10Bs40/25s – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 29. November 2024, Hv*-13, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Winkler LL.M. und des Verteidigers Mag. Ruckensteiner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. April 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit dem angefochtenen Urteil (das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält) wurde der ** geborene A* des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1) StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 129 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat er am 15. April 2024 in B* fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Schlüsselbund, eine Dose Tabak, eine Packung Tabakpapier und eine Dose Feuerzeuggas in nicht näher feststellbaren, jedenfalls einen EUR 50,00 nicht übersteigenden Wert, der Verlassenschaft nach C* aus dessen vormaliger Wohnung mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dies unter Verwendung eines betrügerisch herausgelockten und somit widerrechtlich erlangten Wohnungsschlüssels, mithin durch Einbruch in eine Wohnstätte, indem er zuvor Mitarbeiter des D* B* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Behauptung, er sei der Sohn des am 13. April 2024 im D* B* verstorbenen C*, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe eines Schlüssels zur Wohnung des C*, verleitet hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Nichtigkeit, Schuld und des Ausspruchs über die Strafe vom Angeklagten angemeldete- und auch ausgeführte Berufung (ON 14, 15), mit der er als primäres Ziel die Aufhebung der Entscheidung anstrebt.
Die Berufung, zu der die Oberstaatsanwaltschaft eine Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) ist die Einhaltung der Grenzen, welche § 258 Abs 2 StPO der „freien“ Beweiswürdigung des Gerichts setzt. Die Erstrichterin stützte die Feststellung, wonach dem Angeklagten im Zuge der Übergabe der Hinterlassenschaft auch ein Schlüssel für die Wohnung des verstorbenen C* ausgehändigt wurde (US 3), zum einen auf die Angaben der Zeugen E* (AS 2f in ON 11), F* (AS4f in ON 11) und G* (AS 5f in ON 11) und zum anderen auf den Inhalt des vorliegenden Hinterlassenschaftsscheins (ON 2.7). Weil sich das Erstgericht aber auch mit den dazu im Widerspruch stehenden Angaben des Angeklagten argumentativ auseinandersetzte und sämtliche vorliegenden Beweisergebnisse (auch die [teils entlastenden] Aussagen der Zeugen H* I* und J* I*) den Gesetzen logischen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend würdigte, liegt – entgegen der Mängelrüge (ihre gesetzmäßige Ausführung fordert nämlich die Beachtung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe [ Kirchbacher StPO 15 § 281 Rz 46]) – eine unvollständige oder unzureichende Begründung iSd Z 5 zweiter und vierter Fall nicht vor (RIS-Justiz RS0099413). Es bildet nämlich kein aus Z 5 beachtliches Begründungsdefizit, wenn die angeführten Gründe bloß nicht genug überzeugend erscheinen oder wenn neben dem folgerichtig gezogenen Schluss auch noch andere, für den Rechtsmittelwerber günstigere Schlussfolgerungen aus den Verfahrensergebnissen denkbar gewesen wären ( Kirchbacher, StPO15 § 281 Rz 60; vgl RIS-Justiz RS0114524; RS0098400). Somit bringt die Beschwerde bloß eine unter Nichtigkeitsaspekten unzulässige Kritik an der vorgenommenen Beweiswürdigung zum Ausdruck. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachte unsubstantiierte Reklamation, wonach das Erstgericht „sein Urteil mit einer klaren Aktenwidrigkeit begründe“ ist einer inhaltlichen Erwiderung genausowenig zugänglich wie der Verweis auf die mündliche Urteilsbegründung (vgl Danek/Mann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 268 Rz 8).
Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft prüft und aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen kommt, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und ihrem inneren Zusammenhang zu würdigen (vgl RIS-Justiz RS0098314). In diesem Sinn gelingt es A* nicht, hinreichende Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und den darauf gegründeten Feststellungen zu wecken, stützte die Erstrichterin ihre umfassenden Erwägungen doch nachvollziehbar (unter anderem) auf die – als glaubwürdig befundenen - Angaben der Zeugen E* (AS 2f in ON 11), F* (AS4f in ON 11) und G* (AS 5f in ON 11), die im Zuge ihrer zeugenschaftlichen Einvernahmen im Ergebnis keinen Zweifel darüber offen ließen, dass sich bei den Verlassenschaftsgegenständen des C* auch ein Wohnungsschlüssel (oder ein Schlüsselbund) befunden hat (AS 3, 4 und 6 in ON 11). Diese Aussagen korrespondieren zudem mit dem vorliegenden Hinterlassenschaftsschein (ON 2.7), auf dem handschriftlich vermerkt war, dass die Fahrnisse auch einen Schlüssel beinhalteten. Dass dieser Schlüssel bzw. Schlüsselbund – entsprechend der als glaubwürdig befundenen Aussagen des Zeugen G* - auch tatsächlich dem Angeklagten im Krankenhaus ausgefolgt wurde, ist nachvollziehbar, weil das behauptete Ansinnen des Angeklagten (dieser gab sich gegenüber den Krankenhausangestellten fälschlich als Sohn des Verstorbenen aus) darin lag, einen in der Wohnung laufenden Fernseher auszuschalten (ZV G* AS 6 in ON 11). Zur Kritik an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung insgesamt ist festzuhalten, dass bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend ist. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss daher im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 27). Dass das Gericht (unter Berücksichtigung der teils entlastenden Aussagen des Zeugen H* I* [AS 7f in ON 11]) im Zuge seiner äußerst umfangreichen und akribischen Beweiswürdigung – festgehalten auf den Seiten fünf bis inkl. zwölf der Urteilsausfertigung - letztlich zum (nachvollziehbar dargestellten) Ergebnis kam, dass (im Gegensatz zu der Verantwortung des Angeklagten, der etwa in Bezug auf die Anwesenheit von J* I* beim behaupteten Fund des Schlüssels unwahre Äußerungen tätigte [US 9]) nur die Aussagen von E*, F*, G* und K* der Wahrheit entsprachen, der Angeklagte somit mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel in die Wohnung gelangte und die im Urteilstenor beschriebenen Gegenstände stahl (die Wohnung war versperrt und weitere Schlüssel waren nicht im Umlauf [AS 8 in ON 11; ON 7]), ist Vorgang der freien Beweiswürdigung, handelt es sich dabei doch um einen kritisch-psychologischen Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Demgemäß berechtigen nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (vgl RIS-Justiz RS0098362; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8), sodass der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine negative Beweislastregel darstellt und gerade nicht bedeutet, dass sich das Gericht bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante entscheiden müsste (vgl Kirchbacher , aaO Rz 11). Weil zudem die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite, das vom äußeren Tatablauf auf den deliktspezifischen Vorsatz schloss (vgl RIS-Justiz RS0116882), nicht korrekturbedürftig waren (US 11), bleibt entgegen der Ansicht des Angeklagten auch hier kein Raum für den Zweifelsgrundsatz ( Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 36f), sodass der Schuldspruch Bestand hatte.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Dabei darf weder ein konstatierter Umstand übergangen, noch die Entscheidungsgrundlage eigenmächtig erweitert werden (RIS-Justiz RS0099671 [T3 und T5]). Indem die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) eine Wertlosigkeit des dem ruhenden Nachlass zugehörigem (dazu Stricker in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 127 Rz 128) Diebsguts behauptet, ignoriert sie prozessordnungswidrig (vgl RIS-Justiz RS0099810) die dazu getroffenen Urteilskonstatierungen, wonach es sich bei den weggenommenen Gegenständen gerade nicht um wertlose Sachen gehandelt hat (US 4, 5, 28), sodass (wie auch durch die sachverhaltsfremde Behauptung in der Subsumtionsrüge [§ 281 Abs 1 Z 10 StPO], es würde [bloß] eine Entwendung nach § 141 Abs 1 StGB vorliegen [vgl dazu die gegenteiligen Urteilsfeststellungen auf US 4f) der Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt wird.
Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin - ausgehend von einem unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB erhöhten Strafrahmen nach § 129 Abs 2 StGB von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe - als mildernd keinen Umstand, erschwerend hingegen die einschlägigen Vorstrafen (konkret zwölf), das Vorliegen der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1 StGB und den raschen Rückfall nach einer Entlassung aus einer unbedingten Freiheitsstrafe. Damit wurde der Strafzumessungskatalog vollständig zur Darstellung gebracht. Die im Rechtsmittel offensichtlich relevierte Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) würde voraussetzen, dass der Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liege (vgl RIS-Justiz RS0091026). Davon kann wegen der einschlägigen Vorstrafen nicht gesprochen werden. Dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 10 StGB stünde schon das Fehlen einer Notlage entgegen ( Riffel in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 34 Rz 24).
Eine fehlerhafte Gewichtung der Strafzumessungsgründe zulasten des Angeklagten, ist – insgesamt betrachtet – nicht auszumachen. Bei Abwägung der Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen die vom Erstgericht gefundene Sanktion mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen Tat keineswegs als zu streng bemessen und ist somit keiner Reduktion zugänglich.
Entscheidend bei Prüfung der Möglichkeit einer bedingten Strafnachsicht ist allein der Umstand, ob die in Schwebe bleibende Strafdrohung nach der Person des Rechtsbrechers, dem Grad seiner Schuld und seinem Vorleben kriminalpolitisch als ausreichendes, gegenüber dem sofortigen Strafvollzug zumindest gleich zweckmäßiges, Mittel anzusehen ist, um ihn in Hinkunft von der Begehung von Straftaten abzuhalten (vgl RIS-Justiz RS0091501). Voraussetzung bedingter Strafnachsicht ist demnach die Annahme künftigen deliktfreien Verhaltens auch ohne (vollständigen) Strafvollzug. Das Vorleben des Angeklagten steht dieser vom Gesetz geforderten günstigen Vorhersage entgegen.