2R51/25w – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Insolvenzeröffnungssache der Antragstellerin Österreichische Gesundheitskasse , **, **, wider den Antragsgegner A* B* , geb. **, Transportunternehmer, **, **, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 19. März 2025, Se*-9 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Antragsstellerin begehrte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2025 über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Dieser schulde laut beiliegendem vollstreckbaren Rückstandsausweis den Betrag von EUR 4.206,26 zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen. Die Beitragsschuld sei trotz mehrmaliger Mahnung und trotz Exekutionsmaßnahmen weiterhin zur Gänze ausständig.
Die amtswegigen Erhebungen des Erstgerichtes ergaben mehr als zehn offene Exekutionsverfahren, wobei fünf Gläubiger Forderungen in Höhe von EUR 56.879,73 betreiben. Ein Vermögensverzeichnis wurde am 10. Februar 2025 abgelegt. Zu der für den 19. März 2025 anberaumten Einvernehmungstagsatzung erschien niemand. Die Ladung des Antragsgegners zum Termin wurde am 19. Februar 2025 zur Abholung hinterlegt und am 3. März 2025 von C* B* als Übernahmeberechtigte behoben. Hinweise auf eine in der Übernahmebestätigung erwähnte Erwachsenenvertetung liegen nicht vor.
Die Antragsstellerin hatte zur Tagsatzung schriftlich bekanntgegeben, dass seit der Konkursantragstellung der Rückstand zunächst auf EUR 4.228,15 und schließlich auf EUR 4.284,83 gestiegen sei und der Antragsgegner noch einen Dienstnehmer zu Versicherung gemeldet habe.
Mit dem angefochtenen Beschlusserklärte das Erstgericht den Antragsgegner für zahlungsunfähig, wies den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 71b IO ab und teilte mit, das Insolvenzverfahren nicht zu eröffnen. In seiner Begründung verwies es darauf, dass die von der Antragstellerin behauptete Forderung durch die dafür angebotene Titelurkunde in Form eines Rückstandsausweises vom 13. Februar 2025 über EUR 4.206,26 glaubhaft gemacht worden sei. Dem Schuldner sei Gelegenheit gegeben worden, zum Insolvenzantrag Stellung zu nehmen. Er habe sich am Insolvenzeröffnungsverfahren bei Gericht nicht beteiligt. Von weiteren Vermögenserhebungen insbesondere durch einen der Gläubigerschutzverbände sei abgesehen worden. Die Ergebnisse der zahlreichen anhängigen Exekutionsverfahren und das zuletzt am 10. Februar 2025 abgelegte Vermögensverzeichnis ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass tatsächlich Insolvenz gegeben sei und auch der Kostenvorschuss für die Insolvenzeröffnung nicht aufgebracht werden könne. Beim Antragsgegner ergebe sich keine Kostendeckung. Ein Anfechtungsvolumen beim Antragsteller sei ausreichend gesichert nicht gegeben, sodass ein Kostenvorschuss nötig gewesen wäre. Die Antragstellerin sei zum Erlag eines Kostenvorschusses nicht bereit gewesen, sodass der Abweisungsgrund des § 71b IO gegeben sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem erkennbaren Antrag, den Insolvenzantrag abzuweisen. Er macht geltend, er habe den Brief der Ladung nicht rechtzeitig erhalten, weil dieser im Postkasten seines Nachbars gelandet sei. Er habe von Dezember 2024 bis Februar 2025 saisonbedingt wenig Aufträge erhalten. Seit März 2025 habe er wieder ausreichend Arbeit und könne nun die gesamte Forderung der Antragstellerin begleichen.
Die Antragsstellerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Es sei seit der erstgerichtlichen Entscheidung weder eine Kontaktaufnahme durch den Antragsgegner noch eine Zahlung am Beitragskonto erfolgt.
Mit E-Mail vom 14. April 2025 legte der Antragsgegner eine Bestätigung über die Anweisung von EUR 4.306,76 an die Antragstellerin vor.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Was den behaupteten Zustellmangel betrifft, ist auf den unbedenklichen Zustellnachweis zu verweisen. Demnach ist die Zustellung der Ladung zur Einvernahmetagsatzung gemäß § 17 Abs 2 iVm § 16 ZustG ordnungsgemäß erfolgt. Eine Zustellung an einen ohnehin nicht näher konkretisierten Nachbarn ergibt sich daraus nicht:
Die vom Zustellorgan erstellten Zustellnachweise nach § 22 ZustG sind öffentliche Urkunden, die zunächst vollen Beweis darüber erbringen, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge auch eingehalten wurden. Der Zustellnachweis begründet somit die Vermutung der vorschriftsmäßigen Zustellung und es ist Sache desjenigen, der die Unwirksamkeit einer Zustellung behauptet, den Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Zustellung zu führen (RS0040471, RS0040473; Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 22 ZustG Rz 2). Wer diesen Gegenbeweis führen will, darf sich nicht bloß auf die Behauptung der Unrichtigkeit der Urkunde beschränken, sondern muss konkrete Tatsachen anführen, aus denen sich diese Unrichtigkeit ergibt, und sie auch beweisen (RS0040507). Die Zustellmängel müssen vom Adressaten zumindest glaubhaft gemacht werden (6 Ob 93/09h). Es bedarf somit konkreter Darlegungen über den Zustellmangel und eines entsprechenden Bescheinigungsanbots.
