6R97/25i – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Vertragsbedienstete, **, **, vertreten durch Mag. Eduard Aschauer, Rechtsanwalt in Steyr, gegen die beklagte Partei B* Gesellschaft m.b.H. , FN **, **straße **, **, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C* m.b.H. , FN **, ** Straße **, **, vertreten durch Mag. Markus Miedl, LL.M, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 14.196,- sA und Feststellung (Interesse: EUR 6.000,-), über die Berufungen der klagenden und der beklagten Partei (Berufungsinteresse jeweils: EUR 8.965,-) gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 30. Mai 2025, Cg*-26, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es in seinem Punkt 2. zu lauten hat:
Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei der Klägerin für alle künftigen vorfallskausalen Folgen, welche aus dem Unfall der Klägerin am 22.11.2023 gegen 17.00 Uhr auf dem Parkplatz der Zweigniederlassung in D*, E*gasse F*, resultieren, im Ausmaß von 50 % haftet.
Die klagende Partei ist schuldig, der Nebenintervenientin die mit EUR 1.458,67 (darin EUR 243,11 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.458,67 (darin EUR 243,11 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 5.000,-, nicht jedoch EUR 30.000,-.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt an der Adresse E*gasse F* in D* ein Textilfachgeschäft, das sie von der Nebenintervenientin in Bestand genommen hat. Zur gemeinsamen Nutzung mit einem anderen Bestandsnehmer stehen der Beklagten ca 128 ebenerdige Kundenparkplätze zur Verfügung, die insofern nicht zum „ Bestandgegenstand “ gehören, und über die nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Bestandgeberin verfügt werden darf. Die Nebenintervenientin lässt die Freiflächen von einem Fachunternehmen betreuen und reinigen.
Die Klägerin parkte am 22. November 2023 gegenüber dem Eingang des Textilfachgeschäfts. Um etwa 17:00 Uhr ging sie in das Geschäft, wobei ihr keine Unebenheit im Boden auffiel, und kaufte einen Wintermantel. Als sie das Geschäft verließ, trug sie den Wintermantel über dem linken Unterarm und hielt in der rechten Hand den Autoschlüssel. „ Beim Hinausgehen “ kam die Klägerin aufgrund einer Unebenheit im Boden in unmittelbarer Nähe des Eingangs zu Sturz. Diese Unebenheit, die seit zumindest Mitte November 2023 bestand, sah so aus:

Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt.

Durch den Sturz erlitt die Klägerin im Wesentlichen knöcherne Bandabsprengungen am linken Fuß. Daraus resultierend besteht als Dauerfolge eine überschießende Knochenbildung im Bereich des Fersenbeins hin zu den Nachbarfußwurzelknochen. Sofern diese weiterhin störend wirkt, kann sie minimalinvasiv abgetragen werden. Bei komplikationslosem Verlauf fallen hiefür (gerafft) 1 Tag starke, 2 Tage mittelstarke und 7 Tage leichte Schmerzen an. Spätfolgen können ausgeschlossen werden.
Die Klägerin begehrte aufgrund des Sturzes neben der mit EUR 6.000,- bewerteten Haftungsfeststellung den Ersatz folgender Schadenspositionen: Schmerzengeld EUR 12.000,- Kleidungsschaden EUR 100,- vermehrte Bedürfnisse (42 Tage je 2 Std zu EUR 20,-) EUR 1.680,- Kosten für Begleitperson (10 Std zu EUR 20,-) EUR 200,- 2 Paar Schuhe zu je EUR 108,- EUR 216,- gesamt EUR 14.196,-
Den Mitarbeitern der Beklagten sei die 10 cm tiefe Mulde im Boden bekannt gewesen. Trotzdem sei diese weder abgesichert worden, noch seien die Kunden vor der Gefahr gewarnt worden. Es sei jedoch Aufgabe der Beklagten, ihre Kunden insbesondere beim Verlassen des Geschäfts vor drohenden Gefahren zu schützen; dafür komme es nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Parkplatz an.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Bei der Unfallstelle handle es sich um eine minimale, bei gehöriger Aufmerksamkeit gut erkennbare Absenkung im Pflasterstein, sodass der Unfall auf das Alleinverschulden der Klägerin zurückzuführen sei. Im Übrigen sei die Beklagte für die Instandhaltung der Außenfläche nicht haftbar; sie habe aus rechtlichen Gründen an der Parkfläche keine Eingriffe tätigen dürfen und würde sich diesbezüglich einer Besitzstörung schuldig machen.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten ergänzte dazu insbesondere, ihr sei vor dem Unfall nicht bekannt gewesen, dass sich Pflastersteine im Bereich vor dem Eingang zum Geschäftslokal der Beklagten „ gesenkt “ hätten.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 5.965,- sA und stellte die Haftung der Beklagten für alle kausalen Unfallfolgen im Ausmaß von 50 % fest. Das Mehrbegehren von EUR 8.231,- sA und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab.
