2R172/24t – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Dr. Kirsch (Vorsitz), die Richterin Mag a . Schiller und den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache der Kläger 1. A* B* , **, Deutschland, 2. C* , **, Deutschland, 3. D* B* , **, Deutschland, 4. E* , **, Deutschland, 5. F* , **, Deutschland, 6. G* , **, Deutschland, 7. H* , **, Deutschland und 8. I* J* , **, Deutschland, alle vertreten durch Mag. Werner Hammerl, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die Beklagte K * , **, vertreten Mag. Walter Dorn, Dr. Horst Kilzer, Rechtsanwälte in Villach, wegen EUR 163.763,76 samt Anhang , über die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 2. September 2024, **-17, nach nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, der Beklagten die mit EUR 5.795,34 (darin enthalten EUR 965,89 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
L* B* (im Folgenden kurz: die Erlasserin) verstarb am ** und hinterließ keine Kinder. Mit dem am 17. September 2009 errichteten Testament hatte sie die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt. Der Witwer der Erblasserin, M* B*, verstarb während des anhängigen Verlassenschaftsverfahrens, in dem die Verlassenschaft der Beklagten auf Basis des erwähnten Testaments eingeantwortet wurde, und wurde seinerseits von den Erst- bis Siebentklägern beerbt.
Zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Beklagten zum Witwer der Erblasserin: Der Erstkläger ist der Bruder des Witwers der Erblasserin. Die Zweitbeklagte und der Drittbeklagte sind die Kinder des vorverstorbenen N* B*, einem weiteren Bruder des Witwers der Erblasserin. Die Viert- bis Siebentkläger sind die Kinder dessen ebenfalls vorverstorbenen Schwester, O* J*. Die Achtklägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des am ** verstorbenen P* J*, der ebenfalls ein Kind O* J* war.
Im Verfahren machen die Kläger den restlichen Pflichtteilsanspruch des Witwers der Erblasserin gegen die Beklagte in Höhe von EUR 163.763,76 zuzüglich 4 % Zinsen seit 30. November 2022 geltend. Der reine Nachlass habe EUR 1.223.213,72 betragen, der Hälfteanteil der Kläger als „Erben“ daher EUR 611.606,86. Im Testament vom 17. September 2009 habe die Erblasserin ihrem Gatten, M* B*, das Wohnungsgebrauchsrecht an einem Haus sowie ihren ideellen Hälfteanteil an einer Eigentumswohnung in Italien vermacht. Nach Anrechnung der Werte dieser Vermächtnisse und dem Wert des Hälfteanteils einer weiteren Wohnung – sie stand im Hälfteeigentum der Erblasserin und ihres Witwers; der Hälfteanteil der Erblasserin sollte von den Klägern übernommen werden – sowie einer von der Beklagten bereits geleisteten Zahlung über EUR 280.000,00 errechne sich der Klagsbetrag. Dieser verbleibe „als Forderung der Erben“ gegen die Beklagte. Der Erbschein des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 12. September 2017, Beilage ./A, gebe die detaillierten Erbverhältnisse nach dem am ** verstorbenen Witwer der Erblasserin wieder. Der Erbanteil des Erstklägers sei darin mit 1/3 angeführt, jener der Zweitbeklagten und des Drittbeklagten mit je 1/6, jener der Viert- bis Siebentkläger und des Rechtsvorgängers der Achtklägerin mit jeweils 1/15. Daraus erkläre sich auch die Aktivlegitimation der Kläger. Zwar habe die Achtklägerin [den am ** verstorbenen] P* J* neben den gemeinsamen vier Kindern nur zur Hälfte beerbt, jedoch hätten ihr die vier Kinder eine Vollmacht „für die Geltendmachung im eigenen Namen“ erteilt. Der von der Beklagten mehrfach vorgebrachten Behauptung, es liege ein unzulässiges Klagebegehren vor, hielten die Kläger entgegen, sie würden „in sich eine Erbengemeinschaft und somit eine Streitgenossenschaft bilden und basierend auf dem gleichen Grund zusammen berechtigt sein, die Klageforderung geltend zu machen“ (siehe ON 10.1, Punkt 4.) sowie, „die gesamten Pflichtteilsberechtigten [würden] hier eine gegenüber der Beklagten bestehende Erbengemeinschaft bilden“ (siehe ON 15.2, Protokollseite 2).
