7Ob108/25w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Kurt Berger, Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L* und 2. C*, beide vertreten durch Reiffenstuhl Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G* AG, *, vertreten durch Eger/Gründl Rechtsanwälte OG, wegen 1.157.697,55 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2025, GZ 6 R 8/25b 104, womit in Folge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 30. Oktober 2024, GZ 1 C 366/20k 96, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Klagebegehrens auf Leistung von 1.143.048,04 EUR sA aufgehoben.
Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die darauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist auf Tomatenproduktion spezialisiert und betreibt Gewächshäuser. Die Beklagten betreiben die Aufzucht von Jungpflanzen. Die Klägerin beauftragte die Beklagen am 5. 6. 2019 mit der Aufzucht spezieller Tomatenjungpflanzen. Aufgrund eines Hagelereignisses wurden die Gewächshäuser der Beklagten, in denen sich zu diesem Zeitpunkt die für die Klägerin bestimmten Jungpflanzen befanden, stark beschädigt. Dadurch verwelkte ein Großteil dieser Pflanzen. Die Streitteile einigten sich deshalb am 1. 7. 2019 darauf, den gesamten Pflanzenbestand zu entsorgen und eine neue Aussaat vorzunehmen. 4.000 Pflanzen der Sorte „Reddery“ wurden dabei – vereinbarungswidrig – nicht entsorgt.
[2] Die Klägerin beauftragte die Beklagten damit, den Lieferausfall vollständig durch eine zweite Aussaat zu ersetzen. Die Lieferung war für die Kalenderwoche 34/2019 vereinbart. Die nicht vernichteten Pflanzen wurden allerdings neben der zweiten Aussaat der Klägerin aufgezogen, was zu einem Pilzbefall der gesamten Kultur führte. Trotz dieses Befalls wurden die Pflanzen bereits in der 33. Kalenderwoche an die Klägerin geliefert, die den Pilzbefall in der Folge erkannte. Die Klägerin, die aufrechte Lieferverträge zu erfüllen hatte, beschloss, die pilzbefallene Kultur eine Zeit lang zu retten und gleichzeitig eine Zwischenpflanzung vorzunehmen. Dadurch konnte sie den Minderertrag erheblich reduzieren.
[3] Die Klägerin begehrt den Ersatz erhöhter Personal und Sachkosten, bestehend aus Kosten für die Rettung pilzbefallener Pflanzen und aus Kosten für die vorgenommene Zwischenpflanzung sowie den restlichen entgangenen Gewinn.
[4] Im Einzelnen begehrt sie (jeweils gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres): Erhöhte Personalkosten für die Behandlung der pilzbefallenen Pflanzen für die Kalenderwochen (idF auch: KW) 34 bis 36/2019 von 4.652,69 EUR (Rettung der Kultur), den Mehraufwand für Personalkosten für die Durchführung der Zwischenpflanzung für die KW 38 bis 49/2019 von 76.504,17 EUR und für die KW 50/2019 bis 3/2020 den Mehraufwand für Personalkosten für die Entsorgung der pilzbefallenen Tomatenpflanzen von 19.545,09 EUR, an Personalkosten insgesamt daher: 100.701,95 EUR.
[5] Sie begehrt weiters Sachkosten von 276.314,54 EUR für zusätzliches Saatgut und weitere Aufwendungen für ihre Zwischenpflanzung, sowie die Kosten für die – trotz der Rettungsbemühungen erforderliche – Zukaufsware für die KW 43/2019 bis 2/2020 im Ausmaß von 281.641,90 EUR. Zuletzt macht sie den dennoch eingetretenen Ertragsverlust im Ausmaß von 529.611,10 EUR für die KW 43/2019 bis 2/2020 geltend. Das ergibt einen Bruttoschadenersatzbetrag von 1.157.697,55 EUR.
[6] Die Beklagten bestritten die geltend gemachten Schäden teils dem Grunde, teils der Höhe nach und wendete 114.350,65 EUR an Werklohn für die gelieferten Pflanzen als Gegenforderung ein.
[7] Das Erstgerichtist ausgehend von der ihm im ersten Rechtsgang überbundenen Rechtsansicht, die vertragliche Freizeichnungsbestimmung der Beklagten gelte nicht für krass grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz (vgl 7 Ob 166/22w) und der Feststellung, dass die Mitarbeiter der Beklagten den Pilzbefall vor Auslieferung erkannten, von einer Haftung der Beklagten für sämtliche geltend gemachte Schäden der Klägerin ausgegangen. Da die Klägerin den gesamten Gewinnausfall und ihre Rettungsbemühungen ersetzt bekomme und letztlich die Lieferung auch als Vertragserfüllung akzeptiert habe, könne von einer Wertlosigkeit der Leistung der Beklagten nicht ausgegangen werden, weshalb ihr der vereinbarte Werklohn zustehe.
[8] Es erkannte daher die Klagsforderung mit 1.157.697,55 EUR und die Gegenforderung der Beklagten in Höhe von 114.350,65 EUR als zu Recht bestehend und die Beklagten daher für schuldig, der Klägerin 1.043.346,90 EUR sA zu ersetzen.
[9] Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 114.350,65 EUR wies das Erstgericht ab.
[10] Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten dieses Urteil dahin ab, dass es als Teil und Teil /Zwischenurteil zu lauten habe, die Klagsforderung bestehe mit 14.649,51 EUR ebenso zu Recht wie die Gegenforderung, weshalb es das Klagebegehren in diesem Umfang abwies. Das weitere Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 1.143.048,04 EUR sA zu zahlen, erachtete das Berufungsgericht als dem Grunde nach zu Recht bestehend.
[11] Es bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass von krass grober Fahrlässigkeit der Beklagten – die sehenden Auges die pilzbefallene Kultur an die Klägerin geliefert hatten – auszugehen sei. Aufgrund dessen sei die Haftungsfreizeichnung für entgangenen Gewinn in ihren AGB nicht anzuwenden und daher die Schäden dem Grunde nach zu ersetzen. Allerdings hätten die Beklagten zu Recht moniert, dass ein Teil des Ertragsverlustes betreffend die KW 43 bis 45 noch nicht abschließend rechtlich zu beurteilen sei. Einerseits könne den Feststellungen entnommen werden, dass der Ertragsverlust zwischen der KW 43 und 46 gar nicht auf den Pilzbefall, sondern auf die ursprüngliche Vernichtung durch das Hagelunwetter zurückzuführen gewesen wäre. Es habe aber auch Anhaltspunkte in den Feststellungen gegeben, dass bereits der Pilzbefall ab der KW 43 zu einem geringeren Ertrag geführt habe. Im Ergebnis könne daher noch nicht beurteilt werden, ob der Ertragsverlust aus den KW 43 bis 45 auf den klagsgegenständlichen Pilzbefall oder (nur) das Hagelunwetter zurückzuführen sei. Für letzteren Fall wäre die Kausalität zu verneinen. Dasselbe gelte für die Zukäufe, die möglicherweise in den KW 43 bis 45 ebenfalls dem Hagel und nicht dem Pilzbefall zuzuordnen wären. Im Übrigen wären im Rahmen der Entsorgungskosten allenfalls Sowiesokosten zu berücksichtigen und sei hinsichtlich der Kosten für die Zwischenpflanzung möglicherweise eine Vorteilsanrechnung vorzunehmen, da sich nicht abschließend beurteilen lasse, ob diese Zwischenpflanzung nicht unabhängig vom Schaden weitere Zusatzerträge herbeigeführt hätte.
[12] Über die mit Teilurteil abgesprochenen Aufwendungen sei hingegen abschließend zu entscheiden gewesen, da diese jedenfalls dem geltend gemachten Schadensereignis zuzurechnen seien.
[13] Ausschließlich gegen das (Teil )Zwischenurteil richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag dahin, das Klagebegehren in diesem Umfang abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[14] Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt .
[16]1. Die geltend gemachte Nichtigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft. Sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[17] 2. Die Revision der Beklagten ist insoweit im Recht, als sie als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens moniert, dass über die hier gegenständlichen Ansprüche kein Zwischenurteil ergehen hätte dürfen:
[18]2.1. Nach § 393 Abs 1 ZPO kann das Gericht vorab über den Grund des Anspruchs durch Urteil entscheiden, wenn in einem Rechtsstreit ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig und die Verhandlung zunächst bloß in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif ist, und zwar auch wenn noch strittig ist, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Zur Erlassung eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs ist es somit erforderlich, dass alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die den Bestand berühren, geklärt sind (RS0040935; RS0122728; RS0040743). Die formale Zulässigkeit des Zwischenurteils ist eine prozessuale Frage, die im Rahmen der Verfahrensrüge überprüfbar ist.
[19] 2.2. Das vom Berufungsgericht aufgeworfene Kernthema betrifft eine möglicherweise fehlende Kausalität für die geltend gemachten Ansprüche zwischen der KW 43 und 46, weil der Ertragsverlust in diesem Zeitraum nach den – vom Berufungsgericht zu Recht als widersprüchlich angesehenen – Feststellungen des Erstgerichts entweder noch auf das Hagelereignis (und damit auf eine den Beklagten von der Klägerin nicht zum Vorwurf gemachte Ursache) oder bereits auf den klagsgegenständlichen Pilzbefall zurückzuführen ist. Die Kausalität als Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch betrifft den Grund dieses Anspruchs.
