4Ob13/25b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die Berger Grobovschek Perfeller Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Burgemeister Alberer Rechtsanwalts-Partnerschaft (OG) in Klosterneuburg, wegen 422.601,05 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 308.500 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2024, GZ 13 R 95/24x 151, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der beklagte Werkunternehmer ist dem Kläger aufgrund eines Wasserschadens in dessen Haus nach einem Austritt von Poolwasser zum Schadenersatz verpflichtet.
[2] In dritter Instanz ist nur mehr der vom Kläger begehrte merkantile Minderwert strittig, den er mit 5 % des Liegenschaftswerts von (geschätzt) 6,75 Mio EUR ansetzte, sohin 337.500 EUR. Durch den Wasseraustritt seien einerseits Feuchtigkeitsschäden an den Wänden des Wohnhauses entstanden, die mittels Austrocknung behoben worden seien, wofür jedoch der Parkettboden an mehreren Stellen angebohrt habe werde müssen. Andererseits sei das Mauerwerk dauerhaft mit Chlorid kontaminiert. Zwar sei dessen Konzentration nach den Verfahrensergebnissen nicht so hoch, dass eine Korrosion der Stahlbewehrung drohe und Sanierungsmaßnahmen erforderlich wären. Ungeachtet der zwischenzeitigen Reparatur des Pools könne ein neuerlicher Wasseraustritt und dadurch ein Übersteigen der Grenzwerte aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Gerade im Luxussegment würden sich derartige Vorschäden und Risikoerhöhungen negativ auf den Marktwert auswirken.
[3] Das Erstgericht sprach dem Kläger (neben anderen Kosten) 18.000 EUR als Wertminderung für den beschädigten Parkettboden zu und 29.000 EUR als merkantilen Minderwert aufgrund des Wasserschadens und verwies ihn im Übrigen hinsichtlich der Chloridbelastung auf ein außergerichtliches Anerkenntnis des Feststellungsbegehrens durch den Haftpflichtversicherer.
[4] Das Berufungsgericht gab einer Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision wegen der Einzelfallbezogenheit nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die Differenz von 308.500 EUR zwischen dem eingeklagten und dem zugesprochenen Minderwert begehrt, ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen .
[6] 1.Als merkantile Wertminderung bezeichnet die Rechtsprechung einen Schaden, der dem Geschädigten nach (und trotz) einwandfreier und vollständiger Reparatur der beschädigten Sache verbleibt, und der sich (in der Regel und ausgenommen ganz geringfügige und harmlose Schäden) aus der gefühlsmäßigen Abneigung des Käuferpublikums gegen reparierte Sachen ergibt (vgl RS0031205 [T3], RS0031166, RS0109556). Die merkantile Wertminderung ist positiver Schaden, der neben den Kosten der Behebung der technischen Wertminderung, also der Reparatur der beschädigten Sache, ersetzt werden muss (RS0031205, RS0030406), und ist auch bei Liegenschaften ersatzfähig (vgl RS0109556; 10 Ob 59/22g).
[7]Der merkantile Minderwert ist nach objektiven Gesichtspunkten festzusetzen, ohne Rücksicht auf einen nachträglichen Verkauf (vgl RS0030378).Bei der Ermittlung ist vom Differenzbetrag zwischen dem Zeitwert im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses und dem im reparierten Zustand auszugehen (RS0030366). Die Behauptungsund Beweislast für das Vorliegen und die Höhe des merkantilen Minderwerts trifft grundsätzlich den Geschädigten (vgl RS0030106, RS0022759).
[8] Ob im Einzelfall eine merkantile Wertminderung in tatsächlicher Hinsicht eingetreten ist, ist eine der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Tatfrage(vgl RS0030366 [T1];10 Ob 59/22g). Auch die Ermittlung des Verkehrswerts von Liegenschaften gehört dem Tatsachenbereich an (vgl RS0043122 [T11]).
