JudikaturOLG Graz

5R16/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
28. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Waldner (Vorsitz), Mag. Stadlmann und Mag. Schellnegger in der Rechtssache der Antragstellerin Mag. A* , geboren am **, **, wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Führung eines Amtshaftungsverfahrens gegen die Republik Österreich , über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Dezember 2024, B*-8, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig .

Text

Begründung:

Mit ihrer beim Landesgericht Eisenstadt am 5. Juli 2024 zu ** eingelangten Eingabe beantragte die Antragstellerin , ihr die Verfahrenshilfe im vollen Umfang (§ 64 Abs 1 Z 1 lit a, b, c, d, e, f, Z 2, Z 3 und Z 5 ZPO) zu bewilligen. Unter einem legte sie ein Vermögensbekenntnis vor, aus dem sich va ein Bezug von Kinderbetreuungsgeld von monatlich EUR 1.035,40 (12mal jährlich), kein Vermögen und auch keine Schulden sowie Unterhaltspflichten gegenüber drei Kindern (9, 11 und 12 Jahre) ergeben.

Inhaltlich brachte sie in diesem Antrag – auf das Wesentlichste zusammengefasst – vor, dass sie einen Ersatzanspruch von EUR 405.570,00 erhebe, der sich aus Schmerzengeld einerseits für die verhinderte Rückführung ihrer minderjährigen Kinder B* und C* an sie ergebe (EUR 129.690,00 für den Zeitraum 12. August 2020 bis 8. September 2021, 393 Tage; Zeitraum 1), und andererseits für die schuldhaft nicht ergriffenen Maßnahmen zum Schutz ihrer minderjährigen Kinder B* und C* vor Misshandlungen und die dabei nicht erfolgte Rückführung an sie (EUR 275.880,00 für den Zeitraum 9. September 2021 bis 23. Dezember 2023; 836 Tage; Zeitraum 2) ergebe. Ob die Obsorge nunmehr dem Vater zukomme oder nicht, sei für die unterlassene Rückführung im erstgenannten Zeitraum irrelevant, da diesem die alleinige Obsorge und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht zugekommen sei. Für den zweiten Zeitraum werde bereits die Ansicht berücksichtigt, dass der Vater die alleinige Obsorge inne hatte (ohne dass die Rechtskraft außer Streit gestellt würde). Angesichts dessen, dass bekannt geworden sei, dass ihr die Obsorge nicht zu entziehen wäre und angesichts dessen, dass der Vater die Kinder im Zeitraum 1 bei sich behalten hatte, wären im Zeitraum 2 geeignete Maßnahmen zu ergreifen und dem Vater die Obsorge zu entziehen und sie der Antragstellerin zu übertragen bzw die Kontakte der Kinder zu ihr zu verfügen gewesen. Das Rekursgericht habe festgehalten, dass es zu Verfahrensfehlern im Zeitraum 1 gekommen sei, und dass von einer nicht bestehenden Rechtslage ausgegangen worden sei. Es seien noch nicht alle Rechtsmittel zum besagten Obsorgebeschluss zugestellt worden, wodurch die Rechtskraft der Obsorge des Vater in Zweifel stehe. Das Rekursgericht habe beschrieben, dass Entscheidungen, auf welche sich das Erstgericht bezogen habe, nicht gültig seien und habe dennoch die Entscheidungen nicht aufgehoben. Später hätten Erst- und Rekursgericht schon vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs behauptet, dass die Entscheidung vom 30. Juni 2020 rechtskräftig sei und hätten damit Entscheidungen begründet. Auch hier seien Entscheidungen nicht aufgehoben worden. Es sei etwa behauptet worden, dass der Beschluss vom 30. Juni 2020 bereits rechtskräftig wäre, obwohl der Oberste Gerichtshof einen Revisionsrekurs bekommen habe. Vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wären die Kinder jedenfalls zurückzuführen gewesen und seien die Behörden hierzu verpflichtet gewesen. Außerdem bedeute eine Tätigkeit des Gerichts die zeitnahe Behandlung von Anträgen und zu versuchen, in jeder Lage des Verfahrens eine Einigung herbeizuführen. Es sei zu fünf bis sechs Richterwechseln gekommen und dennoch zu keiner Tagsatzung. Die letzte Tagsatzung habe am 17. Juni 2020 stattgefunden. Alle Entscheidungen, ihr die Obsorge zu entziehen, seien ohne Tagsatzung ergangen und ohne sie davor anzuhören. Teilweise seien Entscheidungen so kurzfristig ergangen, dass die Rechtsmittel mangels Beschwer zurückgewiesen worden seien. In anderen Fällen sei das Verstreichen eines Zeitraums abgewartet worden, um dann wegen Verfristung zurückzuweisen. Einem Vorschlag des Vaters zu einer Übergangsregelung, der hinter den Anträgen der Mütter zurückgelegen sei, wäre umgehend nachzukommen gewesen. Dennoch habe das Gericht keine Entscheidung getroffen, Kontakte zu verfügen, womit die Kontaktaussetzung aufrecht geblieben sei. Berichten von Besuchsbegleitern mit der Empfehlung der Aufnahme normaler Kontakte zur Mutter sei von drei Richtern nicht gefolgt worden. Die Antragstellerin habe im Herbst 2023 eine Regelung beantragt, die dem vor der Besuchsbegleiterin geäußerten Willen der Kinder entsprochen habe, jedoch habe sich der Vater dagegen ausgesprochen. Insoweit sei das Gericht dem Wunsch des Vaters nachgekommen, ohne die Besuchsbegleiterin als Zeugin zu hören. Das Gericht habe damit die Kontaktaussetzung unnötig prolongiert, ohne eine Tagsatzung abzuhalten, eine Einigung der Eltern anzustreben oder Zeugen anzuhören. Die Vorgeschichte stelle sich so dar, dass der Kindesvater beide Kinder an sich genommen und behauptet habe, die alleinige Obsorge zu haben. Eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung in diesem Sinne habe es nicht gegeben. Das Gericht habe die Kinder aber nicht an die Antragstellerin zurückgeführt, sondern dem Vater die alleinige Obsorge zugesprochen. Trotz eingebrachter Rechtsmittel sei die Rechtskraft der Entscheidungen bereits vorzeitig behauptet worden. Die Vorwürfe hätten sich auf der Grundlage nicht rechtskräftiger Entscheidungen gegen die Antragstellerin gerichtet. Die Entscheidung, die Kinder nicht bei ihr oder zu ihr zu lassen, sei daher rechtswidrig (ON 1).

