Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29.1.2025, GZ **-10, nach der am 7.10.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Ölmez, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft EOStA Mag. Kuznik, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Mag. Daniel Vonbank öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der gegen den Schuldspruch 1. gerichteten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird n i c h t Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung wegen Nichtigkeit wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2., demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner weiteren, gegen den Schuldspruch 2. gerichteten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf die jeweilige Kassation verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* jeweils eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (zu 1.) und der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (zu 2.) schuldig erkannt.
Danach hat er
Hiefür verhängte der Einzelrichter über den Angeklagten unter Anwendung der §§ 28 Abs 1 und 43a Abs 2 StGB nach § 288 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je EUR 33,--, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 3 Monaten und verurteilte ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Gegen das Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 11) und schriftlich fristgerecht ausgeführte (ON 15) Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und Strafe, die primär, allenfalls nach Beweiswiederholung und -ergänzung, auf einen Freispruch abzielt, in eventu auf eine Zurückweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht, in eventu auf eine Herabsetzung der Zahl der Tagessätze sowie der Höhe des einzelnen Tagessatzes und eine zur Gänze bedingte Strafnachsicht.
Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Gegenausführungen (ON 1.9).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der gegen den Schuldspruch 2. gerichteten Mängelrüge Berechtigung zuzuerkennen sei, im Übrigen an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung aber keine Bedenken bestünden, den in der Berufungsschrift angeführten Beweisanträgen nicht näherzutreten sei und die verhängte Strafe keinen Bedenken begegne.
Der gegen den Schuldspruch 1. gerichteten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gelingt es nicht, Bedenken des Oberlandesgerichts an der Richtigkeit der entscheidenden erstrichterlichen Sachverhaltsannahmen zur objektiven und subjektiven Tatseite zu erwecken, dies insbesondere mit Blick auf das vollumfängliche Geständnis (ON 9.1, 2). Der Angeklagte bekannte sich anlässlich der Hauptverhandlung vom 29.1.2025 schuldig und führte darüber hinaus aus: „Ich habe das unter anderem deshalb getan, weil ich befürchtete, dass wir im Club die behördliche Sperrstundenverlängerung nicht mehr erhalten“.
Mit der Schuldberufung releviert der Angeklagte den Entschuldigungsgrund des Notstands nach § 10 StGB und bringt in diesem Zusammenhang erstmalig vor, dass weitere Gründe für die wahrheitswidrigen Angaben, wonach er F* am Abend der Schussabgabe im Nachtclub „E*“ nicht gesehen habe, vorliegen würden. Nach dem Vorfall hätten am 17.2.2024 Tschetschenen aus dem Kreis der Opfer das Sicherheitspersonal des Nachtclubs „E*“ aufgesucht und sich dahingehend geäußert, dass wenn herauskäme, dass irgendwelche Personen im Vorfeld Kontakt zum Täter gehabt oder mit diesem zu tun gehabt hätten, sie Rache nehmen würden. Ca eine Woche später hätten weitere Personen aus der tschetschenischen Community den Angeklagten im Nachtclub aufgesucht und diese Drohung wiederholt. Zum Beweis für dieses Vorbringen enthält die schriftliche Berufungsausführung Anträge auf Vernehmung mehrerer Zeugen.
Grundsätzlich dürfen im Rahmen einer Schuldberufung neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden (§ 467 Abs 1 iVm § 489 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0101867, RS0117419, RS0100300). Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld dient jedoch ausschließlich der Bekämpfung tatsächlich getroffenerFeststellungen (auch Negativfeststellungen), mit anderen Worten des Ergebnisses der Beweiswürdigung in der Schuld- und Subsumtionsfrage, nur darauf bezieht sich die Neuerungserlaubnis, weshalb damit beispielsweise auch - hier ohnehin nicht vorliegende - Feststellungsmängel nicht geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0122980; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 464 Rz 1 f und 8, Vor §§ 280-296a Rz 13 f mwN). Dies bedeutet, dass Neuerungen zu einem aufgrund fehlender Indizien in der Hauptverhandlung zu Recht nicht durch Feststellungen geklärten Entschuldigungsgrund im Rahmen der Schuldberufung nicht vorgebracht werden dürfen. Schon ausgehend davon war den - im Übrigen lediglich in der Berufungsschrift gestellten und in der Berufungsverhandlung nicht wiederholten (RIS-Justiz RS0132297, RS0099178, RS0099099, RS0099511 ua) - Beweisanträgen hiezu nicht näher zu treten. Im Übrigen läge der geltend gemachte Entschuldigungsgrund selbst unter Zugrundelegung des neuen Vorbringens nicht vor, weil der möglichen Gefahr, fallbezogen der gefürchteten Gefahr für das Leben bzw die körperliche Integrität des Angeklagten und seiner Familie, auch auf andere Weise, etwa durch Inanspruchnahme der Sicherheitsbehörden begegnet werden hätte können (RIS-Justiz RS0089644; Höpfel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 10 Rz 7). Dass dem Angeklagten die Inanspruchnahme der Hilfe der Polizei nach Lage des Falls nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, wird im Übrigen gar nicht behauptet, ebenso wenig, dass er im Vorfeld Kontakt zu F* gehabt habe.
Der gegen den Schuldspruch 1./ gerichteten Schuldberufung war daher ein Erfolg zu versagen, weil die erstrichterlichen entscheidenden Sachverhaltsannahmen zur objektiven und subjektiven Tatseite unbedenklich sind. Diese tragen im Übrigen auch den Schuldspruch wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, weshalb amtswegiges Einschreiten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht erforderlich war.
Zur Berufung wegen Nichtigkeit:
Zutreffend zeigt die ausschließlich gegen den Schuldspruch 2. gerichtete Mängelrüge (§ 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 5 nominell zweiter Fall, der Sache nach vierter Fall StPO) auf, dass die entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen zur Vortat ( Pilnacek/Swiderski in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 299, 5 f; RIS-Justiz RS0096088) unbegründet geblieben sind. Insofern das Erstgericht in diesem Zusammenhang auf den Abschlussbericht ON 2 verweist, kann daraus in objektiver Hinsicht nicht abgeleitet werden, dass F* am 27.1.2024 beim Nachtclub „E*“ tatsächlich auf Personen geschossen hat. Dies lässt sich aber auch nicht aus dem Geständnis des Angeklagten zu den gegenständlichen Tatvorwürfen der Falschaussage und Begünstigung erschließen.
Dieser Begründungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch 2., demzufolge auch im Strafausspruch und zur Zurückverweisung der Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung. Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass das Berufungsgericht von einer Straffestsetzung nur für den verbliebenen Schuldspruch 1./ mit Blick auf die erhebliche Bedeutung des aufgehobenen Schuldspruchs 2./ sowie des in der Hauptverhandlung ausgeschiedenen, noch nicht erledigten weiteren Tatvorwurfs (Punkt 2./ des Strafantrags; Löschung der Videoaufzeichnungen der Überwachungskamera des Nachtclubs) für die Strafbemessung Abstand nahm.
Mit seiner weiteren, gegen den Schuldspruch 2. gerichteten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die jeweilige Kassation zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden