JudikaturOLG Innsbruck

4R61/25i – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schallhart und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der antragstellenden Partei A* B* , beschäftigungslos, Deutschland, wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs des Antragstellers vom 28.1.2025 gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 2.1.2025, ** 19, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Die in den Faxmitteilungen vom 17.4.2025 (ON 30) und 26.5.2025 (ON 36) sowie im nunmehr originalunterschriebenen Rekurs (ON 37) enthaltenen Ergänzungen zum Rekurs vom 28.1.2025, werden als unzulässig zurückgewiesen .

2. Dem Rekurs wird keine Folge gegeben.

3. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig .

Text

Begründung:

Mit dem am 29.7.2024 (noch im Verfahren ** nunmehr ** des LG Feldkirch) eingelangten und am 27.10.2024 verbesserten Antrag begehrt der Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Er brachte dazu vor, dass die Klägerin im Verfahren **, C*, verleumderisch angebe, dass er D* B* (sein Bruder) sei. C* begehe die Straftaten der Verleumdung, der falschen Beweisaussage sowie des Prozessbetrugs. C* sei am 16.10.2022 gar nicht zu Boden geschupft worden. Aufgrund der Aussagen der C* werde gegen ihn ein Strafverfahren zu ** des LG Feldkirch geführt. Er sei mit Edikt ausgeschrieben worden. Dadurch sei es zu einer Passversagung gekommen. Ein normales Leben sei nicht mehr möglich. Der Stress habe beim ihm starke Depressionen und eine chronische Erblindung hervorgerufen. Die gegen C* beabsichtigte Schadenersatzklage beziehe sich auf folgende Positionen:

1. Kosten des Zivilverfahrens, die über die bewilligte Verfahrenshilfe hinausgingen;

2. Kosten des laufenden Strafverfahrens, in dem C* als Nebenklägerin aufgetreten sei;

3. Schmerzengeld aufgrund falscher Beweisaussage, die zur Verweigerung eines Reisepasses und zur Beeinträchtigung des Lebens des Antragstellers geführt habe;

4. Schadenersatz wegen Heilungskosten, Schmerzengeld wegen stressbedingter Netzhauterkrankung;

5. Schmerzengeld wegen übler Nachrede, Ehrenbeleidigung und Rufschädigung. Durch die falschen Behauptungen der C* sei das normale Leben des Antragstellers stark beeinträchtigt;

6. Schmerzengeld wegen seelischer Leiden, insbesondere Depressionen und starken Kopfschmerzen.

Die Schadenersatzforderung werde EUR 15.000,-- übersteigen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag ab. Zusammengefasst stellte es fest:

C* wurde am 16.10.2022 durch einen Sturz verletzt. Bei der Polizei gab sie an, dass sie die zwei jungen Männer an diesem Tag erstmals gesehen habe. Im Zug eines Streitgespräches sei sie von dem Mann mit der Brille und dem karierten Hemd zurückgestoßen worden, worauf sie zu Boden gefallen sei. C* begehrt mit ihrer Klage zu ** (nunmehr **) vom Antragsteller EUR 34.361,48 s.A. an Schadenersatz sowie eine Haftungsfeststellung. In der vorbereitenden Tagsatzung am 13.5.2024 äußerte C* gegenüber ihrem Anwalt Zweifel, ob der Antragsteller tatsächlich der Angreifer gewesen sei. Sie äußerte die Vermutung, dass dies dessen Bruder gewesen sein könnte, der eine kräftigere Statur habe.

Gegen den Antragsteller wird zu ** ein Strafverfahren vor dem LG Feldkirch aufgrund des Vorfalls vom 16.10.2022 wegen § 83 Abs 1, 84 Abs 4 StGB geführt.

Der Antragsteller ist praktisch einkommens- und vermögenslos, hat aber auch keine Schulden, ist ledig und hat keine Unterhaltsverpflichtungen.

In rechtlicher Hinsichtführte das Erstgericht aus, dass C* den Antragsteller bei der Polizei nicht namentlich genannt, sondern die Männer nur äußerlich beschrieben habe. Die Zuordnung zum Antragsteller habe offensichtlich die Polizei vorgenommen. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass es dem Kläger gelingen würde, einen bedingten Vorsatz der C* im Hinblick auf eine Falschaussage (§ 288 StGB) bzw Wissentlichkeit für den Tatbestand der Verleumdung (§ 297 StGB) zu beweisen. Auch eine auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützte Klage wäre nur im Fall einer wissentlich falschen Strafanzeige berechtigt. Die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz der C* treffe den Kläger. Eine Partei, die nicht Verfahrenshilfe genieße und die Prozesskosten selbst vorschießen müsse, würde bei dieser Ausgangslage keine Klage einbringen. Die beabsichtigte Klagsführung erweise sich als mutwillig im Sinn des § 63 Abs 1 ZPO.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Antragstellers vom 28.1.2025 (ON 22), in dem er auch die Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung des Rekurses beantragte. Dieser neuerliche Verfahrenshilfeantrag wurde bereits rechtskräftig zurückgewiesen (ON 25). Im Rekurs führt der Antragsteller aus, dass C* die polizeiliche Vernehmung: „Plötzlich sagte der Mann mit der Brille und kariertem Hemd (Anm.: B* A*) der rechts vor mir stand […]“nach entsprechender Belehrung unterschrieben habe. Die Identifizierung des Antragstellers sei daher sehr wohl durch C* erfolgt. Obwohl C* im Zivilverfahren ** [Anmerkung: bereits am 13.5.2024] eingeräumt habe, dass es keine Interaktion zwischen ihr und dem Antragsteller gegeben habe, setze sie die Klage mutwillig und vorsätzlich fort, wodurch dem Antragsteller zahlreiche Nachteile entstanden seien. Die Fortführung des Strafverfahrens wegen § 288 StGB, § 297 StGB [Anmerkung: gegen C*] sei zu 32 Bl 45/24v bereits angeordnet worden.