In seiner rechtlichen Beurteilung des im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen Sachverhalts wandte es – soweit berufungsrelevant – die Grundsätze der Entscheidung OGH 4 Ob 13/19v an. Hier wie dort bestehe ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erbringung der vertraglichen Hauptleistung und dem Sturz. Daher habe die Beklagte aufgrund nachvertraglicher Schutzpflichten für die Unfallfolgen einzustehen. Auf die Eigentumsverhältnisse komme es nicht. Die Beklagte hätte vor dem Unfall einen Hinweis durch ein Verkehrshütchen anbringen können; bauliche Veränderungen würden von ihr nicht verlangt. Auch für die Klägerin sei die Unebenheit aber erkennbar gewesen. Sie hätte diese umgehen können. Ihr Mitverschulden sei mit 50 % zu bewerten. Spätfolgen seien zwar ausgeschlossen, doch lägen Dauerfolgen vor, die noch einen weiteren Eingriff erforderlich machen könnten. Das Feststellungsinteresse bestehe daher zu Recht.
Gegen diese Entscheidung berufen die Klägerin und die Beklagte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin beantragt (wie aus dem Rubrum und der Anfechtungserklärung zu erschließen ist) einen weiteren Zuspruch von EUR 5.965,- und die gänzliche Stattgabe des Feststellungsbegehrens, die Beklagte die gänzliche Klagsabweisung sowie hilfsweise die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht.
Mit den von allein drei Parteien eingebrachten Berufungsbeantwortungen wird jeweils das Ziel verfolgt, dass der gegnerischen Berufung nicht Folge gegeben werde.
Beide Berufungen sind nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1.1. Die Beklagte argumentiert zunächst, dass sie nicht hafte, weil der Sturz der Klägerin weder „ im unmittelbaren Bereich der Parkplätze “ stattgefunden habe, welche (auch) den Kunden der Beklagten zur Verfügung gestanden seien, noch im unmittelbar vor dem Geschäftslokal befindlichen Gehsteigbereich.
Als „ sekundären Verfahrensmangel “ rügt die Beklagte, dass das Erstgericht „ keine exakten Feststellungen zum Ausmaß des Gehsteigbereiches vor dem Geschäftslokal der beklagten Partei und der Entfernung der konkreten Unfallstelle von diesem Gehsteigbereich “ getroffen habe. Den anlässlich des Lokalaugenscheines angefertigten Lichtbildern im Zusam- menhang mit den Lichtbildern im Urteil sei zu entnehmen, dass sich die Unfallstelle knapp außerhalb des unmittelbaren Gehsteigbereiches vor dem Geschäftslokal befunden habe, der jedenfalls „ mit den auf der in der Verhandlung vom 22.05.2024 angefertigten Lichtbilder ersichtlichen Stützen “ ende. Die Unfallstelle sei somit außerhalb dieses Bereiches und funktionell nicht dem Geschäftsbetrieb der Beklagten zugeordnet. Eine Haftung eines Geschäftsbetreibers für sämtliche nicht angemieteten bzw. nicht in seinem Eigentum stehenden Flächen, auf denen man zum Geschäftslokal gelangen könne, sehe die höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht als gegeben an.
1.1.2.Nach ständiger Rechtsprechung treffen einen Geschäftsinhaber nicht nur bei Anbahnung eines geschäftlichen Kontakts gegenüber seinen potenziellen Kunden Verkehrssicherungspflichten und vorvertragliche Schutzpflichten (vgl etwa etwa RIS-Justiz RS0016402; RS0014885). Der Inhaber eines Geschäftes, das jedermann offensteht, muss vielmehr alle Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten (RIS-Justiz RS0023597); er hat für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen (RIS-Justiz RS0016407) und auch den Zufahrtsweg sicher zu halten (RIS-Justiz RS0023768), ohne dass es auf die Halter- oder Eigentümerstellung hinsichtlich des Weges ankäme (RIS-Justiz RS0119484). Daher treffen ihn – wie sich gerade aus der vom Erstgericht zitierten Entscheidung OGH 4 Ob 13/19v ergibt – auch nachvertragliche Pflichten (dazu auch RIS-Justiz RS0119485), sodass es zu den Aufgaben eines Geschäftsinhabers zählt, seine Kunden vor der ihnen beim Verlassen des Geschäfts im Gehsteigbereich drohenden Gefahr zu schützen, soweit diese Gefahr bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist.