Die Beklagte bestreitet restliche Pflichtteilsansprüche der Kläger zur Gänze. Soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung wendete sie ein, die Kläger würden ein „nicht zulässiges Klagebegehren“ geltend machen. Eine Erbengemeinschaft liege nicht vor. Jeder Kläger „sei verpflichtet, seinen Anspruch entsprechend seiner Pflichtteilquote geltend zu machen“. Im vorliegenden Fall würden sie jedoch eine Gesamthandforderung geltend machen, sodass das Klagebegehren unschlüssig und als solches abzuweisen sei. Ungeachtet dessen habe die Achtklägerin den am ** verstorbenen P* J* nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihren Kindern beerbt.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht die Klage ausgehend vom eingangs dargestellten Sachverhalt mit der Begründung ab, das Klagebegehren sei zu unbestimmt. Die Kläger würden als Pflichtteilsberechtigte auftreten und ihre Pflichtteilsansprüche nach dem Wert der Verlassenschaft unter Berücksichtigung der Absprachen mit dem Sohn der Beklagten und der bereits an sie erfolgten Zahlungen begehren. Es liege daher ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt vor, der die Kläger zu materiellen Streitgenossen mache. Daher könnten sie zwar gemeinsam klagen, nicht aber – wie die Beklagte richtig ausführe – auf den Gesamtbetrag. Es handle sich bei den Pflichtteilsforderungen um selbstständige Teilforderungen, die von jedem Kläger entsprechend der geltend gemachten Pflichtteilsquote zu begehren seien. Mehrere aus einem rechtserzeugenden Sachverhalt abgeleitete Beträge müssten in der Klagserzählung ziffernmäßig aufgegliedert werden. Einen Pauschalbetrag zu begehren, sei hingegen unzulässig. Das Klagebegehren lasse eine ziffernmäßige Aufschlüsselung der einzelnen Pflichtteilsansprüche vermissen und erfülle daher das Bestimmtheitserfordernis des § 226 Abs 1 ZPO nicht. Eine Konkretisierung sei trotz Einwandes der Beklagten nicht erfolgt. Das „gemeinsame Klagebegehren auf den Gesamtbetrag“ sei daher als unzulässig abzuweisen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie „unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellungen“ und eine unrichtige rechtliche Beurteilung rügen. Sie begehren die Abänderung des angefochtenen Urteils in gänzliche Stattgebung der Klage und stellen hilfsweise einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in einer nichtöffentlichen Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
1. Unter der Überschrift „unrichtige und unvollständige Tatsachenfeststellungen“ rügen die Berufungswerber das Unterbleiben von Feststellungen zur Beerbung des am ** verstorbenen P* J* durch die Achtklägerin und ihre Kinder sowie darüber, dass es sich bei den Klägern um die Erbengemeinschaft nach dem Witwer der Erblasserin handle.
Damit begehren die Berufungswerber lediglich zusätzliche Feststellungen, worin keine gesetzmäßig ausgeführte Tatsachenrüge zu erblicken ist. Das Fehlen rechtlich relevanter Tatsachenfeststellungen kann nämlich nur einen mit der Rechtsrüge geltend zu machenden sekundären Feststellungsmangel bedeuten.
Ungeachtet dessen ist klarzustellen, dass es sich beim Begriff „Erbengemeinschaft“ um einen Rechtsbegriff handelt (vgl § 550 ABGB) und damit die Frage, ob die Kläger eine Erbengemeinschaft bilden, eine dem Tatsachenbereich nicht zugängliche Rechtsfrage darstellt. Die dahin begehrte ergänzende Tatsachenfeststellung kommt daher schon grundsätzlich nicht in Frage. Der Sachverhalt zur Rechtsnachfolge des am ** verstorbenen P* J* ist schließlich unstrittig (vgl das wechselseitige Vorbringen der Parteien in ON 15.2, Protokollseite 2) und kann daher vom Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnedies zugrunde gelegt werden.