Am 17.4.2025 (ON 30) richtete der Antragsteller ein Fax an das Oberlandesgericht Innsbruck. Darin führte er aus, dass C* das Verfahren nach der ersten Verhandlung am 13.5.2024 noch weitergeführt habe, bis nach der dritten Tagsatzung am 7.2.2025 bestätigt worden sei, dass der Antragsteller nicht der Angreifer sei. Angeschlossen war der Beschluss vom 3.4.2025 zu **, womit die Klagszurückziehung der C* unter Anspruchsverzicht vom 1.4.2025 zur Kenntnis genommen wurde.

Mit Fax vom 26.5.2025 (ON 36) übermittelte der Antragsteller neuerlich seinen Rekurs vom 28.1.2025, Dokumente zur Klagszurückziehung im Verfahren ** und eine Ergänzung zum Rekurs an das Landesgericht Feldkirch.

Der Revisor verzichtete auf Rechtsmittel und auf Ausführung einer Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist rechtzeitig, jedoch nicht berechtigt.

Die nachfolgenden ergänzenden Eingaben zum Rekurs waren zurückzuweisen.

1. Zur Rechtzeitigkeit des Rekurses

1.1 Der angefochtene Beschluss wurde dem Antragsteller am 18.1.2025 zugestellt (Zustellnachweis zu ON 20). Der Rekurs wurde vom Antragsteller mit Fax vom 30.1.2025 eingebracht (ON 22.1). Das Fax langte innerhalb der Rekursfrist ein. Fax-Eingaben sind nur dann fristwahrend, wenn im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens ein gleichlautendes eigenhändig unterschriebenes Dokument im Original nachgereicht wird (analog § 89 Abs 3 GOG, § 60 Abs 1 GeO, RS0006955 [T5]). Mit Verbesserungsauftrag vom 7.5.2025 forderte das Landesgericht Feldkirch den Antragsteller zur Beibringung der eigenhändigen Unterschrift auf (ON 34). Der Verbesserungsauftrag wurde dem Kläger am 16.5.2025 durch Hinterlegung zugestellt (ON 34.1 – Benachrichtigungslabel). Nachdem der Antragsteller die Sendung nicht behob, wurde diese retourniert (Sendungsverfolgung ON 34.1, ON 34.2).

1.2 Mit Postaufgabedatum vom 28.5.2025 (ON 37) übermittelte der Antragsteller den ursprünglichen Rekurs vom 28.1.2025 samt „Ergänzung zum Rekurs“ vom 26.5.2025, beide eigenhändig unterschrieben samt einer Ablichtung der Klagszurückziehung unter Anspruchsverzicht (ON 37). Diese Originalschreiben langten am 2.6.2025 beim Landesgericht Feldkirch ein. Das Postaufgabedatum lag innerhalb der 14tägigen Verbesserungsfrist, sodass der ursprünglich am 30.1.2025 mit Fax eingebrachte Rekurs vom 28.1.2025 rechtzeitig ist (§ 89 Abs 1 GOG).

1.3 Nur der Vollständigkeit halber ist auf die Fax-Eingabe des Antragstellers vom 7.6.2025 (ON 40) Bezug zu nehmen, zumal der Zustellvorgang von Amts wegen zu prüfen ist (RS0036440). Er moniert, dass die Zustellung mangelhaft und die Hinterlegung unwirksam gewesen sei. Der Rekurswerber ist nicht beschwert: Laut seiner Eingabe wurde er vom Erstgericht auch per E Mail über den Verbesserungsauftrag informiert. Diese E-Mail ging dem Antragsteller laut seinen eigenen Ausführungen am 26.5.2025 zu. Indem der Rekurswerber dem Verbesserungsauftrag richtig und umfänglich nachkam, indem er seine Fax-Eingabe vom 30.1.2025 rechtzeitig mit Originalunterschrift nachreichte, sind allfällige Zustellungsmängel geheilt und der ursprünglich eingereichte Rekurs rechtzeitig.

