltschaft, an deren Spitze ein „zentrales Element des tiefen schwarzen Staates“ sitze, nur dahin verstanden werden, dass diese auf die Oberstaatsanwaltschaft eingewirkt hat, dass dieses eine Weisung erteilt hat, entgegen § 35c StAG ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, was eine (unstrittig unwahre) Tatsachenbehauptung darstellt.

8. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78 Abs 1, 393 Abs 1 EO iVm § 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

10. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gründet auf den §§ 78 Abs 1, 402 Abs 4 EO iVm §§ 500 Abs 2 Z 1 lit b, 526 Abs 3 ZPO, und folgt der Bewertung durch die Klägerin.

11. Der ordentliche Revisionsrekurs war mangels Vorliegens von Rechtsfragen der in §§ 78 Abs 1, 402 Abs 4 EO iVm §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO genannten, die Bedeutung des Einzelfalles übersteigenden Qualität nicht zuzulassen. Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RS0031883 [T28]).