11Rs40/25v – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **platz **, **, vertreten durch Mag. Peter Akkad, Rechtsanwalt in Pichl bei Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Landesstelle B*, **, **, wegen Entziehung des Rehabilitationsgeldes, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. März 2025, Cgs* 38, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
I. Die Eingaben der klagenden Partei vom 16. April 2025 (ON 46) und 17. April 2025 (ON 48), womit jeweils das von ihr zuvor erhobene Rechtsmittel (Rekurs) ergänzt wurde, werden zurückgewiesen.
II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Zu Punkt I.:
Jeder Partei steht nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zu. Weitere Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig.
Die nach Erstattung des Rekurses vom 3.4.2025 bzw der Verbesserung vom 9.4.2025 eingebrachten weiteren Schriftsätze des Klägers vom 16.4.2025 (ON 46) bzw 17.4.2025 (ON 48) sind daher zurückzuweisen (RS0041666, RS0100170 [T2]).
Zu Punkt II.:
Mit Bescheid vom 5.7.2022 hat die Beklagte das dem Kläger gewährte Rehabilitationsgeld per 31.8.2022 entzogen, weil vorübergehende Invalidität nicht mehr vorliege, und ausgesprochen, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien und kein Anspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.
Mit Beschluss vom 29.11.2022 (ON 2) wies das Erstgericht die mit Schreiben des Klägers vom 28.11.2022 gegen den vorangeführten Bescheid erhobene Klage zurück (Punkt 1.), wies einen (allfälligen) Antrag des Klägers, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagsfrist gegen den Bescheid der Beklagten vom 5.7.2022 zu bewilligen, ab (Punkt 2.) und wies den Antrag des Klägers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab (Punkt 3.).
Den dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs wies das Oberlandesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht mit Beschluss vom 8.5.2023 zu 11 Rs 36/23b als verspätet zurück (ON 15). Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter am 15.5.2023 zugestellt. Die vierzehntägige Frist zur Erhebung eines Revisionsrekurses verstrich reaktionslos.
Mit Anträgen vom 1. und 3.7.2024, letztlich verbessert mit Schriftsatz vom 25.7.2024 (ON 27 = ON 28), beantragte der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagsfrist und der Revisionsrekursfrist.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die Wiedereinsetzungsanträge ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass ein im Juli 2024 gegen die Versäumung der Klagsfrist gestellter Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls verspätet sei. Die Rekursentscheidung ON 15 sei dem Klagevertreter zugestellt worden; dieser hätte jedenfalls in der dafür vorgesehenen Rechtsmittelfrist die entsprechenden Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe einbringen können.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der (fristgerecht verbesserte) Rekurs des Klägers mit dem primär auf Stattgebung der Wiedereinsetzungsanträge gerichteten Abänderungsantrag.
Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs meint auf das Wesentlichste zusammengefasst, dass der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers im November 2022 auf die Haft abgezielt habe; jener vom 1.7.2024 beziehe sich auf das Verschulden des Verfahrenshelfers, dass der Kläger die Rekursentscheidung ON 15 erst am 30.6.2024 erhalten und dadurch Rechtsnachteile erlitten habe. Nicht einmal der Erstrichter habe dem Kläger erklären können, was er sonst hätte machen können, wenn der Verfahrenshelfer nach der Rekursentscheidung dem Rechtsirrtum aufgesessen sei, dass die Sache damit rechtskräftig erledigt sei und weitere Rechtsmittel nicht zulässig seien. Der Grund für die Säumnis sei jedenfalls nicht vom Kläger verschuldet.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Gemäß § 146 Abs 1 ZPO ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung gehindert wurde.
1.2 Eine Versäumung liegt nur vor, wenn eine Prozesspartei eine Prozesshandlung gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der zwingend vorgeschriebenen Form vornimmt (RS0036149).