Das Landesgericht Eisenstadt erteilte der Antragstellerin daher den Auftrag, ihre Angaben im Verfahrenshilfeantrag im folgenden Punkt zu ergänzen: „Es ist Vorbringen zu erstatten, aus dem Handeln der Organe welche Gerichte oder sonstigen Behörden die behauptete Forderung resultieren soll. Dazu werden sinnvollerweise auch die Geschäftszahlen der Verfahren der jeweiligen Gerichte/Behörde anzuführen sein. Dies im Zusammenhang mit dem Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG“ (ON 2).

Daraufhin brachte die Antragstellerin eine „Ergänzung“ ein, in der sie – ohne weitere inhaltliche Ausführungen – eine Vielzahl von Aktenzahlen und Gerichten nannte (ON 3).

Aus den von der Antragstellerin in ihren Eingaben genannten Aktenzahlen geht insoweit hervor, dass ihr die Obsorge mit den Beschlüssen jeweils des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 29. Juli 2020 vorläufig und vom 6. Oktober 2020 endgültig entzogen, dass den dagegen erhobenen Rekursen der Antragstellerin mit dem Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 26. März 2021, 20 R 150/20p, 20 R 151/20k, 20 R 152/20g, 20 R 153/20d, 20 R 154/20a, 20 R 155/20y nicht Folge gegeben und dass der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 3. Dezember 2021, 3 Ob 92/21g, zurückgewiesen wurde.