Fallkonkret reicht die bloße Behauptung des Antragsgegners, wonach die Sendung im Postkasten seines Nachbarn gelandet sei, nicht aus, um das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung darzulegen und wurden dafür auch keine Bescheinigungsmittel vorgelegt oder angeboten. Der behauptete Zustellmangel liegt nicht vor und ist die (erkennbar) ins Treffen geführte Nichtigkeit des Verfahrens zu verneinen.
Der Antragsgegnerhat die Einvernahmetagsatzung insofern unentschuldigt unbesucht gelassen. Daher ist davon auszugehen, dass die Frage der Zahlungs(un)fähigkeit vom Rekursgericht grundsätzlich nur auf Basis der bei erstinstanzlicher Beschlussfassung gegebenen Aktenlage geprüft werden kann. Nach § 259 Abs 2 IO können nämlich Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Somit ist es dem Antragsgegner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage ihrer Zahlungs-(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat ( Mohr, IO [2012], § 70 E 212 und § 71c E 14; OLG Linz 8.10.2013, 2 R 158/13p; 21.8.2014, 2 R 133/14p uva; OLG Graz 3 R 154/14p, ZIK 2015/37; RIS-Justiz RS0110967 T6 und RS0115313).
Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung lagen klare Anhaltspunkte für die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners vor. Der im Rückstandsausweis der Antragstellerin dokumentierte Zahlungsrückstand sowie die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erfolglosen und mehrfachen Exekutionsanträge sind hinreichendes Indiz für die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners.
Abgesehen davon ist dem Rekurs auch inhaltlich nichts zu entnehmen, was die vom Erstgericht bejahte Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners in Zweifel ziehen könnte. Selbst wenn das gänzliche Neuerungsverbot des § 259 Abs 2 IO nicht zur Anwendung gelangte, könnten im Rekurs gemäß § 260 Abs 2 IO nur neue Tatsachen angeführt werden, die bereits zur Zeit der Beschlussfassung erster Instanz entstanden (aber noch nicht aktenkundig) waren (nova reperta), nicht jedoch erst danach eingetretene Umstände (nova producta; RS0065013 [T1, T2]).
Der Umstand, dass d e r Antragsgegner seine Beitragsschuld gegenüber der Antragstellerin nunmehr bezahlt hat, kommt deshalb zu spät und kann keine Berücksichtigung mehr finden.
Wenn der Schuldner im Rekurs (erkennbar) geltend macht, die Zahlungsrückstände seien aufgrund saisonbedingt schlechter Auftragslage entstanden und nunmehr überwunden, vermag er – ungeachtet des Neuerungsverbotes – keine Umstände darzutun, welche die nach der Aktenlage gegebene Zahlungsunfähigkeit entkräften. Ist wie hier das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit – insbesondere aufgrund anhängiger Exekutionen und bestehender Rückstände mit Sozialversicherungsbeiträgen – indiziert, dann liegt es am Schuldner, das Gegenteil bzw das Vorliegen einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung zu bescheinigen. Dazu ist es notwendig, das gesamte bestehende Obligo offenzulegen und – etwa durch Vorlage eines entsprechenden Finanz- bzw Tilgungsplans – das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Begleichung aller fälligen Verbindlichkeiten bzw die Möglichkeit der raschen Rückkehr zu einer pünktlichen Zahlungsweise gegenüber allen Gläubigern zu dokumentieren ( MohraaO, § 70 E 235 ff). Bloß die Forderung des Insolvenzantragstellers zu berichtigen und sich nicht zu den sonstigen (insbesondere den exekutiv betriebenen) Verbindlichkeiten zu äußern, reicht dafür bei Weitem nicht aus (vgl § 70 Abs 4 IO).
Gegen die Annahme des Fehlens kostendeckenden Vermögens bestehen keinerlei Bedenken. Auch der Schuldner vermag dagegen nichts Substanzielles vorzubringen. Diese Annahme wird bestätigt durch das erst kürzlich am 10. Februar 2025 vor dem Bezirksgericht Linz, E*, abgegebene Vermögensverzeichnis nach § 47 EO.
Ausgehend vom maßgeblichen Akteninhalt zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses erweist sich dieser als nicht korrekturbedürftig. Der Rekurs bleibt daher erfolglos. Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 IO iVm 528 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.