JudikaturOGH

11Os114/25m – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
07. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Kontr. Tastekin als Schriftführerin in der Strafsache gegen * Z* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 14. April 2025, GZ 28 Hv 11/25y 54, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil (das auch einen unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält) wurde* Z* des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB (I/), des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II/) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in I* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant –

II/ am 21. Jänner 2025 der * W* eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Mobiltelefon der Marke Emporia Smart 6 Lite 4G Touchscreen, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt abgenötigt, indem er die Genannte zunächst verfolgte, auf sie zuging, nach der Uhrzeit fragte und, als sie das Telefon in die Hand nahm, versuchte, ihr dieses zu entreißen, sie festhielt und zu sich hinzog, sie teils heftig „schubste“ (US 11: und stieß, sodass W* beinahe zu Sturz kam), am Weitergehen hinderte, sie am Arm erfasste, in ihre Handtasche griff und daraus das Mobiltelefon sowie eine E Card und den Pensionistenausweis nahm;

III/ im Anschluss an die zu II/ beschriebene Tathandlung Urkunden, über die er nicht verfügen darf, nämlich eine E Card und einen Pensionistenausweis der * W*, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er diese nach der Wegnahme entsorgte.

Rechtliche Beurteilung

[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider bedurften die präzisierenden Angaben der Zeugin W* (ON 53 S 6 ff), dass das von ihr beschriebene wiederholte und zuletzt starke „Schupfen“ und „Stoßen“ konkret „mit dem Ellenbogen“ erfolgt war, keiner besonderen Erörterung, weil dieser Umstand weder in einem Widerspruch zu den sonstigen Angaben der Zeugin in Bezug auf entscheidende Tatsachen zu II/ noch zu den darauf bezogenen Urteilsfeststellungen steht (RISJustiz RS0098646).

[5] Die Kritik der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) an der Begründung der Feststellungen zum (100 Euro übersteigenden) Wert des zu II/ erbeuteten Mobiltelefons (US 11, 15) kann fallkonkret dahinstehen.

[6]Denn die in § 142 Abs 2 StGB aufgezählten Voraussetzungen der Privilegierung der Tat müssen kumulativ gegeben sein (RIS-Justiz RS0094279). Die Anwendung des § 142 Abs 2 StGB ist aber schon mit Blick auf die (nicht erfolgreich bekämpften) Feststellungen zum objektiven Tathergang ausgeschlossen. Danach „schubste“ und stieß der Angeklagte die 80-jährige, körperlich stark eingeschränkte, gebrechliche und auf eine Gehhilfe angewiesene * W* teils so heftig, dass diese – hätte sie sich nicht rechtzeitig an einem Brückengeländer festgehalten – zu Sturz gekommen wäre (US 11, 14 ff). Die solcherart gegen das Opfer eingesetzte physische Kraft ist gemessen an einem strengen, objektiv-individualisierenden Maßstab bereits als erheblich einzustufen (RIS-Justiz RS0094365, RS0094427 [T1]).

[7] Mit dem Hinweis auf Angaben der Zeugin W* zu ihrem Sehvermögen und darauf aufbauenden Erwägungen zur Beweiskraft ihrer Aussage sowie mit Überlegungen zum (Gebrauchs-)Wert (vgl RISJustiz RS0093721) des zu II/ erbeuteten Mobiltelefons gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (zu II/ oder III/) zu erwecken (zum Anfechtungsgegenstand vgl RISJustiz RS0118780, RS0119583).

[8] Die Rechts- und Subsumtionsrügen (Z 9 lit a und Z 10) vermissen Feststellungen zum (auch 100 Euro übersteigenden) Wert des zu II/ erbeuteten Mobiltelefons, orientieren sich dabei aber nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (siehe aber RISJustiz RS0099810, RS0117228), wonach das Gerät einen (objektiven) Wert von 249,99 Euro hatte (US 11, 16 f).

[9]Die für eine Anwendung des § 142 Abs 2 StGB eintretende Subsumtionsrüge (Z 10) erklärt nicht (RISJustiz RS0116569), weshalb der physische Zustand des Raubopfers (das im vorliegenden Fall aufgrund seiner körperlichen Verfassung zu Sturz gekommen wäre, hätte es sich nicht rechtzeitig an einem Brückengeländer festgehalten), und dessen Belastung im Vergleich zu Durchschnittsfällen nicht in die Beurteilung der Gewaltanwendung (als erheblich) einfließen sollten (erneut RISJustiz RS0094427, RS0094365).

[10]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken:

[11]Die zu I/6/ getroffenen Feststellungen (Wegnahme eines Fahrrads der * N* im Wert von 1.609 Euro am 21. Mai 2025 „durch Aufbrechen des Fahrradschlosses durch Öffnen dieser Sperrvorrichtung mit einem von * T* zur Verfügung gestellten widerrechtlich erlangten Schlüssel“ [US 2, 9 f, 16]) erschöpfen sich in Bezug auf die Qualifikation nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB in einem substratlosen Gebrauch von verba legalia (RIS-Justiz RS0119090). Eine rechtliche Beurteilung dieser Tat als Einbruch ist auf Basis dieses Urteilssachverhalts (schon in objektiver Hinsicht) nicht möglich (siehe RIS-Justiz RS0093895, RS0093818 RS0093619, RS0093636, RS0093898, RS0093692; Strickerin WK² StGB § 129 Rz 55 ff, 60 ff). Da dem Angeklagten zu I/ sonst keine Einbruchstat, sondern bloß einfacher (gewerbsmäßiger) Diebstahl zur Last liegt (siehe auch US 2, 9) entbehrt die zu I/ getroffene rechtliche Annahme der Erfüllung (auch) der Qualifikation nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage. Dieser nicht geltend gemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) gereicht dem Angeklagten nicht zum Nachteil, weil er ohne Einfluss auf den Strafrahmen und die Strafbemessung blieb (US 3, 19). Somit bestand auch kein Anlass zu amtswegiger Wahrnehmung. Das Oberlandesgericht ist bei seiner Entscheidung über die Berufung nicht an die fehlerhafte Subsumtion (zu I/) gebunden (RISJustiz RS0118870).

[12]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.