2. In Anbetracht der unscharfen Formulierungen der Kläger in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zum Wesen der Klagsforderung – an manchen Stellen ist von Pflichtteilsansprüchen der Kläger zu lesen, an anderen Stellen hingegen von solchen des Witwers der Erblasserin – ist zunächst klarzustellen, dass die Kläger nicht ihre eigenen Pflichtteilsansprüche nach der Erblasserin gegen die Beklagte geltend machen, sondern den Pflichtteilsanspruch des Witwers der Erblasserin als dessen Rechtsnachfolger.
3. Die Kläger rechtfertigten ihr – aus Sicht der Beklagten unzulässiges – Klagebegehren auf Zahlung eines Gesamtbetrages in erster Instanz stets mit dem Bestehen einer „Erbengemeinschaft“ nach dem Tod des Witwers der Erblasserin.
Nach § 550 ABGB idF ErbRÄG 2015 (vgl § 1503 Abs 7 Z 1 ABGB; der Witwer der Erblasserin verstarb am **) bilden mehrere Erben in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechts eine Erbengemeinschaft. Mehrere Erben stehen insoweit in Rechtsgemeinschaft, die mit dem Erbanfall beginnt und sich vor der Einantwortung auf das Erbrecht und danach auf die ererbten Sachen oder Rechte bezieht. Jedoch tritt bei teilbaren Nachlassforderungen die Aufhebung der Erbengemeinschaft ex lege ein, sie zerfallen in selbstständige Teilforderungen der Erben (RS0012311; Welser, Erbrechts-Kommentar § 550 ABGB Rz 1 und 2 mwN [Stand 30.6.2018, rdb.at]).
Maßgeblich ist die Teilbarkeit im Rechtssinn (6 Ob 599/94 mwN). Eine Forderung ist teilbar, wenn die Leistung teilbar ist, diese sich also ohne Wertverlust in Teilleistungen zerlegen lässt. Geldforderungen – wie hier – sind ihrer Natur nach teilbar (vgl 6 Ob 599/94; RS0013214; RS0017118; RS0017289), sodass die Kläger im Rechtsverhältnis zur Beklagten keine Rechtsgemeinschaft in Form einer Erbengemeinschaft im Sinne des § 550 ABGB mehr bilden.
Vielmehr sind die Ansprüche der Kläger jeweils rechtlich selbständig zu beurteilen. Es ist daher von einer subjektiven Klagehäufung auszugehen.
4.Ob die Kläger mit ihren Ansprüchen eine bloß formelle Streitgenossenschaft im Sinne des § 11 Abs 1 Z 2 ZPO (nach stRsp bilden mehrere Pflichtteilsberechtigte eine solche, RS0012879) oder doch eine materielle Streitgenossenschaft im Sinne der Z 2 leg cit bilden (eine solche liegt in der Regel bei mehreren Miterben vor, die eine Forderung des Erblassers als Quotengläubiger geltend machen, RS0035470) kann mangels rechtlicher Relevanz dahingestellt bleiben. In beiden Fällen bleiben die Ansprüche der Kläger nämlich rechtlich selbständig.
Die Ansicht der Berufungswerber in ihrer Rechtsrüge, sie würden gar eine einheitliche Streitpartei darstellen, ist angesichts der rechtlichen Selbständigkeit ihrer einzelnen Ansprüche jedenfalls verfehlt. Eine solche ist nämlich nur dann gegeben, wenn sich die Urteilswirkungen kraft der Beschaffenheit der streitgenössischen Rechtsverhältnisses (anspruchsgebunden) oder kraft gesetzlicher Vorschrift (wirkungsgebunden) auf alle Einzelpersonen erstrecken. Im Zweifel liegt eine einheitliche Streitpartei daher vor, wenn wegen Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Einzelentscheidungen besteht (RS0035496 [T6]).
5. Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Begehren auf Leistung von Geldbeträgen immer ziffernmäßig genau die begehrte Geldsumme bezeichnen. Insoweit wird bei Geldleistungsklagen eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierungdes Klagebegehrens verlangt (RS0037874; 8 ObA 30/09h). Im vorliegenden Fall begehren die Kläger nach ihrem Klagsvorbringen „als Erbengemeinschaft“ einen Gesamtbetrag ohne Konkretisierung ihrer einzelnen Ansprüche, womit sie dem Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO nicht entsprechen. Der begehrte Leistungsbefehl würde keinen ausreichend bestimmten Exekutionstitel darstellen, zumal die Höhe der den jeweiligen Klägern zustehenden Ansprüchen daraus nicht hervorginge ( Geroldinger in Fasching/Konecny 3III/1 § 226 ZPO Rz 102 [Stand 1.8.2017, rdb.at]).