Dass sich der Unfall hier nicht auf einem Gehsteig iSd § 2 Abs 1 Z 10 StVO zugetragen hat, ändert an der Haftung der Beklagten nichts: Der Unfall ereignete sich völlig unstrittig auf jenem privaten Gelände, auf dem sowohl das von der Beklagten in Bestand genommene Geschäftslokal als auch die dafür vorgesehenen Parkplätze liegen. Dass die Sturzstelle zwischen Parkplatz und Geschäftstüre liegt, ergibt sich schon aus dem Kontext der Festellungen. Dass sie sich „ in unmittelbarer Nähe des Eingangs “ befindet, ist – unbekämpft – festgestellt (US 4) und auf dem zweiten Lichtbild (US 4 unten) gut ersichtlich. Insofern liegt daher auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor. Der bereits vom Erstgericht zitierten Rspr dazu, dass Fremdeigentum nicht vom Bestehen nachvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten entlastet, hält die Berufung nichts Substanzielles entgegenhalten.
1.2.1. Weiters argumentiert die Beklagte, das Erstgericht übersehe, dass die Beklagte zu baulichen Maßnahmen nicht berechtigt sei und kein Verkehrshütchen hätte aufstellen dürfen, weil eine solche Maßnahme eine Besitzstörung darstellen würde. Daher müsse für die konkrete Unfallstelle ausschließlich der Eigentümer des Grundstückes bzw der unmittelbar Verfügungsberechtigte haften.
1.2.2. Diese Ausführungen ignorieren abermals die oben zitierte Rechtsprechung. Demnach liegt es am Geschäftsinhaber, dafür zu sorgen, dass seine Kunden das Geschäft sicher betreten und verlassen können – und zwar unabhängig davon, ob der Geschäftsinhaber auch Wegehalter oder Eigentümer der Wegfläche ist. Als einfachste Abhilfemaßnahme ist im konkreten Fall an eine Warnung der das Geschäftslokal verlassenden Kunden zu denken, die ohne jegliche „ Veränderung “ der Außenanlagen auskommt. Ob die vom Erstgericht angedachte (und tatsächlich nach dem Unfall auch gesetzte) Abhilfemaßnahme in Form des Aufstellen eines Verkehrshütchens nicht in Wahrheit vom Rechts(mit)besitz der Beklagten aus dem Bestandvertrag getragen ist (vgl § 1 Z 1 des seinem Wortlaut nach unstrittigen Bestandvertrages Beilage ./2: „ Für die gemeinsame Nutzung stehen den G*-Bestandnehmern ca. 128 Kundenparkplätze ebenerdig […] zur Verfügung “), kann daher dahinstehen.
1.3.1. Schließlich wendet sich die Beklagte gegen den Zuspruch des Feststellungsbegehrens. Als einzig relevante Dauerfolge bestehe eine Verbreiterung im Bereich des Fersenbeins, die, wenn sie weiterhin stark störend sein sollte, minimalinvasiv abgetragen werden könne. Spezielles Schuhwerk oder Schuheinlagen seien nicht notwendig. Die von der Klägerin behaupteten Spät- und Dauerfolgen bestünden tatsächlich nicht; das Feststellungsbegehren wäre daher – bei Kostenfolgen – auf die einzige mögliche Spätfolge einzuschränken gewesen. Da das Feststellungsbegehren massiv überschießend sei, hätte es zur Gänze abgewiesen werden müssen.
1.3.2.Die Berufung unterlässt es, sich mit der vom Erstgericht zitierten Rechtsprechung auseinanderzusetzen: In der Regel ist eine Feststellungsklage dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RIS-Justiz RS0038817). Bleibt aber die Möglichkeit offen, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, ist ein Feststellungsinteresse anzuerkennen (RIS-Justiz RS0038865). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO genügt daher bereits der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht auszuschließen sind; konkrete Angaben über die Art der zu erwartenden Schäden sind nicht erforderlich (OGH 2 Ob 187/00i mwH; RIS-Justiz RS0038949 [T6]). Das Vorliegen von Dauerfolgen impliziert die Möglichkeit, dass das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte und rechtfertigt daher ein Feststellungsbegehren; das Feststellungsinteresse wäre lediglich dann zu verneinen, wenn zukünftig eintretende Schäden schlechthin und absolut auszuschließen wären (RIS-Justiz RS0038920). Daraus erhellt, dass weder eine „ Einschränkung“ noch eine Abweisung des Feststellungsbegehrens angezeigt ist (idS etwa OGH 9 Ob 30/14y).
