JudikaturOLG Linz

11Ra29/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei Mag. A* , geboren am **, Angestellter, **-Straße **, **, vertreten durch Prof. Haslinger Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei B* C* GesmbH (FN **), **straße **, E**, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Kündigungsanfechtung (Cga1*) und Entlassungsanfechtung (Cga2f*), hier wegen Ablehnung des Richters Mag. D* E*, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 20. Mai 2025, Nc* 3, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht behängt zu Cga1* (hiemit verbunden Cga2*) ein Arbeitsrechtsstreit. Der Kläger begehrt im Verfahren zu Cga1* die Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung vom 24.3.2023 nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG und im Verfahren zu Cga2* die Rechtsunwirksamerklärung der Entlassung vom 20.9.2023.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagen. Der Kläger sei nicht aufgrund der von ihm angeführten Umstände, sondern aufgrund seiner schwierigen Persönlichkeit und im Detail dargelegt mangelhaften Arbeitsleistung gekündigt worden. Die Kündigung sei auch nicht sozialwidrig. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil der Kläger im Schriftsatz vom 15.9.2023 (ON 12 im Verfahren zu Cga1*) einen Vorgesetzten und eine Mitarbeiterin wahrheitswidrig in ehrverletzender und kreditschädigender Weise verunglimpft habe.

Vor Durchführung einer weiteren Verhandlung am 25.3.2025 lehnte der Kläger mit Schriftsatz vom 24.3.2025 den Vorsitzenden Mag. D* E* als befangen ab. Zur Begründung brachte er zusammengefasst vor, dass der Kläger mit Mag. F* E*, ein Cousin des abgelehnten Richters, bei der G* H* GmbH zusammengearbeitet und dabei mit diesem die Bilanzen für das Jahr 2004 zu erstellen gehabt habe. Im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses sei es zu einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und seinem Dienstgeber gekommen. In diesem Rechtsstreit habe der Kläger dem Cousin mögliche Malversationen der Bilanzen und Unregelmäßigkeiten im Rechnungswesen vorgeworfen. Dieser Rechtsstreit sei verglichen worden. Daran anschließend seien Rechtsstreite über das Dienstzeugnis des Klägers durchgeführt worden, die letztlich 2018 (?) beendet worden seien. Im Jahr 2015 habe der Kläger Recherchen über seine Streitigkeiten im Zusammenhang mit dessen ehemaligen Arbeitgeber und zusätzlich für eine neue Schadenersatzklage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber wegen der möglichen Malversationen und Unregelmäßigkeiten im Rechnungswesen angestellt. Dazu habe er Akteneinsicht in den Rechtsstreit der G* mit dem ehemaligen Betriebsleiter I* beantragt, welche letztlich nicht gewährt worden sei. Ende Februar 2025 habe der Kläger erfahren, dass das Dienstverhältnis des Cousins im Frühjahr 2016 nach rund 20 Jahren Tätigkeit im Konzern der G* beendet worden sei. Aus dem veröffentlichten Lebenslauf des Cousins schließe der Kläger, dass dieser den G*-Konzern nicht aus eigener Motivation verlassen habe, sondern in Zusammenhang mit den Vorwürfen des Klägers und den damit verbundenen Rechtsstreiten. Nach dem Kenntnisstand des Klägers wisse der abgelehnte Richter von den Malversations- und Unregelmäßigkeitsvorwürfen gegenüber seinem Cousin, die der Kläger erhoben habe, und den diesbezüglichen Gerichtsverfahren. Der Arbeitsplatzverlust und der Verlust von Abteilungsleiterfunktionen des Cousins eines Richters in Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten, in denen es auch um Malversations- und Unregelmäßigkeitsvorwürfe gegen den Cousin ging, sei bei objektiver Betrachtung geeignet, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Ein solcher Vorfall innerhalb der Familie eines Richters sei geeignet, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler die volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

Die Beklagte hat sich zum Ablehnungsantrag nicht geäußert.

In seiner Stellungnahme zum Ablehnungsantrag äußerte der abgelehnte Richter , sich nicht für befangen zu erachten. Über die vom Kläger angesprochenen Verfahren habe er nur ganz am Rande etwas mitbekommen; insbesondere sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der Kläger dort seinem Cousin angeblich Malversationen vorgeworfen habe. Er habe auch keine Ahnung, was Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses seines Cousins zum G-Konzern gewesen sei. Schon gar nicht hätte er den Kläger damit in Verbindung gebracht. Er habe natürlich mit seinem Cousin über die Beendigung seines Dienstverhältnisses gesprochen; nie habe dieser dabei auch nur mit einem Wort den Kläger erwähnt oder irgendwelche Andeutungen in seine Richtung gemacht. Er nehme daher an, dass auch sein Cousin den Kläger nicht als ursächlich für die Beendigung seines Dienstverhältnisses sehe.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Ablehnungsantrag zurück. Der Kläger behaupte einzig auf Grund eines während seiner im Laufe des zweijährigen Verfahrens durchgeführten Recherchetätigkeiten aufgefundenen Lebenslaufes des Cousins des Richters, dass der Kläger ursächlich dafür gewesen sei, dass der Cousin des Richters vor mittlerweile neun Jahren seine Tätigkeit bei der G* beenden habe müssen und die vom Kläger erhobenen Vorwürfe dafür ursächlich gewesen wären. Abgesehen davon, dass es sich um reine Mutmaßungen des Klägers handle, sei auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger sofern er diese Mutmaßungen überhaupt ernsthaft für zutreffend hält seine Behauptungen nicht bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt kundtat. Dies, zumal der Umstand, dass der abgelehnte Richter der Cousin von Mag. F* E* ist, dem Kläger offenkundig schon seit langem bekannt gewesen sei und sich die vom Kläger behaupteten Malversationen schon vor über zwei Jahrzehnten zugetragen haben sollten. Dass der abgelehnte Richter in diesem langwierigen Verfahren ein parteiisches Verhalten an den Tag gelegt hätte, werde vom Kläger ohnedies nicht behauptet; eine derartige Behauptung wäre auch vollkommen haltlos und unbegründet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Stattgebung des Ablehnungsantrags samt Nich-tigerklärung der beiden Arbeitsrechtsverfahren.

Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs sieht eine Befangenheit des abgelehnten Richters in den vom Kläger in seinem Ablehnungsantrag dargelegten Umständen. Dabei handle es sich nicht um „reine Mutmaßungen“, sondern um einen sich anhand objektiver Kriterien auch gegenüber objektiven Dritten zeigenden Sachverhalt. Der Ablehnungsantrag sei auch nicht verspätet. Im Übrigen würden auch im Detail dargelegte subjektive Wahrnehmungen des Klägers für eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters sprechen.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RS0046024 [T2]), insbesondere wenn er nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RS0046024 [T3]). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949), soll doch schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RS0045949 [T4]; vgl auch RS0046052). Allerdings soll es durch die Regelungen über das Ablehnungsrecht nicht ermöglicht werden, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RS0046087, RS0109379).

1.2 Gemäß § 22 JN sind zugleich mit der Ablehnung die Umstände genau anzugeben, welche die Ablehnung begründen und glaubhaft machen (RS0045962 [T14]).

2.1 In seinem Ablehnungsantrag hat sich der Kläger ausschließlich auf Angaben in einem vom Cousin des abgelehnten Richters veröffentlichten Lebenslauf berufen mit seiner daraus gezogenen Schlussfolgerung, dass der Cousin den G*-Konzern in Zusammenhang mit den Vorwürfen des Klägers und den damit verbundenen Rechtsstreiten verlassen habe. Dafür gibt es allerdings bei der gebotenen objektiven Prüfung keine Anhaltspunkte. Zum einen ist nicht ersichtlich, warum eine Vertragsbeendigung im Frühjahr 2016 in einem Konnex zu Vorwürfen stehen soll, die der Kläger gegen den Cousin in einem am 2.9.2005 durch Vergleich beendeten Arbeitsgerichtsverfahren (Cga3* des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht) erhoben hat. Zum anderen war der Cousin nach dem Inhalt des Lebenslaufs nach seiner bis Juni 2007 andauernden Tätigkeit bei der G* H zunächst von Juli bis September 2007 bei der G* J*, **, und in weiterer Folge bei der G* K* GmbH beschäftigt (Beilage ./F im Grundakt); die Begründung weiterer Beschäftigungsverhältnisse im G*-Konzern spricht dafür, dass die vom Kläger gegen den Cousin erhobenen Vorwürfe einer weiteren Beschäftigung im G*-Konzern nicht abträglich waren und die Vertragsbeendigung im Frühjahr 2016 damit in keinem Zusammenhang stand. Damit hätte der Kläger aber bereits im Ablehnungsantrag näher darlegen müssen, warum die von ihm gegen den Cousin des abgelehnten Richters erhobenen Vorwürfe maßgeblich für die Vertragsbeendigung im Frühjahr 2016 gewesen sein sollen, wird doch nur daraus im Ablehnungsantrag eine mögliche Unbefangenheit des abgelehnten Richters abgeleitet. Eine solche Begründung (samt Bescheinigung) unterblieb jedoch, weshalb in Übereinstimmung mit dem Erstgericht eine Befangenheit des abgelehnten Richters nicht vorliegt.

2.2 Damit erübrigt sich eine nähere Befassung mit der vom Rekurs relevierten weiteren Frage, ob der Kläger den Ablehnungsantrag fristgerecht gestellt hat.

3. Vom Rekurs zudem geltend gemachte „subjektive Wahrnehmungen“ des Klägers, die für eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters sprechen würden, wurden im erstinstanzlichen Verfahren vom Kläger nicht geltend gemacht, weshalb die Rekursausführungen insoweit gegen das auch im Rechtsmittelverfahren über Ablehnungsanträgewie im arbeitsgerichtlichen Prozess bei qualifizierter Vertretung (§ 63 Abs 1 ASGG)geltende Neuerungsverbot verstoßen (RS0006000 [T13]).

4. Insgesamt war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

5. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 24 Abs 2 JN (RS0046065 [T2], RS0074402 [T13 bis T15], RS0098751, RS0122963). § 24 Abs 2 JN ist eine Sonderregelung über die Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Ablehnung von Richtern, die jede allgemeine Regel über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen verdrängt (RS0046010).