Das Landesgericht Eisenstadt lud die Antragstellerin daraufhin im Rahmen eines weiteren Verbesserungsversuchs; dies mit dem Hinweis, dass sich deren bisherigen Angaben weiterhin nicht entnehmen lasse, welches rechtswidrige und schuldhafte Handeln oder Unterlassen welcher Gerichte/Behörden den behaupteten Schaden bewirkt haben soll und inwieweit sämtliche genannten Gerichte/Behörden zum Entstehen ein und desselben Schadens beigetragen haben sollen (ON 4).

Beim diesbezüglichen Termin am 17. September 2024 teilte die Antragstellerin mit, dass ihrer Forderung ein Schmerzendgeldanspruch von EUR 330,00 pro Tag zugrunde liege. Weiters nannte sie diverse Gerichte und Behörden, die den von ihr behaupteten Schaden verursacht hätten (ON 5).

In weiterer Folge wurde mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. November 2024, **, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag sowie zur Erledigung einer allfälligen Amtshaftungsklage als zuständig bestimmt, bei welchem das Verfahren zu B* anhängig wurde (ON 6 und 7).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 8) wies das Erstgericht den Antrag der Antragstellerin, ihr die Verfahrenshilfe zur Führung eines Amtshaftungsverfahrens gegen die Republik Österreich zu bewilligen, ab. Dies – auf das Wesentlichste zusammengefasst – mit der Begründung, dass die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen der Gerichte unter Zugrundelegung der Judikatur zum Schadenersatz die geltend gemachten „Schmerzengeld“-Beträge bei weitem nicht rechtfertigen würden. Schon aus diesem Grund komme eine Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht in Betracht. Außerdem würden Schadenersatzansprüche gemäß § 6 Abs 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages verjähren, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, der auf die Rechtsverletzung irgendeines Organs des beklagten Rechtsträgers zurückzuführen werden kann. Zumindest ein Teil der von der Antragstellerin vorgebrachten Handlungen bzw Unterlassungen der Gerichte würden bereits mehr als drei Jahre zurückliegen. Mit einer Einrede der Verjährung sei regelmäßig zu rechnen. Eine verständige wirtschaftlich denkende, nicht die Verfahrenshilfe genießende Partei würden diesen Prozess daher nicht führen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin (ON 10). Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass ihr die Verfahrenshilfe bewilligt wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Im Rekurs macht sie – auf das Wesentlichste zusammengefasst – geltend, dass ihr der Beschluss des Obersten Gerichtshofs (gemeint offenbar: gemäß § 9 Abs 4 AHG) bislang nicht zugestellt worden sei, weshalb die Übertragung nicht wirksam erfolgt wäre. Am 29. Dezember 2023 sei eine Aufforderung an die Finanzprokuratur eingebracht und dadurch die Frist (§ 6 Abs 1 AHG bzw § 8 AHG) gehemmt worden. Der Zeitraum 9. September 2021 bis 23. Dezember 2024 könne erst ab dem 9. September 2024 verjähren, also erst nach Einbringung des Verfahrenshilfeantrags (am 5. Juli 2024). Für den Zeitraum 29. Dezember 2020 bis 8. September 2021 würden sich 254 Tage ergeben, sohin eine Forderung von EUR 83.820,00 für den erstgenannten Zeitraum der Forderung. Laut Auskunft des Justizministeriums sei binnen drei Monaten mit einer Entscheidung zu rechnen. Daher könnten Unterlassungen des Gerichts ab dem 29. September 2020 nicht vor dem 29. Dezember 2020 bekannt werden. Für den Zeitraum 29. September 2020 bis 8. September 2021 würden sich 345 Tage und sohin eine Forderung von EUR 113.850,00 für den erstgenannten Zeitraum ergeben. Für eine Säumigkeit könne ab sechs Monaten eine Fristsetzung beantragt werden. Daher könnten Unterlassungen des Gerichts ab dem 29. Juli 2020 nicht vor dem 29. Dezember 2020 bekannt werden. Die Zeit ab dem 11. August 2020 sei daher beanspruchbar, um (unterlassene) Handlungen festzustellen. Hinsichtlich ergangener Entscheidungen sei das Datum ihrer Zustellung heranzuziehen. Darüber hinaus sei auch die zehnjährige Verjährungsfrist zu beachten, auf die das Erstgericht überhaupt nicht eingegangen sei. Insoweit sei auf die Garantenstellung einzugehen, welche Organe mit Amtsstellung zu ordnungsgemäßem Handeln verpflichte. Das Erstgericht habe die Prüfung oder Darlegung einzelner Daten im Hinblick auf die behauptete Verjährung unterlassen. Damit sei keine Einschätzung möglich, ob die Verjährung überhaupt bzw auf einen Teil der Ansprüche zutrifft. Darüber seien vom Erstgericht genannte Geschäftszahlen nicht auffindbar, woraus sich eine Unverständlichkeit bzw ein Widerspruch bzw eine fehlende Nachvollziehbarkeit bzw ein Begründungsmangel ergebe. Das Erstgericht führe nicht an, auf welche Rechtsprechung oder Fälle zum „Schmerzendgeld“ es sich bezieht. Es sei daher nicht möglich, prozessökonomisch darauf einzugehen, um einen unnötigen Mehraufwand zu vermeiden. Insoweit sei die Entscheidung nicht nachvollziehbar und daher nicht überprüfbar. In weiterer Folge werden einzelne Judikate (2 Ob 105/09v, 2 Ob 163/06v, 8 Ob 112/82; RIS-Justiz RS0031040) genannt. Das Erstgericht differenziere nicht hinsichtlich der Ansprüche, weshalb die Entscheidung nicht ausreichend begründet und daher nicht nachvollziehbar sei. Die Antragstellerin sei von der Richtigkeit ihres Prozessstandpunkts überzeugt. Die Schadenersatzforderungen würden sich auf im Internet genannte Beträge zu Schmerzen stützen. Den Kindern solle in den kommenden Jahren eine Unbeschwertheit ermöglicht werden und der Antragstellerin, die von Existenzängsten geplagt gewesen und nunmehr verschuldet sei, Ruhe zukommen. Ihre Behauptungen seien klar, objektiv belegbar und unbestreitbar. Schon aus dem Gesetz allein ergebe sich, dass anhand der Aktenlage Organe schuldhaft gehandelt oder unterlassen hätten. Ihre Angriffsmittel könnten nicht ohne nähere Prüfung als erfolglos erkannt werden.

