2Ob74/25h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Lorenz Strobl Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Wien 3, Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Tramposch Partner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, wegen 149.212,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 29. Jänner 2025, GZ 4 R 173/24h 24, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. September 2024, GZ 41 Cg 130/23w 17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.944,14 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 490,69 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin betreibt ein Hotel und bietet dort unter anderem ein „ Parkservice“ an, bei dem Mitarbeiter das Einparken von Fahrzeugen in der Garage übernehmen. Am 10. 2. 2023 steuerte ein Mitarbeiter ein von einem Gast gehaltenes und in Deutschland haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug trotz Rotlicht in die geschlossene Tür eines KFZ Aufzugs der Garage, wodurch dieser Aufzug beschädigt wurde. Dem lag, wie auch die Klägerin zugesteht, ein Fahrfehler des Mitarbeiters zugrunde. Die AGB der Klägerin sehen außer bei Personenschäden einen Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit vor.
[2] Die Klägerin begehrt die Zahlung von 149.212,67 EUR sA für die am KFZ Aufzug entstandenen Schäden. Der den Parkservice durchführende Mitarbeiter sei der Halterin des PKW als Betriebsgehilfe nach dem EKHG zuzurechnen.
[3] Der beklagte Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs wandte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – ein, der Mitarbeiter der Klägerin sei dieser nach § 1313a ABGB im Rahmen des Beherbergungsvertrags zuzurechnen, weshalb die Klägerin für ihren Schaden selbst aufzukommen habe.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der von der Klägerin angebotene Parkservice sei im Gesamtbild der Leistungen der Klägerin im Rahmen des Beherbergungsvertrags eine Serviceleistung, aufgrund derer § 1313a ABGB zur Anwendung komme. Daraus entstünden auch Schutz und Sorgfaltspflichten sowie die Nebenleistungspflicht zur sorgfältigen Verwahrung des PKW gegenüber der Halterin. Aufgrund der Zurechnung des Mitarbeiters nach § 1313a ABGB gelte die Klägerin im Rahmen des Haftpflichtverhältnisses zur Kfz Versicherung des PKW als mitversichert und sei damit keine „Dritte“ im Sinn des § 26 KHVG. Demnach stünde ihr kein direktes Klagerecht gegen den Versicherer und damit im Ergebnis auch nicht gegen den hier beklagten Verband zu.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung keine Folge. Es bejahte ein direktes Klagerecht der Klägerin; diese sei aufgrund des Parkvorgangs weder mitversichert noch Mithalterin des PKW. Die Klägerin sei allerdings selbst als Betriebsgehilfin der Halterin des PKW anzusehen und habe sich im Weiteren das Fehlverhalten ihres Mitarbeiters zurechnen zu lassen und damit für ihren Schaden selbst aufzukommen.
[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Verschuldenszurechnung von Betriebsgehilfen im Sinn des § 19 Abs 2 EKHG bei juristischen Personen fehle.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung in eine Klagsstattgebung, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung , die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig ; sie ist aber nicht berechtigt.
[10] 1. Der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer nach § 26 KHVG beruht auf einem gesetzlichen Schuldbeitritt, durch den die Schadenersatzansprüche des geschädigten Dritten gegen den Schädiger durch Hinzutritt eines weiteren leistungsfähigen Schuldners verstärkt werden sollen (RS0065779). Die Klägerin hat einen Schaden an ihrem Vermögen erlitten. Sie ist nicht mitversichert iSv § 2 Abs 2 KHVG, weil sie durch die kurzfristige Gebrauchsüberlassung nicht (Mit )Halterin des Kraftfahrzeugs wurde ( RS0058184 ) und als beim Betrieb tätige Personen nur natürliche Personen in Betracht kommen ( 7 Ob 87/13i ). Daher ist sie grundsätzlich geschädigte Dritte iSd § 26 KHVG und damit zum Geltendmachen eines Schadenersatzanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer legitimiert. Dieser Anspruch richtet sich hier aufgrund des Grüne Karte Systems (§ 62 Abs 1 KFG) gegen den beklagten Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (vgl 2 Ob 35/15h, Pkt 1.2).
