8Bs108/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen der Staatsanwaltschaft Steyr und des Angeklagten jeweils wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 18. Februar 2025, Hv*-34, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Breier und des Verteidigers Dr. Veit, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung am 8. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird keine Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen Teilfreispruch sowie ein unbekämpft gebliebenes Einziehungserkenntnis enthält, wurde der am ** geborene A* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 StGB nach § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreißig Monaten sowie zum Kostenersatz verurteilt. Gemäß § 43a Abs 4 StGB wurde ein Strafteil von zwanzig Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Inhaltlich des Schuldspruchs hat A* am 27. Juni 2024 in **
(A) B* C* D* absichtlich schwer am Körper verletzt, indem er ihr zumindest einen Headbutt und einen Fußtritt gegen die linke Rippenseite versetzte, wodurch sie insgesamt einen verschobenen Nasenbeinbruch sowie Prellungen und Hämatome im Bereich des linken Brustkorbs erlitt;
(B) wenn auch nur fahrlässig eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring, unbefugt besessen, indem er ihn in seinem Schlafzimmer auf der Kommode aufbewahrte.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie das teilweise Geständnis als mildernd, und zog das tatmehrheitliche Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die Tatbegehung gegen eine Angehörige (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) als Erschwerungsgründe ins Kalkül.
Die Anklagebehörde beantragt mit ihrem Rechtsmittel die Verhängung einer höheren und gänzlich unbedingten Freiheitsstrafe; der Angeklagte strebt hingegen die Herabsetzung der Sanktion unter Anwendung gänzlich bedingter Strafnachsicht an.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Angeklagte mit Hinweis auf massive Provokationen von Seiten des Tatopfers einen weiteren Milderungsgrund für sich zu reklamieren sucht, ist auf die Feststellungen des Erstgerichts zu verweisen, wonach sich infolge wechselseitigerProvokationen ein Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin entwickelt hat, nachdem der Angeklagte zuvor betrunken von seinem Bruder nach Hause gekommen war (US 3). Eine gegen den Täter wirksam gewordene bewusste Provokation des Opfers kann den Gesinnungsunwert zwar mindern und somit die Schuld reduzieren (RIS-Justiz RS0091785; 12 Os 106/88; Riffelin WK² StGB § 32 Rz 82 mwN); wenn allerdings – wie fallkonkret konstatiert – die tatauslösenden Umstände der Norm gleichgelagerter Auseinandersetzungen entsprechen, kann keine strafmindernde Provokation angenommen werden (12 Os 157/94; 15 Os 157/02; OLG Wien 32 Bs 194/23y ua). Im Übrigen lässt sich den insoweit unbedenklichen Urteilsfeststellungen kein provozierendes Verhalten des Opfers entnehmen, welches darauf abgezielt hätte, den Angeklagten zu Gewalttätigkeiten herauszufordern. Der im Ersturteil konstatierte Tritt der B* D* gegen den Angeklagten (US 3) war hingegen – nach Art einer Verteidigungs- und Abwehrhandlung des Opfers – bereits eine Folge der ausschließlich seitens des Angeklagten gesteigerten Auseinandersetzung (vgl OLG Wien 19 Bs 20/18g), zumal er zuvor die Badezimmertüre aufgetreten hatte.
Die Verantwortung des Angeklagten, wonach er den Fußtritt als Notwehrhandlung darzustellen versuchte (ON 33, 3) sowie hinsichtlich des Kopfstoßes bereits die Wollenskomponente des Tatvorsatzes negierte, indem er angab, er habe D* nicht verletzen wollen und sei nur „zu ihr hingestartet“, ohne mit dem Kopf ausgeholt zu haben (ON 33, 3 und 5), wirkt – als Zugeständnis bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens – unter dem Aspekt der Reumütigkeit (12 Os 37/04 = RIS-Justiz RS0091585 [T12]) nicht mildernd. Das bereits in der Hauptverhandlung vom 21. Oktober 2024 (ON 21, 2 ff; vgl auch US 5) abgelegte Tatsachengeständnis zu den gesetzten Tätlichkeiten ist hingegen als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB; vgl RIS-Justiz RS0091460, RS0091510) – ungeachtet der Abschwächung in der Hauptverhandlung vom 18. Februar 2025 (vgl RIS-Justiz RS0091473 und RS0091510) – mildernd zu berücksichtigen, wobei die objektiven Tätlichkeiten in Form eines Headbutt sowie eines Fußtritts – vor dem Hintergrund der teils widersprüchlichen Angaben der Zeugin D* – auch auf Basis dieser (insofern übereinstimmenden) Angaben des Angeklagten (US 5) festgestellt wurden. Dieser Milderungsgrund ist allerdings bloß moderat zu gewichtigen.