Der Revisor erstattete keine Rekursbeantwortung (ON 10).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1.) Gemäß § 63 Abs 1 ZPO ist die Verfahrenshilfe einer Partei so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Offenbar mutwillig ist eine Prozessführung dann, wenn sich die Partei der Unrichtigkeit ihres Prozessstandpunktes bewusst ist und wenn sie sich in diesem Bewusstsein in einen Prozess einlässt, weil sie etwa hofft, dennoch – etwa im Vergleichsweg – einen Erfolg zu erzielen, oder weil sie zur Erzielung eines durch die Rechtsordnung nicht geschützten Zwecks (Zahlungsaufschub, Feindseligkeit gegenüber dem Prozessgegner, Aufstachelung oder Befriedigung der Sensationslust, Publicity) auch den Misserfolg ihres Sachantrages in Kauf nehmen will. Eine (besondere Form der) Mutwilligkeit kann in der Ausnützung des mangelnden Kostenrisikos im Prozess liegen. Eine nahezu vermögenslose Partei kann nämlich völlig risikolos und mit dem ganzen Mute der Verzweiflung prozessieren, da ihr klar ist, dass ihr Gegner auch im Falle ihres Prozessverlusts die ihm zugesprochenen Kostenersatzansprüche nicht durchsetzen kann. Eine Prozessführung ist daher auch dann als mutwillig anzusehen, wenn sich die Partei in einen Rechtsstreit eingelassen hat oder einlassen will, obwohl sich eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles dazu veranlasst gesehen hätte, von der Führung des Verfahrens abzusehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend zu machen. Liegt eine offenbare Mutwilligkeit nur im Hinblick auf einen Teil der Ansprüche vor, so ist die beantragte Verfahrenshilfe jedenfalls in Ansehung dieser Ansprüche abzulehnen. Die Verfahrenshilfe ist aber zur Gänze zu verwehren, wenn zum größten Teil unbegründete Ansprüche geltend gemacht werden, oder zwar nur ein einziger Anspruch, dieser aber in weit übermäßigem Umfang (OLG Innsbruck, 4 R 104/20f), erhoben wird ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/1 § 63 ZPO [Stand 1.9.2014, rdb.at], Rz 19 mwN).