[11] 2. Allerdings bestand zwischen der Klägerin und der Halterin des Fahrzeugs ein Beherbergungsvertrag, und der Schaden wurde bei Erfüllung dieses Vertrags durch einen Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen) der Klägerin grob fahrlässig verursacht. Diese vertragliche Sonderbeziehung lässt im konkreten Fall das Begehren der Klägerin scheitern:
[12] 2.1. Nach § 1313a ABGB haftet derjenige, der sich zur Erfüllung einer Verpflichtung aus einer rechtlichen Sonderverbindung eines Gehilfen bedient, für das Verschulden dieses Gehilfen, als wäre es sein eigenes. § 1313a ABGB ist nicht nur dann anwendbar, wenn Hauptpflichten durch einen Gehilfen erfüllt werden, sondern auch dann, wenn dem Gehilfen die Erfüllung von Neben , Schutz oder Sorgfaltspflichten übertragen wird (vgl RS0017049). Lediglich der Bereich der bloßen Gefälligkeitszusage fällt aus dem Bereich der strengen Haftung gemäß § 1313a ABGB (vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.09 § 1313a Rz 18 mwN). Eine solche bloße Gefälligkeit liegt im Fall eines von einem Hotel angebotenen Parkservice jedenfalls nicht vor. Ein solches Service ist regelmäßig Teil eines möglichst breiten und ein Maximum an Komfort bietenden Angebots an den Kunden, das im Gegenzug ein höheres Preissegment rechtfertigt und damit in einem Austauschverhältnis steht. Das Verhalten des Mitarbeiters ist der Klägerin daher gemäß § 1313a ABGB zuzurechnen.
[13] 2.2. Der Beherbergungsvertrag ist nach ständiger Rechtsprechung ein „gemischter“ Vertrag, der nicht nur miet , sondern auch werk , kauf und dienstvertragliche Elemente aufweist und aus dem sich Schutz und Sorgfaltspflichten ergeben (vgl RS0020600 ; RS0020591 ; RS0020884 ). Die Einbringung eines Fahrzeugs im Rahmen einer solchen Beherbergung begründet eine Verwahrungspflicht als selbständige Nebenpflicht des Gastaufnahmevertrags ( 6 Ob 645/81 = RS0019180 ; 7 Ob 299/97i mwN). Die Klägerin schuldete daher der Halterin des Kfz, die ihr Hotel im Rahmen des Beherbergungsvertrags benutzte und das angebotene Parkservice in Anspruch nahm, jedenfalls einen sorgfältigen Umgang mit ihrem Fahrzeug. Dazu zählt auch, dass mit dem in ihre Obhut übergebenen Fahrzeug – auch von ihren Erfüllungsgehilfen – keine Schäden an anderen Rechtsgütern verursacht werden. Wären daher im vorliegenden Fall Rechtsgüter eines Dritten beschädigt worden und hätte die Beklagte dafür nach dem EKHG Ersatz leisten müssen, so hätte die Klägerin bei grober Fahrlässigkeit ihres Mitarbeiters aufgrund des Vertrags Regress leisten müssen.
[14] 2.3. Die Beschädigung von Sachen der Klägerin selbst kann bei richtigem Verständnis des Vertrags zu keinem anderen Ergebnis führen. Ein Vertrag ist unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ( RS0017817 [T3] ; RS0017902 ) so auszulegen, wie er bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen war (vgl auch RS0113932 ). Welche Interessen einer Vertragspartei geschützt und daher vom anderen Teil zu wahren sind, ist dabei nach allgemeinen Grundsätzen nach Sinn und Zweck des konkreten Vertrags zu ermitteln ( RS0023150 [T1]; RS0017850 ), der auch bestimmt, wem welches Risiko zur Last fällt ( RS0017850 [T4] ). Ausgehend davon ergibt die Auslegung des hier vorliegenden Vertrags in Ansehung des Zusatzangebots „Parkservice“, dass ein Einstehen des Gastes nach dem EKHG für von einem dem Beherbergungsbetrieb zuzurechnenden – grob fahrlässig handelnden – Mitarbeiter jedenfalls konkludent ausgeschlossen wurde. Dafür spricht die der Klägerin eindeutig erkennbare Interessenlage des den Parkservice in Anspruch nehmenden Gastes (zur Berücksichtigung erkennbarer Interessenlagen des Vertragspartners im Rahmen der Vertragsauslegung vgl auch 7 Ob 99/23v Rz 32 ff ), der keine berücksichtigungswürdigen Interessen der Klägerin entgegenstehen. Es ist die Klägerin, der die Auswahl des den Parkservice durchführenden Mitarbeiters obliegt, der damit ihrer Risikosphäre wesentlich näher steht.
[15] 3. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die Klägerin auf eine Geltendmachung von Ansprüchen aus Gefährdungshaftung im Rahmen des hier angebotenen Parkservices konkludent verzichtet hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verhalten des Gehilfen – wie hier – nur als grob fahrlässig qualifiziert werden kann, sodass auch der in den AGB der Klägerin enthaltene Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit dieser Auslegung nicht entgegensteht.
[16] 4. Die Vorinstanzen haben daher das Klagebegehren schon aus diesem Grund zu Recht abgewiesen. Auf die Frage, ob das Verschulden des Mitarbeiters tatsächlich der Halterin zuzurechnen ist, kommt es unter diesen Umständen nicht an.
[17] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.