1.3 Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens, das heißt leichte Fahrlässigkeit, handelt. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben; er darf somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in diesem Sinn außer Acht gelassen haben (RS0036800). An das Maß der zur Annahme eines unvorhergesehenen Ereignisses erforderlichen Aufmerksamkeit und Voraussicht ist zwar ein strenger Maßstab anzulegen, doch darf dies nicht zu einer Überspannung der an die Partei oder an deren Vertreter zu stellenden Anforderungen führen. Es ist jenes Maß zu fordern, wie es nach der Lebenserfahrung von einer vernünftigen und durchschnittlich gewissenhaften Person angesichts der Bedeutung der vorzunehmenden Handlung unter den gegebenen Umständen aufgewendet zu werden pflegt (RS0036696).
2.1 Gemäß § 148 Abs 2 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist und kann nicht verlängert werden. Sie ist eine Notfrist (§ 128 Abs 1 ZPO). Der Wiedereinsetzungswerber hat den Tag zu bescheinigen, an dem das Hindernis weggefallen ist, weil der die Wiedereinsetzungsfrist auslösende Tag des Wegfalls des die Versäumung verursachenden Hindernisses nicht von vornherein mit jener Eindeutigkeit festzulegen ist wie etwa das den Ablauf der Rechtsmittelfrist auslösende Ereignis (10 Ob 59/08m = RS0036627 [T1]).
2.2 Der Lauf der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags beginnt nicht zwingend erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern bereits mit seiner möglichen Aufklärung. Es kommt darauf an, wann das die Versäumung verursachende Ereignis hätte wegfallen können (RS0036608). Ist die Prozesshandlung durch einen Irrtum versäumt worden, beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dessen möglicher Aufklärung, sofern diese durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist (RS0036742). Es kommt also darauf an, wann die Partei die versäumte Prozesshandlung hätte nachholen können (RS0036621; vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5§§ 148-149 Rz 8 mwN). Grobes Verschulden des Parteienvertreters ist der Partei zuzurechnen (RS0036729, RS0111777). Auch Gründe, die im Verhältnis zwischen Mandanten und Vertreter liegen, fallen stets in die Sphäre des Vertretenen und gehen zu dessen Lasten (RS0036729 [T1]).
3. Gründe, die für eine fristgerechte Antragstellung in Bezug auf die Versäumung der Klagsfrist sprechen, gehen aus dem Rekurs nicht hervor. Vielmehr meint der Rekurs, dass bereits in der Eingabe vom 28.11.2022 vom Kläger dargelegt worden sei, dass ihm ein fristgerechter Antrag aufgrund der unerwarteten Untersuchungshaft nicht möglich gewesen sei, weshalb es sich bei dieser Eingabe dem Inhalt nach um einen „Wiederaufnahmeantrag“ (offensichtlich gemeint: Wiedereinsetzungsantrag) gehandelt habe. Andere Umstände, die den Kläger von der Einhalt der Klagsfrist abgehalten hätten, werden im Rekurs nicht releviert. Damit ist aber dem Erstgericht beizupflichten, dass ein im Juli 2024 gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagsfrist außerhalb der vierzehntägigen Frist des § 148 Abs 2 ZPO erfolgte.
4. Weiters behauptet der Rekurs die fristgerechte Stellung eines Wiedereinsetzungantrages gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist, die dem Kläger für die Bekämpfung der Rekursentscheidung ON 15 offen stand. In diesem Zusammenhang wird allerdings nur die irrige Annahme des dem Kläger beigegebenen Verfahrenshelfers, dass ein weiteres Rechtsmittel nicht möglich sei, angeführt. Damit wird gegebenenfalls ein grob schuldhafter Fehler des rechtsanwaltlichen Vertreters dargelegt; dieser steht aber der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegen.
5. Insgesamt folgt daraus, dass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.
6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Mangels tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten des Verfahrens kommt ein Kostenersatzanspruch des Klägers nach Billigkeit nicht in Betracht.
7. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.