Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden und die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Koller in der Strafsache gegen A * und B *wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 11. Juni 2025, GZ ** - 82, nach der am 18. November 2025 in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Leitner, der Angeklagten A* und B* sowie ihrer Verteidiger Rechtsanwälte Mag. Klein (für A*) und Mag. Strauss (für B*) und des Dolmetschers Patman Ghazi durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung des A* wird nicht Folge gegeben.
In Stattgebung der Berufung des B* wird über ihn die Freiheitsstrafe von 15 Jahren verhängt.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden A* (zu 2./) und B* (zu 1./) jeweils eines Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt und jeweils nach § 75 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar A* zu 10 Jahren und B* zu 18 Jahren. Beide Angeklagte wurden zudem gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Die Vorhaften (hinsichtlich A* von 14. September 2024, 00:43 Uhr bis 11. Juni 2025, 18:00 Uhr und betreffend B* von 17. September 2024, 21:55 Uhr bis 11. Juni 2025, 18:00 Uhr) wurden gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB angerechnet.
Die (nur vom Angeklagten A* erhobene) Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. September 2025, GZ 11 Os 100/25b-4 (ON 91.3) zurückgewiesen.
Nach dem somit rechtskräftigen Schuldspruch haben am 14. September 2024 in ** vorsätzlich zu töten versucht
1./ B* den A*, indem er ihm im Zuge einer Rangelei mehrere wuchtige Hiebe mit einem Messer gegen den Oberkörperbereich bzw. den Kopf-/Nackenbereich versetzte, wobei Genannter eine ca. 3 cm lange Schnittverletzung über der Schläfe links im Bereich der behaarten Kopfhaut, eine ca. 1,5 cm lange Stich-/Schnittverletzung an der Rückseite der linken Schulter und eine ca. 8 cm lange Schnittverletzung an der Rückseite des linken Oberarms knapp oberhalb des Ellenbogens erlitt;
2./ A* den B*, indem er mit einem Messer mehrfache heftige Stichbewegungen in Richtung des Brust- bzw. Halsbereichs des B* ausführte, wobei Genannter eine etwa 12 mm lange, oberflächliche Hautdurchtrennung an der Außenseite der linken Schulter und eine etwa 15 mm lange, oberflächliche Hautdurchtrennung am linken Unterarm beugeseitig erlitt.
Gegen das Urteil richten sich die Berufungen der Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe, mit der sie jeweils die Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstreben (ON 87.1, ON 88.1).
Lediglich die Berufung des B* ist erfolgreich.
Die Strafbefugnis reicht gegenständlich jeweils gemäß § 75 StGB von 10 bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe.
Zu A*:
Erschwerend ist die Begehung der vorsätzlichen strafbaren Handlung nach dem ersten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs unter Einsatz eines Messers, also einer Waffe, zu werten. Mildernd wirken dem gegenüber, dass der Angeklagte bislang einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist (wobei die Wirkung dieses Milderungsgrundes durch die tatsächlich eingetretenen Verletzungen eingeschränkt wird), die Provokation durch das Opfer (vorangegangene Attacke mit einem Messer) sowie die alkoholbedingte Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit (ON 3.1, 5: 0,71 mg/l ca. eine Stunde nach der Tat).
Entgegen der erstgerichtlichen Einschätzung ist der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB nicht erfüllt, da das bloße Zugeben von Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens (hier: Zugeständnis einer Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB; ON 64, 13; ON 81, 3) kein reumütiges Geständnis darstellt und es gegenständlich angesichts des Videobeweises und mehrerer Zeugenaussagen auch keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung leistete (vgl dazu Riffel , WK²-StGB § 34 Rz 38).