2. Zur Zurückweisung der Ergänzungen des Rekurses vom 28.1.2025

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung steht jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zu. Dies gilt auch im Rekursverfahren (RS0041666). Ein einmal eingebrachter Rekurs kann nicht beliebig durch weitere Rechtsmittelschriften ergänzt werden.

2.2 Insoweit die Faxmitteilungen vom 17.4.2025 (ON 30), vom 26.5.2025 (ON 36) und der originalunterschriebene Rekurs (ON 37) Ergänzungen zum Rekurs enthalten, waren diese als unzulässig zurückzuweisen.

3. Zum Inhalt des Rekurses

3.1 Der Einwand des Rekurswerbers, dass seine Identifizierung vor der Polizei durch C* erfolgt sei, trägt nicht. Aus dem gesamten Einvernahmeprotokoll (= Beilage AR zu **) ergibt sich, dass C* selbst nie den Namen des Angreifers nannte, sondern immer nur von den jungen Männern sprach und diese nach ihrem Aussehen beschrieb. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht davon ausging, dass die „(Anmerkung: B* A*)“ nicht von C* selbst, sondern von der Polizei stammt. Daran ändert eine allfällige Unterschrift der C* unter dieses Protokoll nichts. Durch das In-Klammern-Setzen ist ohne weiteres zu erkennen, dass C* selbst nicht ausdrücklich den Namen nannte. Dies steht in vollkommener Übereinstimmung damit, dass C* angab, dass ihr die beiden Männer unbekannt waren.

3.2 Die Verfahrenshilfe ist nach § 63 Abs 1 ZPO nicht zu bewilligen, wenn die Rechtsverfolgung offenbar mutwillig erscheint. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der für die Eintreibung ihres Anspruches bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen würde. Bei Beurteilung der Mutwilligkeit ist zu berücksichtigen, dass eine vermögenslose Partei völlig risikolos und mit dem ganzen Mut der Verzweiflung prozessieren kann, weil ihr klar ist, dass ihr Gegner auch im Fall des Prozessverlustes seine Kostenersatzansprüche nicht durchsetzen kann ( Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 63 Rz 5).

3.3 Eine Rechtsverfolgung mit Zivilrechtsklage erfolgt in Ausübung eines Rechts. Wer in Ausübung eines Rechts einem anderen Schaden zufügt, kann dafür nur in Verantwortung gezogen werden, wenn die Ausübung dieses Rechts offenbar den Zweck hatte, den anderen zu schädigen (§ 1295 Abs 2 ABGB). Bei Schadenersatzansprüchen wegen der Führung von Verfahren legt die Rechtsprechung einen strengen Beurteilungsmaßstab an. Als haftungsauslösendes Verhalten wird eine aussichtslose, unvertretbare oder schikanöse Prozessführung gefordert, im Zweifel ist aber kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen anzunehmen (vgl RS0022808; RS0026254; 4 Ob 258/16v).

3.4 Die Klagsführung gegen den Antragsteller erfolgte in Ausübung eines Rechts. Selbst wenn C* bereits in der vorbereitenden Tagsatzung am 13.5.2024 gegenüber ihrem Anwalt Zweifel äußerte, ob der Antragsteller der richtige Beklagte war (heimliche Audioaufnahme des Antragstellers), durfte sie den Prozess zur Klärung der Identität fortführen (siehe Protokoll ON 81.1 zu C*). Die Klage wurde mittlerweile ohnehin unter Anspruchsverzicht zurückgenommen.

3.5 Auch der Verweis auf die Fortführung des Strafverfahrens gegen C* wegen § 288 StGB; § 297 StGB zu 32 Bl 45/24v trägt nicht. Aus der an den Rekurswerber ergangenen Einstellungsbegründung vom 28.3.2025 ergibt sich, dass das Strafverfahren abermals eingestellt wurde, weil eine bloße Verwechslung der beiden Brüder vorlag, die auch dadurch zustande kam, dass gegenüber der Polizei ein falscher Ausweis vorgezeigt worden war.

3.6 Vor diesem Hintergrund ist äußerst unwahrscheinlich, dass dem dafür beweispflichtigen Kläger der Beweis gelingen würde, dass C* bedingt vorsätzlich, wissentlich oder mit Schädigungsabsicht vorging. Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass eine Partei, welche die Prozesskosten vorschießen müsste, von einem derart riskanten Prozess absehen würde, da sie im Fall des Prozessverlustes keinen Kostenersatz erhalten würde und dem Prozessgegner Kostenersatz leisten müsste. Der Antragsteller hingegen könnte bei bewilligter Verfahrenshilfe infolge seiner Vermögens- und Einkommenslosigkeit völlig risikolos Prozess führen. Das Erstgericht hat die beabsichtigte Klagsführung des Antragstellers damit zutreffend als mutwillig im Sinn des § 63 Abs 1 ZPO qualifiziert. Dem Rekurs war keine Folge zu geben.

4. Verfahrensrechtliches

Ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ist in Verfahrenshilfesachen ausgeschlossen. Das ergibt sich aus § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.