JudikaturOLG Linz

2R103/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
06. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Werner Gratzl in der Verlassenschaftssache nach der am ** geborenen und am 07.05.2025 verstorbenen A* B* , zuletzt wohnhaft in **, **-Straße **, GZ A* des Bezirksgerichts Schärding, über den Rekurs der beim Bezirksgericht Schärding tätigen Richterin Mag. a C* D* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 2. Juli 2025, Nc*, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Über die Mitteilung des Todesfalls behängt beim Bezirksgericht Schärding zu GZ A* ein Verlassenschaftsverfahren nach der am ** geborenen und am 07.05.2025 verstorbenen A* B*, die zuletzt in ** gewohnt hatte. Sie war die Mutter des bei diesem Bezirksgericht für Verlassenschaftssachen zuständigen Richters Dr. E* B*. Zuerst erklärte sich die nach der Geschäftsverteilung zuständige Rechtspflegerin F* wegen der (gesetzlichen) Erbenstellung des ihr fachvorgesetzten Richters für befangen, sodann zeigte dieser Richter deshalb und weil er einen Antrag auf Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung auf schriftlichem Weg gestellt habe, seine Ausgeschlossenheit an. Der weitere Richter des Bezirksgerichts Schärding Dr. G* zeigte daraufhin seine Befangenheit mit der Begründung an, er stehe mit dem Erbenmachthaber und gesetzlichen Erben in einem kollegialen und freundschaftlichen Verhältnis. Die auch beim Bezirksgericht Schärding tätige Richterin des Landesgerichtes Ried im Innkreis Mag. aD* erklärte in einer Äußerung, sich grundsätzlich nicht subjektiv für befangen zu fühlen, merkte aber an, eine objektive Beurteilung könnte es rechtfertigen, ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, weil beim Bezirksgericht insgesamt vier Richter tätig seien und die Verlassenschaft die verstorbene Mutter einen dieser Richter betreffe. Unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH zu 5 Ob 167/24f sei es bei Bejahung der Befangenheiten der Übrigen angezeigt, die Befangenheit auch jener wenigen Richter desselben Gerichts zu bejahen, die sich nicht für befangen erklärten, weil bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens auch der äußere Anschein von Bedeutung sei. Zuletzt legte der Vorsteher des Bezirksgerichts Mag. H* den Akt dem Landesgericht Ried im Innkreis auch mit der Anzeige seiner eigenen – objektiven und subjektiven - Befangenheit vor, weil die Verlassenschaft die Mutter eines Kollegen betreffe, der gemeinsam mit seinen Geschwistern einen Antrag auf schriftliche Abhandlungspflege gestellt habe, nach der Aktenlage zwar eine Abtuung armutshalber im Raum stehe und Streitigkeiten der Erben nicht zu erwarten seien, ihn aber dennoch mit dem Kollegen, der aufgrund des Gesetzes zu einem Viertel als Erbe berufen scheine, ein jahrzehntelanges freundschaftliches und kollegiales Verhältnis verbinde und er sein Gerichtsvorsteher sei.

Das Landesgericht Ried im Innkreis erklärte den Richter des Bezirksgerichtes Dr. B* für ausgeschlossen, die Rechtspflegerin, den weiteren Richter und den Gerichtsvorsteher für befangen, die Richterin hingegen für nicht befangen. Es führte aus, als Befangenheitsgründe kämen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründeten, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet sei, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Im Allgemeinen sei ein Befangenheitsgrund anzunehmen, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeige, weil er selbst am besten wisse, inwieweit die tatsächliche Besorgnis bestehe oder entstehen könne, dass er sich im konkreten Fall nicht ausschließlich von objektiven Gesichtspunkten werde leiten lassen. Nach diesen Grundsätzen sei den Befangenheitsanzeigen der Rechtspflegerin, des Richters und des Vorstehers stattzugeben, weil sowohl der Umstand, dass es sich beim gesetzlichen Erben um den fachvorgesetzten Richter der zuständigen Rechtspflegerin handle, als auch ein - im Fall des Gerichtsvorstehers jahrzehntelanges - freundschaftliches und kollegiales Verhältnis zum gesetzlichen Erben und Erbenmachthaber die von den beiden angezeigte subjektive Befangenheit begründe. Mag. a D* habe formell keine Befangenheitsanzeige erstattet, sondern in ihrer Äußerung auf eine mangelnde subjektive Befangenheit mit der Anmerkung hingewiesen, dass eine objektive Beurteilung es rechtfertigen könne, ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Der dazu zitierten Entscheidung liege allerdings ein mit dem hier gegebenen nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, indem sich dort in einem streitigen Zivilprozess mit Ausnahme der erfolgreichen Rekurswerberin alle Richterinnen und Richter eines Landesgerichtes aufgrund eines freundschaftlichen bzw. freundschaftlich-kollegialen Verhältnisses zu einem Zeugen, der bis kurz zuvor Präsident dieses Landesgerichtes gewesen sei, für befangen erklärt hätten, weil sie sich nicht in der Lage gefühlt hätten, dessen Aussage unvoreingenommen zu würdigen. Im Verlassenschaftsverfahren komme der Beweiswürdigung aber keine vergleichbare Bedeutung zu wie in einem streitigen Zivilprozess. Auch Erwägungen, wie sie in der Entscheidung 7 Ob 574/93 bei einem Ablehnungsverfahren gegen alle Richter eines Gerichtes zugrunde gelegen seien (Fairness eines Verfahrens) seien auf den hier vorliegenden Fall nur bedingt zu übertragen; neben dem betroffenen Richter selbst, der seine Ausgeschlossenheit angezeigt habe, hätten sich nur die Rechtspflegerin und die beiden weiteren langjährig beim Bezirksgericht tätigen Richter für befangen erklärt. Bei kleineren Gerichten mit nur wenigen systemisierten Planstellen erwarte sich die rechtsuchende Bevölkerung im Fall einer Ausgeschlossenheit und oder Befangenheit einiger weniger Entscheidungsorgane zumindest außerhalb eines konkret begründeten Ablehnungsverfahrens gegen sämtliche möglichen Entscheidungsorgane nicht, dass eine Rechtssache dort nicht von anderen, gar nicht betroffenen Entscheidungsorganen bearbeitet werden dürfe, weshalb kein Grund zur Befürchtung bestehe, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Richterin, deren Befangenheit nicht festgestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Dem Richter, dessen Selbstmeldung wegen Befangenheit nicht stattgegeben wurde, steht dagegen ein Rekursrecht zu (RIS-Justiz RS0043747); einer anwaltlichen Vertretung bedarf er gemäß § 28 Abs 1 ZPO nicht (RIS-Justiz RS0113115 [T2]). Auch wenn die Äußerung der Richterin nicht als Anzeige der Befangenheit bezeichnet ist, macht sie inhaltlich darin den Anschein der Befangenheit geltend, der dadurch entstehen könnte, dass die Befangenheit aller ihrer Kollegen bejaht würde. Nach §§ 22 Abs 1 GOG, 182 Abs 1 Geo ist der Richter nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, von Gründen Mitteilung zu machen, die ihn von seiner Amtsausübung ausschließen oder seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen geeignet sind (vgl. Danzl, Geo 11§ 182 (Stand 31.1.2025, rdb.at) uHa 1 Ob189/23k); auch die Äußerung entspricht einer solchen Selbstmeldung, die der Richterin nun die Rekurslegitimation gegen die abweisliche Entscheidung vermittelt. Das Rechtsmittelverfahren bleibt dabei einseitig (vgl. 1 Ob 113/22g, 5 Ob 167/24f).

Auch im Rekurs betont die Rekurswerberin, sich nicht subjektiv für befangen zu erachten, weil sie in ausschließlich kollegialen Verhältnissen zu sämtlichen Richtern des Bezirksgerichtes Schärding stehe. Sie habe in ihrer Stellungnahme aber angemerkt, dass es eine objektive Beurteilung rechtfertigen könnte, ihre Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Auch wenn die Argumentation des Landesgerichtes Ried im Innkreis, wonach einer Beweiswürdigung im Verlassenschaftsverfahren keine der Entscheidung 5 Ob 167/24f vergleichbare Bedeutung zukomme, erachte sie den objektiven Anschein dennoch als getrübt. Für Außenstehende, die gerichtsinterne Abläufe nicht gut kennen würden, mache es keinen Unterschied, ob eine Richterin in einer streitigen, außerstreitigen oder strafrechtlichen Materie tätig sei, die einen Angehörigen eines am selben Gericht tätigen Richters betreffe. Überdies habe der Richter selbst Parteistellung im Verfahren. So könnte in einem solchen Verfahren der Eindruck entstehen, dass die Akten bevorrangt bearbeitet und inhaltlich anders bewertet würden als von anderen, nicht mit den gesetzlichen Erben in zumindest kollegialer Verbindung stehenden, Richterinnen und Richtern. Nicht zuletzt bestehe die Gefahr, dass der Anschein der Unbefangenheit in Zweifel gezogen werde, weil die unmittelbare räumliche und persönliche theoretische Möglichkeit bestehe, dass es zu einem kollegialen oder informellen Austausch zwischen dem gesetzlichen Erben und der in der Sache tätigen Richterin komme. Dass die Sache selbst an dem Bezirksgericht, an dem der gesetzliche Erbe als Richter tätig sei, zu bearbeiten sei, entspreche ihrem Verständnis nach nicht dem strengen Maßstab, an dem sich die Richterschaft zur Beständigkeit des Vertrauens der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu orientieren habe; dabei sei außer Acht zu lassen, um welche Angelegenheiten es sich handle und ob und welche inhaltlichen Schwierigkeiten zu erwarten seien.