Offenbar aussichtslos ist eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Abwehrmittel als erfolglos erkannt werden kann, was insbesondere bei einer Unschlüssigkeit der Fall sein kann. Um Verfahrenshilfe bewilligen zu können, muss der Erfolg zwar nicht gewiss sein, aber nach der sofort erkennbaren Lage eine gewisse (wenn auch nicht allzu große) Wahrscheinlichkeit für sich haben ( M. Bydlinski, aaO, Rz 20; RIS-Justiz RS0117144, RS0116448; 10 Nc 11/20d; 8 ObA 65/13m, 7 Ob 64/22w, 3 Ob 78/22z).

2.) Die Antragstellerin strebt die Durchsetzung eines Schadenersatzanspruches aus dem Rechtstitel des Schmerzengeldes an, nämlich im Ausmaß von EUR 330,00 täglich für die beiden oben genannten Zeiträume.

3.) Die Zuerkennung von Schmerzengeld ist in § 1325 ABGB dahingehend geregelt, dass ein Anspruch auf Ersatz von (angemessenem) Schmerzengeld dann in Betracht kommt, wenn jemand an seinem Körper verletzt wird.

4.) Der Begriff der Körperverletzung ist insoweit weit zu verstehen. Eine Körperverletzung stellt jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit dar.

5.) Im Falle von psychischen Beeinträchtigungen ist entscheidend, ob diese medizinisch behandlungsbedürftig sind. So erfüllt etwa eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung, eine psychische Zwangsstörung oder eine zu einer Gesundheitsstörung führende Belastung (etwa durch Lärm) den Tatbestand der Körperverletzung. Demgegenüber sind psychische Beeinträchtigungen, die bloß in Unbehagen oder Unlustgefühlen bestehen, nicht ausreichend, um einen Ersatzanspruch nach § 1325 ABGB zu begründen. Es gebührt daher kein Ersatz für bloße Angstgefühle oder Schlafstörungen ( Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.06 , § 1325 [Stand 1.8.2022, rdb.at], Rz 2). Um einen Ersatzanspruch nach § 1325 ABGB im Falle des Vorliegens einer psychischen Beeinträchtigung zu begründen, muss diese somit grundsätzlich Krankheitswert erreichen ( Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1325 [Stand 1.1.2004, rdb.at], Rz 44).

6.) In diesem Zusammenhang gilt, dass auch psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert, welche ein Elternteil erleidet, weil der Obsorgeberechtigte schuldhaft die Ausübung des Kontaktrechtes vereitelt, einen Anspruch auf Schmerzengeld begründen kann. Dasselbe gilt für den Entzug der Obsorge durch den Kinder- und Jugendhilfeträger mit einer rechtswidrig und schuldhaft gesetzten Maßnahme nach § 211 Abs 1 Satz 2 ABGB (vgl. Hinteregger , aaO, Rz 30).

7.) Der Ersatz eines bloßen „Seelenschmerzes“, welcher zu keiner Gesundheitsschädigung im Sinn des § 1325 ABGB geführt hat, kommt nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung nur im Falle des Verlustes naher Angehöriger (gemeint: durch deren Ableben) in Betracht und setzt das Vorliegen grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beim Schädiger voraus (RIS-Justiz RS0115189).