6.Dem Erstgericht ist entgegen der Ansicht der Berufungswerber auch nicht vorzuwerfen, dass es den geltend gemachten Gesamtbetrag nicht selbständig auf die einzelnen Erbquoten aufschlüsselte, auch wenn dies durch eine einfache Rechenoperation möglich gewesen wäre (vgl RS0000896, 2 Ob 92/19x; vgl Geroldinger in Fasching/ Konecny ³ § 226 Rz 105).
Entgegen dem nunmehr in der Rechtsrüge vertretenen Standpunkt, erwähnten die Kläger ihre Erbquoten in erster Instanz nämlich lediglich im Zusammenhang mit ihrer aktiven Klagslegitimation. Keiner Stelle ihres Vorbringens ist hingegen zu entnehmen, dass sie jeweils bloß den anteilsmäßigen Betrag entsprechend ihrer Erbquote begehren würden. Ihr nunmehriges Argument, wonach sie ohnedies bekannt gegeben hätten, in welcher Quotenhöhe dem jeweiligen Kläger auch der Anteil an der Forderung zustehe, ist daher nicht richtig.
Unabhängig davon qualifizierten sie das Vorbringen der Beklagten, wonach ein auf einen Gesamtbetrag lautendes Klagebegehren unzulässig sei (vgl ON 9, Seite 6), mit Verweis auf ihre „Erbengemeinschaft“ sogar ausdrücklich als unrichtig (vgl ON 10.1, Punkt 4.). Den abermaligen Einwänden der Beklagten in der Tagsatzung vom 12. März 2024, es lägen teilbare Nachlassforderungen vor und jeder Kläger müsse seinen Anspruch entsprechend seiner Pflichtteilquote geltend machen, bestritten sie explizit (vgl ON 15.2, Protokollseiten 2 und 28, letzter Absatz).
Damit beharrten sie auf ihrem auf einen Gesamtbetrag lautenden Klagebegehren.
Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die Beklagte nach dem Klagsvorbringen bereits einen erheblichen Betrag an die Kläger geleistet habe und weitere Beträge (ua für Vermächtnisse an den Witwer der Erblasserin) auf die Pflichtteilsansprüche anzurechnen seien. Ein Vorbringen, inwiefern diese Beträge den Klägern bislang zu gleichen Teilen zukamen bzw auf ihre Ansprüche anzurechnen seien, erstatteten die Kläger angesichts ihres rechtlich verfehlten Standpunktes zum Vorliegen einer Erbengemeinschaft nicht. Ein solches wäre aber notwendig gewesen, damit die Rechnung, wonach den Klägern von der Gesamtforderung ein Anteil entsprechend ihrer Erbquote zustünde, erst schlüssig wäre.
Wenn die Rechtsprechung bei Geldleistungsklagen eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens verlangt, durfte das Erstgericht vor diesem Hintergrund keinesfalls entgegen dem Willen der Kläger die Aufschlüsselung der Klagsforderung entsprechend der jeweiligen Erbquoten vornehmen.
7.Der Vollständigkeit halber bleibt noch anzumerken, dass die Klage im Ausmaß von 1/30 der Klagsforderung auch deshalb abzuweisen ist, weil die Achtklägerin den Anteil ihrer 4 Kinder – sie sind die weiteren Rechtsnachfolger des P* J* – in ihrem Namen ungeachtet der behaupteten Vollmacht nicht geltend machen kann, ist darin doch eine nach österreichischem Recht unzulässige Prozessstandschaft zu erblicken (RS0032788; RS0053157; RS0032699).
8. Zusammengefasst beurteilte das Erstgericht das Klagebegehren aus den dargelegten Gründen zutreffend als zu unbestimmt. Die darauf gestützte Abweisung der Klage erfolgte somit zurecht, weshalb die Berufung scheitert.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO waren nicht zu beantworten, sodass kein Anlass bestand, die ordentliche Revision zuzulassen.