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Materielle Parteistellung im Außerstreitverfahren genießt nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde, auch wenn diese Bestimmung nach der Judikatur eng auszulegen ist. Allein die (mögliche) Parteistellung eines Richters begründet bei objektiver Betrachtung nicht den Anschein der Befangenheit aller Richter desselben Gerichts. Ein solches Ergebnis stünde auch mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Vorauszuschicken ist, dass ein Richter, der selbst seine Unbefangenheit bejaht und lediglich Bedenken wegen des möglichen Anscheins einer Voreingenommenheit äußert, damit ausschließlich eine rechtliche Beurteilung der von ihm angegebenen Gründe für einen Anschein der Befangenheit vornimmt. Die eigenständige Beurteilung durch das zuständige Entscheidungsorgan wird dadurch nicht präjudiziert (vgl. 2 Ob 193/15v). Es besteht dann auch keine Vermutung für das Vorliegen des Anscheins der Befangenheit.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt für die Annahme des Vorliegens einer Befangenheit, dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der äußere Anschein der Voreingenommenheit des zur Entscheidung berufenen Richters entstehen könnte (RIS-Justiz RS0046052 [T2, T10] RIS-Justiz RS0045949 [T2, T6]), wobei im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen ist (RS0045949). In Betracht kommen insbesondere persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei (OGH 2 Nc 32/18f, 2 Nc 36/19w, 6 Nc29/19w). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vermag das Bestehen eines kollegialen Verhältnisses der Richter des zur Entscheidung berufenen Gerichtshofs zu einem abgelehnten Richterkollegen allein dessen Befangenheit nicht zu begründen, weil der Gesetzgeber selbst in § 23 JN die Entscheidungspflicht des Gerichtshofs, welchem der abgelehnte Richter angehört, normiert und damit das Vorliegen eines kollegialen Verhältnisses nicht als Entscheidungshindernis ansieht (vgl. OGH 6 Nc 29/19w mwN; RIS-Justiz RS0108696). Nicht nur § 23 JN steht dem oben dargestellten Verständnis vom Anschein der Befangenheit entgegen, auch § 79 JN, der auf Antragsteller und Antragsgegner im Außerstreitverfahren analog anzuwenden sein kann, zeigt, dass nicht jede Parteistellung in jedem möglichen gerichtlichen Verfahren bereits den Anschein einer möglichen Befangenheit sämtlicher Gerichtsorgane begründen kann. Die analoge Anwendbarkeit des § 79 JN wird zwar auf Verlassenschaftsangelegenheiten nach § 77 JN argumentiert, nicht aber, soweit überblickbar, auf alle von § 105 JN erfassten Verlassenschaftsverfahren, in denen womöglich schon keine widerstreitenden Anträge zu berücksichtigen sind. Der Anschein der Befangenheit oder der Parteilichkeit muss sich auf Umstände gründen, der ihn bei objektiver Betrachtung entstehen lässt; bloße Vorurteile – wie eine, wenn auch in Teilen der Bevölkerung verankerte Vorstellung einer Sonderbehandlung bestimmter Bevölkerungsgruppen - reichen dazu nicht aus. Dass auch Richter als Privatpersonen von gerichtlichen Verfahren – etwa Grundbuchs- oder Verlassenschaftsverfahren - betroffen sind, ist selbstverständlich und gemeinhin bekannt; das impliziert eine Kollegenschaft des Entscheidungsorgans. Auch von an kleineren Bezirksgerichten tätigen Richtern wird grundsätzlich eine professionelle Erledigung ihrer Aufgaben ohne Ansehen der Person und nicht erwartet, zugunsten oder zuungunsten eines Kollegen, mit dem sie nicht näher verbunden sind, unsachlich zu entscheiden. Schließlich ist auch zu bedenken, dass eine unreflektierte Annahme einer Befangenheit sämtlicher Mitglieder eines Gerichts zu einer ungerechtfertigten Belastungsverschiebung zu einem anderen Gericht führen würde (vgl. OGH 6 Nc 29/19w).

Der Rekurs bleibt daher ohne Erfolg. Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs beruht auf § 24 Abs 2 JN (vgl Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO 5, § 24 JN Rz 6).