[20]2.3. Es muss bei einem Globalanspruch nicht die Rechtmäßigkeit jedes einzelnen Anspruchsteils feststehen, aber die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen für alle Teilansprüche müssen gegeben sein (RS0041036; vgl auch Deixler Hübner in Fasching/Konecny ZPO 3 § 393 Rz 6 und 10 ff). Da die Klägerin sämtliche diesbezüglich relevanten Schadenspositionen in ihrem Klagebegehren jeweils nach Position gesondert, aber für den gesamten Zeitraum als Pauschalbetrag geltend macht, lässt sich kein Betrag für diese drei in Rede stehenden Wochen errechnen. Erst nach Beantwortung der Frage, für welchen Zeitraum die Beklagten für einen Ertragsverlust der Klägerin zu haften haben, lassen sich die Schadenspositionen der restlichen erhöhten Personalkosten, Sachkosten für Zwischenpflanzung und Zukaufsware sowie der verbliebene Ertragsverlust zeitlich zuordnen und daher endgültig beurteilen.
[21]2.4. Überdies haben die Beklagten zu einzelnen Positionen – wie den Entsorgungskosten – den Einwand erhoben, es seien im Klagebegehren Sowiesokosten enthalten. Auch dieser Einwand betrifft den Grund des Anspruchs. Bereits an dieser Stelle sei festgehalten, dass hinsichtlich Sachkosten für die Zwischenpflanzung auch der Einwand der Beklagten im Raum steht, die Klägerin habe mit dieser einen über den Ausgleich des Ausfalls aufgrund der pilzbefallenen Pflanzen hinausgehenden Mehrertrag erzielt, der ihr im Rahmen eines Vorteilsausgleichs (der nach jüngerer Rechtsprechung, vgl RS0022788 [T5] aber nicht den Grund des Anspruchs betrifft) anzurechnen wäre.
[22] 2.5. In diesem Zusammenhang wird auch – widerspruchsfrei – festzustellen sein, ob die Klägerin „mit den pilzbefallenen Pflanzen“ in den KW 43/2019 bis 2/2020 552.039 kg Tomaten „produzieren“ konnte oder in dieser Menge auch bereits die zugekaufte Ware enthalten ist. Letzteres legt das Sachverständigengutachten nahe, weshalb das Berufungsgericht eine Korrektur dieser „Aktenwidrigkeit“ vorgenommen hat. Ein weiteres Eingehen auf die – von den Beklagten als ein Abgehen von den Feststellungen ohne Beweiswiederholung gerügte – Zulässigkeit dieser Vorgehensweise erübrigt sich aufgrund der aufhebenden Entscheidung.
3. Zu den weiteren Einwänden der Beklagten in ihrer Revision:
[23]3.1. Die Beklagten entfernen sich in ihrer Revision über weite Strecken vom festgestellten Sachverhalt (RS0043312) und führt – in dritter Instanz unzulässige – Beweisrügen (vgl RS0069246) aus. Insbesondere vermögen die Beklagten keinen Verstoß des Sachverständigen gegen zwingende Denkgesetze darzulegen (RS0043320 [T2, T7, T21]; RS0043404). Die weiters in diesem Zusammenhang geltend gemachten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO) oder wurden vom Berufungsgericht bereits verneint (RS0042963; RS0106371).
[24] Das betrifft insbesondere
* die bestanden habenden Lieferverpflichtungen und getätigten Zukäufe der Klägerin,
* das Erkennen des Pilzbefalls vor Ablieferung durch die Beklagten.
[25]3.2. Zusammengefasst sind diese Streitpunkte abschließend erledigt. Die Beantwortung jener Fragen und derer, die im Aufhebungsbeschluss zu 7 Ob 166/22w auf Grundlage des gegebenen Sachverhalts bereits entschieden wurden, können im fortgesetzten Verfahren auch aufgrund eines neuen Tatsachenvorbringens nicht mehr in Zweifel gezogen werden (RS0042031). Das Verfahren ist vielmehr auf den von der Aufhebung betroffenen Teil beschränkt (RS0042031 [insb T4]).
[26] 4. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren widerspruchsfreie Feststellungen ausschließlich zu folgenden Themen zu treffen haben:
* für welchen Zeitraum (ab KW 43, 45 oder 46 ?) das festgestellte Fehlverhalten der Beklagten in Form der Lieferung pilzbefallener Pflanzen für den darauffolgenden Ertragsverlust der Klägerin kausal war,
* und daran anschließend, welche der geltend gemachten Personal- und Sachkosten und welche Kosten für Zukaufsware für diesen Zeitraum schadenskausal angefallen sind (unter Berücksichtigung des Einwands allfälliger Sowiesokosten) und welcher Ertragsverlust in diesem Zeitraum dennoch verblieben ist (dabei wird auf den Einwand des Vorteilsausgleichs und die in Punkt 2.5. aufgezeigte Widersprüchlichkeit Bedacht zu nehmen sein).
[27] Die Beurteilung, ob es dazu einer Verfahrensergänzung bedarf, bleibt dem Erstgericht überlassen.
[28] 5. Damit war der Revision im Sinn ihres Aufhebungsantrags Folge zu geben.
[29]6. Die Kostenentscheidung gründet auf § 52 Abs 1 Satz 4 ZPO.