8.) Nach der Vorenthaltung des Kontaktrechtes bei einer bloß vorübergehenden Trennung von einem Kind, das wohlauf war und sich unter Obsorge befand, gewährte der Oberste Gerichtshof kein Schmerzengeld, da eine Vergleichbarkeit zum sogenannten „Schockschaden“ nicht bestehe (8 Ob 133/06a, 9 Ob 28/14d).

9.) Im Zusammenhang mit erlittenem „Seelenschmerz“ nimmt die Rechtsprechung eine Gleichsetzung mit dem sogenannten „Trauerschmerzengeld“ nach einer Kindesverwechslung nach einer Geburt, die dazu führte, dass die Eltern (aller Voraussicht nach) nie erfahren werden, was mit ihrem leiblichen Kind passiert ist, an. Ein solcher Fall stelle eine „massivste Beeinträchtigung“ dar und sei mit der Tötung oder schwersten Verletzung eines nahen Angehörigen vergleichbar (4 Ob 208/17t bzw RIS-Justiz RS0132001).

10.) Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht behauptet, dass die „verhinderte Rückführung“ ihrer minderjährigen Kinder oder die unterbliebenen Kontakte zu diesen bei ihr eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert verursacht hätte. Dies obwohl sie sich im Rahmen ihres Rekurses mit Rechtsprechung auseinandergesetzt hat, wonach diverse psychische Beeinträchtigungen (Schlaflosigkeit, Schwunglosigkeit, Erschöpfungszustände, Schlafstörungen und dergleichen) nur dann den Zuspruch Schmerzengeld rechtfertigen, wenn sie „Krankheitswert“ erreichen. Schon aus dem Vorbringen im Antrag ergibt sich daher nicht, dass die Klägerin überhaupt behauptet, derartige gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten zu haben, die einen Schmerzengeldersatzanspruch nach § 1325 ABGB rechtfertigen könnten.

11.) Der bloße Umstand, dass der Antragstellerin keine Obsorge und/oder kein Kontaktrecht in einem solchen Ausmaß zugekommen ist, wie sie es sich gewünscht hätte, kann den Zuspruch von Schmerzengeld zur Abgeltung eines bloßen „Seelenschmerzes“ nicht rechtfertigen. Bei Anwendung der oben dargelegten Prämissen würde ein solcher Anspruch nämlich eine Trennung von den Kindern voraussetzen, die unter Umständen stattfindet, die mit deren Tod, mit schweren Verletzungen oder mit einer (voraussichtlich) dauerhaften Trennung verbunden ist. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

12.) Ausgehend von dieser Situation würde eine verständige Verfahrenspartei das von der Antragstellerin angestrebte Verfahren nicht führen.

13.) Das Erstgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass dieser Umstand der Bewilligung der Verfahrenshilfe entgegensteht.

14.) Die Frage einer allfälligen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche braucht daher nicht geprüft werden.

15.) Außerdem erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Antragstellerin (betreffend einen vor den gegenständlichen Zeiträumen liegenden Zeitraum) strafrechtlich wegen des Vergehens der Kindesentziehung nach § 195 Abs 1 und Abs 2 StGB verurteilt worden ist (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. März 2021, **-45; Urteil des OLG Wien vom am 29. Juni 2021, **), dass aus den zitierten Obsorgeentscheidungen (OGH, 24. Juni 2021, 3 Ob 92/21g) hervorgeht, dass es (trotz Einbringung sämtlicher möglicher Rechtsmittel durch die Antragstellerin; vgl § 2 Abs 3 AHG) etwa zu Beginn der gegenständlichen Zeiträume zu einer (letztlich endgültigen) Entziehung der Obsorge gekommen ist, dass nicht erkennbar ist, warum ungeachtet dessen Amtshaftungsansprüche berechtigt sein sollten und dass die Antragstellerin zwischen verschiedenen Zeiträume nicht unterscheidet und insbesondere nicht darlegt, warum sich die Grundlagen für die Entscheidung über die Obsorge später geändert haben sollten.

16.) Dem Rekurs konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

17.) Der (Un-)Zulässigkeitsausspruch beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.