Abstellend auf diesen Strafzumessungssachverhalt erweist sich die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von zehn Jahren (Mindeststrafe) als schuld- und tatangemessen. Die vom Rechtsmittelwerber reklamierte außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB soll angesichts der realistischen, wirklichkeitsangepassten Strafdrohungen des Strafgesetzbuchs nur in atypisch leichten Ausnahmsfällen angewendet werden und setzt ein beträchtliches Zurückbleiben des konkret verwirklichten Unrechts- und Schuldgehalts der Tat hinter den typischerweise im Tatbestand angelegten Fällen voraus (RIS-Justiz RS0091336 [T7, T10]; RS0091303, RS0102152; siehe auch Flora, WK²-StGB § 41 Rz 3), was fallaktuell bei den mehrfachen, mit Tötungsvorsatz durchgeführten heftigen Stichbewegungen mit einem Messer in Richtung des Brust- bzw. Halsbereichs eines anderen Menschen nicht erfüllt ist.
Zu B*:
Erschwerend wirken der Umstand, dass der Angeklagte (unter Berücksichtigung von Zusatzstrafenverhältnissen) bereits fünf Mal wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist und die Begehung der vorsätzlichen strafbaren Handlung nach dem ersten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs unter Einsatz eines Messers, also einer Waffe. Grundsätzlich liegen auch die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vor (US 7f; ON 75), weil aber deren tatsächliche Anwendung bei der in § 75 StGB angedrohten Freiheitsstrafe ausgeschlossen ist (§ 39 Abs 1 letzter Satz StGB), verstärkt dieser Umstand das Gewicht des besonderen Erschwerungsgrunds nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB. Der rasche Rückfall (Tatbegehung knapp vier Monate nach Vollzug der letzten Strafhaft) erhöht zudem den Schuldgehalt.
Mildernd wirken der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist (wobei die Wirkung des Milderungsgrundes durch die tatsächlich eingetretenen Verletzungen eingeschränkt wird) und die Provokation durch das Tatopfer (Tatbegehung im Zuge einer Rangelei, nach dem Wahrspruch der Geschworenen jedoch keine Notwehrsituation).
Die weiteren in der Rechtsmittelschrift geltend gemachten Milderungsgründe liegen nicht vor. Anhaltspunkte für eine Tatbegehung aus Furcht (vgl dazu Riffel,WK² StGB § 34 Rz 12), eine heftige Gemütsbewegung beim Angeklagten im Sinne des § 34 Abs 1 Z 8 StGB oder eines Umstandes, der einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommt (Z 11 leg. cit.; vgl dazu Riffel , WK²-StGB § 34 Rz 20f und Rz 25ff) sind auf Basis des Wahrspruchs der Geschworenen (Verneinung einer vom Angeklagten geschilderten Notwehrsituation [Zusatzfrage 1 zur Hauptfrage 2]) nicht nachvollziehbar und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt (insbesondere Videoaufzeichnung ON 5 und deren Auswertung ON 37, Zeugenaussagen ON 3.5, ON 3.6, ON 3.7, ON 3.8 und ON 64 sowie SV-GA ON 72.2 und ON 81, 4ff). Angesichts der mehreren einschlägigen Vorverurteilungen und der daraus ersichtlichen kriminellen Neigung des Täters und seiner grundsätzlichen Geringschätzung fremder Interessen scheidet auch der Milderungsgrund der Unbesonnenheit aus (vgl Riffel,WK²-StGB § 34 Rz 18; RIS-Justiz RS0091026). Auch die Alkoholisierung wirkt nicht mildernd, weil der Angeklagte schon in der Vergangenheit Straftaten im alkoholisierten Zustand beging (vgl Punkt 7. der Strafregisterauskunft ON 57 [wobei auch eine Einweisung in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher erfolgte]), sodass der Konsum von Alkohol und die alkoholisierungsbedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf des Alkoholkonsums ungeachtet seiner Kenntnis davon, dass er unter Alkoholeinfluss zu Aggression und zur Begehung von Straftaten neigt, aufgewogen wird (RIS-Justiz RS0090988).
Bei diesem Strafzumessungssachverhalt erweist sich die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von 18 Jahren als überhöht; schuld- und tatangemessen (und mit Blick auf den besonderen Wert des verletzten Rechtsguts [Leben] zudem auch unter dem Aspekt der Generalprävention geboten [RIS-Justiz RS0090600, RS0090592]) ist eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
Die Kostenentscheidung (betreffend beide Angeklagten) ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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