[9] 2.Indem der Kläger in seiner Revision beanstandet, dass die Vorinstanzen bei der Ermittlung des merkantilen Minderwerts zu Unrecht die Chloridkontamination außer Acht gelassen hätten, zeigt er keine Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[10] Das Erstgericht hielt in seinem Urteil – dem für die Immobilienbewertung beigezogenen Sachverständigen folgend – fest, dass es sich um eine Spezialimmobilie im Hochpreissegment mit einer besonders sensiblen Käuferschicht handle, weswegen trotz der unter 10 % des Verkehrswerts liegenden Sanierungskosten nicht von einem bloßen Bagatellschaden gesprochen werden könne. Setze man die Schadensbeseitigungskosten in Relation zum Verkehrswert des Objekts unter Berücksichtigung einer – äußerst pessimistisch angenommenen – Wiedereintrittswahrscheinlichkeit eines Wasserschadens von 50 % und der Vergessenheitskurve (Annahme: 15 Jahre), so lasse sich ein merkantiler Minderwert aufgrund der Feuchtigkeitsschäden zum Stichtag 7. 8. 2019 mit 29.000 EUR berechnen. Dabei werde berücksichtigt, dass ein kleinerer Käuferkreis bereits von den Feuchtigkeitsschäden erfahren haben könnte, nicht aber, dass es zu einer Chloridbeaufschlagung der Betonbauteile gekommen sei, weil diese laut bautechnischem Sachverständigen keinen technischen Minderwert mit sich bringe und (mit Ausnahme einer unbeachtlichen Sanierung im Bereich eines Deckenspots) auch keine Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich mache.
[11]Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass ihm schon durch den Verbleib von (aufgrund der Gefahr der Summierung potentiell schädigendem) Chlorid in den Mauern ein Schaden iSd § 1293 ABGB entstanden ist, muss ein solcher aber nicht zwingend auch zu einem merkantilen Minderwert führen. In concreto geht es um die Frage, ob die aus dem Wasserschaden im Jahr 2015 resultierende Folge „risikoerhöhende Chloridbelastung“ zu einem eigenständigen und zusätzlich zur Durchfeuchtung ersatzfähigen merkantilen Minderwert führte.
[12] Das Berufungsgericht legte die Feststellungen des Erstgerichts jedoch dahin aus, dass die bestehende Chloridkontamination derart geringfügig sei, dass dadurch weder eine technische nocheine merkantile Wertminderung eingetreten sei, zumal konkrete negative Auswirkungen des Chlorids rein hypothetischer Natur seien. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall begründet aber regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891). Dieses Ergebnis steht weiters in Einklang mit den Ausführungen der Sachverständigen sowie mit der Rechtsprechung, wonach nicht bei jedem, noch so geringen Schaden auch von einer merkantilen Wertminderung auszugehen ist (vgl RS0031166).
[13] Damit ist aber die Prämisse der Revision unzutreffend, die Vorinstanzen hätten einen merkantilen Minderwert für eine Chloridkontamination überhaupt nicht geprüft. Im Ergebnis macht die Revision sohin keine Rechtsfragen geltend, sondern wendet sich mit der Behauptung, durch die Chloridbelastung läge ein Wertund Nutzungsnachteil vor, gegen die Höhe der für den Wasseraustritt aus dem Pool ermittelten Schadensposition „merkantiler Minderwert“ mit 29.000 EUR, was jedoch als Tatfrage der Überprüfung des Obersten Gerichtshofs entzogen ist. Selbst wenn man die Anwendung des § 273 ZPO unterstellt, hängt deren Ergebnis von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher – von Fällen gravierender Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0111576 [T2, T4], RS0121220 ). Eine solche kann die Revision jedoch nicht aufzeigen.
[14] 3. Da das Berufungsgericht – jedenfalls vertretbar – davon ausgehen durfte, dass die vom Erstgericht zur merkantilen Wertminderung getroffenen Feststellungen auch die Chloridproblematik berücksichtigen, hat es ebenso vertretbar das Vorliegen von sekundären Feststellungsmängeln dazu verneint (vgl RS0053317 [T1]). Überdies ging es bereits im Sinne des Klägers davon aus, dass ein weiterer Wasseraustritt aus dem Pool keineswegs ausgeschlossen ist, sodass auch den dahingehend gerügten Feststellungsmängeln keine Entscheidungsrelevanz zukommt.
[15] Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.