Klarzustellen ist lediglich im Spruchpunkt 2. des angefochtenen Urteils, dass sich die Haftungsfeststellung nur auf zukünftige kausale Schäden bezieht; von anderen Schäden war – wie sich schon aus der Klagserzählung ergibt – im Prozess nie die Rede (ON 1, S 2 f).
2.1. Die Berufung der Klägerinwendet sich gegen die erstgerichtliche Mitverschuldensabwägung. Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung OGH 2 Ob 83/24f betreffe einen anders gelagerten Sachverhalt. Die dortige Klägerin sei in ihrer Arbeitsstätte auf einem feuchten Linoleumboden ausgerutscht. Sie habe um die täglichen Reinigungsarbeiten gewusst, hätte diese ins Kalkül ziehen und auf den Boden vor ihr achten müssen, um die Feuchtigkeit rechtzeitig erkennen zu können. Hier sei die Klägerin beim Verlassen des Geschäftes aufgrund einer 10 cm tiefen Mulde am Boden zu Sturz gekommen. Modegeschäfte würden durch das Positionieren der Kleidung in den Schaufenstern (potentielle) Kunden bewusst von der eingeschlagenen Wegstrecke ablenken und Kunden durch das Zurschaustellen der Verkaufsware in den Schaufenstern in das Geschäft locken. Die Klägerin betrete das Geschäft der Beklagten nicht täglich, wie es bei einem Arbeitsplatz der Fall sei. Hinzukomme, dass sich der Sturz der Klägerin am 22. November 2023 gegen 17:00 Uhr ereignet habe, als es bereits dunkel gewesen sei. Die Unebenheit im Boden habe zumindest seit Mitte November 2023 bestanden und sei für die Mitarbeiter des von der Nebenintervenientin beigezogenen Fachunternehmens am 20. November 2023 erkennbar gewesen. So wie unmittelbar nach dem Unfall hätte die Beklagte ohne großen Aufwand lediglich ein Hütchen aufzustellen müssen, um den Gefahrenbereich abzusichern. Der Klägerin hingegen sei allenfalls ein minimaler Aufmerksamkeitsfehler vorwerfbar. Sie habe bei der Beklagten einen Wintermantel gekauft und beim Verlassen des Geschäftes eine größere Einkaufstasche getragen; sie habe „ natürlich “ auch auf den anderen Verkehr achten und nicht mit einer derartigen Mulde im Boden rechnen müssen.
2.2. Diese Ausführungen entfernen sich in mehreren Punkten von den erstgerichtlichen Feststellungen:
So wurde von der Klägerin (anders als von der Beklagten: ON 3, S 2 und ON 7, S 2) zu den Lichtverhältnissen im Unfallzeitpunkt in erster Instanz kein Tatsachenvorbringen erstattet, sodass dazu in weiterer Folge auch keine Feststellungen zu treffen waren. Diesbezüglich ist anzumerken, dass das Erstgericht die Lichtverhältnisse insofern thematisierte, als es beim Lokalaugenschein zweckmäßigerweise ein Lichtbild von den Spots im Eingangsbereich oberhalb der Unfallstelle anfertigte (ON 14, S 4 und 9; vgl auch S 7). Auch in diesem Kontext brachte die Klägerin nicht vor, dass diese Spots die Unfallstelle nur unzureichend beleuchtet und auch schlechte Lichtverhältnisse den Unfall mitverursacht hätten.
Dass die Klägerin beim Verlassen des Geschäftes eine „ größere Einkaufstasche “ zu tragen gehabt hätte, ist ebenfalls nicht festgestellt. Festgestellt ist – übrigens in Übereinstimmung mit der Aussage der Klägerin („ Ich hatte einen voluminösen Wintermantel über dem linken Unterarm geschwungen “: ON 14, S 2) – vielmehr, dass die Klägerin den Mantel über dem Unterarm trug. Sie transportierte den Wintermantel also nicht in einer Einkaufstasche.
Auch die Tiefe der Mulde im Boden ist nicht festgestellt. Die behaupteten 10 cm wurden von der Streithelferin der Beklagten konkret bestritten (ON 8, S 3). Beweisergebnisse dazu liegen nicht vor, insbesondere ist eine zentimetergenaue Abschätzung anhand des Lichtbildes mit dem Regenschirm nicht möglich. Das Feststellungsdefizit ist offenkundig nicht auf einen Rechtsirrtum des Erstgerichts, sondern auf einen Mangel an Beweisergebnissen zurückzuführen, sodass auch kein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt.