Hinsichtlich der tatsachengeständigen Verantwortung zum Besitz des Schlagringes (ON 21, 4; ON 33, 2), ist hingegen ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung in Anbetracht der Sicherstellung der verbotenen Waffe im Zuge des Polizeieinsatzes vom 27. Juni 2024 (ON 6.14, 3) und des Umstands, dass der Besitz iSd § 50 WaffG auf den rein faktischen Gewahrsam ohne Besitzwillen abstellt (RIS-Justiz RS0010122, RS0081998, RS0082000), nicht zu erblicken. Mit seiner auf einen Verbotsirrtum (§ 9 StGB; vgl 15 Os 117/14s; 12 Os 107/15z) hinauslaufenden Aussage, dass er nicht gewusst habe, dass ein Schlagring eine verbotene Waffe sei, hat sich der Angeklagte im Übrigen auch von jeder reuigen Schuldeinsicht distanziert. Dass die verbotene Waffe auf der Kommode im Schlafzimmer aufgefunden wurde und sich in einem Haushalt befand, in welchem auch minderjährige Kinder aufhältig sind, wirkt per se jedoch nicht erschwerend.
Allerdings ist dem Angeklagten angesichts der im Ersturteil konstatierten Alkoholisierung (US 3), womit eine den Schuldvorwurf schmälernde Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zum Ausdruck gebracht wird, ohne dass Hinweise für konkrete Umstände vorliegen, aus denen ein Vorwurf an der Berauschung abzuleiten wäre (vgl hiezu Riffelin WK² StGB § 35 Rz 4 mwN), zusätzlich der Milderungsgrund nach § 35 StGB zuzusprechen.
Bei objektiver Abwägung dieser leicht modifizierten Strafzumessungslage und der allgemeinen Erwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB erweist sich die vom Erstgericht verhängte Sanktion – ungeachtet des ordentlichen Lebenswandels des Angeklagten und des mit Blick auf die konstatierten Verletzungen eher durchschnittlichen Erfolgsunwerts – in Anbetracht des hohen Handlungs- und Gesinnungsunwerts beim Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung in Konvergenz mit Belangen der Generalprävention (RIS-Justiz RS0090753 und RS0090600; 15 Os 52/15d; Riffelin WK² StGB § 32 Rz 25) bezüglich derartiger, von einem hohen Aggressionspotential geprägten Fälle „häuslicher Gewalt“ als tat- und täteradäquat. Die vom Erstgericht unter Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu einem Viertel mit Augenmaß verhängte Sanktion ist daher in ihrer Höhe weder einer Reduktion zugänglich noch bedarf es einer weiteren Anhebung.
Der vom Angeklagten angestrebten gänzlich bedingten Strafnachsicht steht somit bereits die Höhe der tat- und schuldangemessenen Freiheitsstrafe entgegen. Aufgrund der Person des Angeklagten, bei dem es sich um einen Ersttäter handelt, und des Umstands, dass die strafsatzbestimmende Tat aus einer Konfliktsituation heraus entstanden ist, kann fallkonkret mit der von § 43a Abs 4 StGB geforderten hohen Wahrscheinlichkeit (vgl RIS-Justiz RS0092042 und RS0092045) von einem künftigen Wohlverhalten ausgegangen werden, wobei auch ins Gewicht fällt, dass es sich um einen einzigen punktuellen Vorfall gehandelt hat. Das fehlende Geständnis sowie eine mangelnde Schuldeinsicht schließen die Anwendung des § 43a Abs 4 StGB nicht schlechthin aus (RIS-Justiz RS0091916).
Die Probezeit im höchstmöglichen Ausmaß soll einen hinreichenden Beobachtungszeitraum sicherstellen.