2.3. Dass auch die Klägerin die Bodenunebenheit erkennen hätte können, hätte sie auf ihren Weg geachtet, liegt auf der Hand und wird auch von der Berufung (mit Recht) nicht ernsthaft infrage gestellt. Dass ein „ Vor-die-Füße-schauen“ von jedem Fußgänger, daher auch von der Klägerin, die sich ohne weiteres ungehinderte Sicht auf die Unfallstelle verschaffen hätte können, zu verlangen ist, entspricht höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0027447).
Betreffend die Sorglosigkeit der Beklagten ist zunächst zu bedenken, dass zu OGH 10 Ob 50/04g eine 5 bis 6 cm hohe Asphaltbeule mit einem Durchmesser von etwa 15 cm als nicht haftungsbegründend beurteilt wurde, zumal „ eine ballsaalähnliche Oberflächenstruktur der Gehsteige auch im städtischen Bereich nicht angestrebt werden “ muss. Hier allerdings ist – wie die Klägerin zu Recht betont – nicht von einem allgemeinen städtischen Bereich auszugehen. Geschäfte und Auslagen sind aber Umstände, die die Sorgfaltsanspannung erfahrungsgemäß beeinträchtigen können (so schon OGH 7 Ob 589/89). So musste auch die Beklagte eine Aufmerksamkeitseinschränkung ihrer Kunden durch das anstehende oder erst kurz zurückliegende Einkaufen wie auch durch das Wegschaffen der Einkäufe einkalkulieren. Die hier zweifelsfrei vorliegende „ Stolperfalle “ ist daher für die Kunden wohl schwerer zu erkennen als für die Beklagte, deren Mitarbeiter täglich vor Ort sind, sodass das Belassen dieser „ Stolperfalle “ haftungsbegründend ist (unabhängig von der Frage, ob der Halter einer öffentlichen Verkehrsfläche annehmen dürfte, dass ein aufmerksamer Fußgänger der durch die Unebenheit verwirklichten Gefahr auch selbst begegnen könnte).
2.4.Die Abwägung des Mitverschuldens ist stets eine einzelfallabhängige Ermessensentscheidung; die Entscheidung OGH 2 Ob 83/24f ist daher nur bedingt für den hier zu beurteilenden Sachverhalt hilfreich. Wenn sich das Verhältnis nicht bestimmen lässt, ordnet § 1304 ABGB eine Haftung zu gleichen Teilen an. Das scheint auch hier geboten: Der Klägerin ist zuzugestehen, dass ihr kein grober Verhaltensvorwurf gemacht werden kann. Das Übersehen der Bodenunebenheit stellt eine Nachlässigkeit dar, wie sie jedem auch sonst aufmerksamen Kunden eines Kaufgeschäftes einmal unterlaufen kann. Das gilt aber sinngemäß auch für die Kaufhausbetreiberin. Sie konnte zwar die Unebenheit als solche leichter erkennen als die Klägerin, weil ihre Mitarbeiter täglich vor Ort waren. Nicht ganz so einfach zu erkennen war allerdings, dass ihre Kunden nicht in der Lage sein würden, dieser in ähnlicher Form auch andernorts durchaus vorkommenden schadhaften Stelle im Boden nicht durch eigene Aufmerksamkeit hinreichend zu begegnen.
3.1. Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.
3.2.Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO:
Die Klägerin ist aufgrund des Unterliegens mit ihrer Berufung gegenüber der Beklagten und der Nebenintervenientin kostenersatzpflichtig. Die Beklagte hat allerdings keine Kosten für ihre Berufungsbeantwortung verzeichnet, sodass ihr kein Kostenersatz zugesprochen werden kann. Die Nebenintervenientin hat ihre Kosten korrekt verzeichnet.
Die Beklagte ist mit ihrer Berufung ebenfalls unterlegen und daher der Klägerin kostenersatzpflichtig. Die Klägerin hat allerdings nur die Berufung der Beklagten beantwortet, sodass ihr der verzeichnete Streitgenossenzuschlag nicht gebührt.
3.3. Der Bewertungsausspruch orientierte sich an der nicht beanstandeten Bewertung des Feststellungsinteresses durch die Klägerin; im Übrigen war die Summe der mit den Berufungen angestrebten Änderungen maßgeblich ( Lovrekin Fasching³ § 502 ZPO Rz 134).
3.4. Die ordentliche Revision ist aufgrund der Einzelfallbezogenheit und der hinreichend geklärten Rechtslage nicht zulässig.