11Os35/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eißler als Schriftführerin in der Strafsache gegen * O* wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensischtherapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Jänner 2025, GZ 34 Hv 166/24i91.2, weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * O* des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 StGB (I/) sowie jeweils mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II/A/) und nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (II/B/) schuldig erkannt.
[2] Weiters ordnete das Erstgericht (US 20) die strafrechtliche Unterbringung des Genannten in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach§ 21 Abs 2 StGB an.
[3] Danach hat * O* in W*
I/ B* G* im Zeitraum von zumindest 28. Juni 2024 (binnen Stunden nach der Hauptverhandlung und Urteilsfällung zu AZ 61 Hv 31/24p des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom selben Tag ) bis 17. September 2024 in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er sie mehrmals täglich, insgesamt (US 6, 10: mindestens) 1.465 Mal fernmündlich, 159 Mal via E Mail und mehrfach per SMS kontaktierte;
II/ Nachgenannte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
A/ B* G* von 28. Juni 2024 bis 3. Juli 2024 mehrfach mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er unter anderem schrieb: „Wenn ich brenne, wirst du auch brennen“, „ich werde dir alles antun, was ich nicht gemacht habe“, „Ich werde nicht ins Gefängnis gehen, bevor ich dein Leben in eine Hölle wandel“, „In dem Auto, das du fährst sollen alle sterben, aber du lebe Hure“, „Ich werde alles, was ich geschrieben habe verwirken, ich werde dein Leben ficken“, „Du sollst danach nicht vor dem Spiel Angst haben, sondern fürchte dich vor mir!“, „Ich lasse dich bereuen, dass du geboren bist“;
B/ am 17. September „2014“ (US 7 richtig: 2024) nach seiner Festnahme in der Polizeiinspektion V* jeweils via Telefon, wobei die Drohungen mit dem Tod der B* G* jeweils „gegen persönlich nachstehende Personen der B* G* gerichtet“ waren (erkennbar gemeint: gegenüber B* G* persönlich nahestehenden Personen geäußert wurden) und B* G* hätten zugehen sollen, und zwar
1/ P* G*, die Mutter der B* G*, indem er sie anrief und zu ihr sagte: „Guten Tag, ich sage ihnen, das Erste, wenn ich von hier wegkomme, ich komme und töte ihre Tochter. Das können sie als Drohung auffassen“.
2/ * A*, die Schwester der B* G*, indem er sie anrief und zu ihr sagte: „Hallo, ich bin gerade in der Zelle. Ich rufe an, um dir und deiner Familie zu versprechen, dass das Erste was ich mache, wenn ich hier wieder rauskomme ist, deine Schwester umzubringen. Egal wann ich wieder rauskomme, ob morgen oder in einem Jahr, das Erste was ich mache ist, ich töte deine Schwester. Ich habe sowieso nichts mehr zu verlieren.“
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[5] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 23. Jänner 2025 (zu II/B/) gestellten Antrags „festzustellen, welche Polizisten zuständig zu dem Zeitpunkt der Verhaftung am 17.9.2024 in der Polizeiinspektion V* waren,“ (ON 91.1 S 39 f) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.
[6] Denn das Anliegen, damit aufzuklären, „wie die Anrufe stattgefunden haben, ob Polizisten anwesend waren und für den Fall ja, wann und wie eingeschritten worden ist, insbesondere da die Anrufe auf Deutsch erfolgten, um zu klären, was wirklich der Sachverhalt am 17. 9. 2024 im Rahmen der Verhaftung bis zur Abnahme des Mobiltelefons war“, lief auf eine im Stadium der Hauptverhandlung unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (RISJustiz RS0118123).
[7] Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RISJustiz RS0099618, RS0099117).
[8] Feststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge (Z 5) anfechtbar, als sie für die Schuld oder Subsumtionsfrage entscheidend sind (RISJustiz RS0117499). Die Mängelrüge ist zudem nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RISJustiz RS0119370).
[9] An diesen Voraussetzungen scheitert die Beschwerde (Z 5 dritter Fall), soweit sie die Urteilsfeststellungen, wonach B* G* „so gut wie keinen“ der (zu I/ inkriminierten) Anrufe des Angeklagten entgegennahm (US 6), und die zur subjektiven Tatseite angestellten beweiswürdigenden Erwägungen, dass „die Kontakte unerwidert“ blieben (US 12), als widersprüchlich (RISJustiz RS0119089) kritisiert. Die „Beantwortung“ einzelner von unzähligen unerwünschten Anrufen betrifft nämlich keine für die Gesamtbelastung des Opfers entscheidende Tatsache (vgl RISJustiz RS0130054). Im Übrigen ist aus dem Gesamtkontext (US 10 ff) klar erkennbar, dass der Passus „unerwidert“ auf eigeninitiative Kontaktaufnahmen durch das Opfer abstellt, und dass die Tatrichter – auf Basis der Aussagen der Zeugin A* (US 11 iVm ON 91.1 S 33 f) und des Umstands, dass nur ein Mobiltelefon und zwei SIM Karten des Angeklagten ausgewertet werden konnten, der Angeklagte das Opfer aber mit verschiedenen und teilweise unterdrückten Telefonnummern angerufen hatte (vgl US 6, 10) – von der „Beantwortung“ einzelner Anrufe aus Verzweiflung oder Frustration ausgingen.
[10] Dem Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) zuwider haben die Tatrichter den Inhalt des aus dem sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten extrahierten Anrufprotokolls (ON 64.3, ON 65.2) keineswegs unrichtig wiedergegeben (US 11; RISJustiz RS0099547). Indem die Beschwerde die aus diesem Anrufprotokoll sowie aus Anrufprotokollen aus dem Mobiltelefon des Opfers sowie aus Angaben der Zeuginnen B* G* und A* abgeleiteten Schlussfolgerungen zu Häufigkeit und Unerwünschtheit der Kontaktaufnahmen durch den Angeklagten (US 10 ff) kritisiert, bekämpft sie bloß die schöffengerichtliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), die unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden kann (RISJustiz RS0099524).
[11] Mit der Behauptung mangelnder Ernstlichkeit der zu II/A/ und II/B/ inkriminierten Drohungen vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die anderslautenden erstgerichtlichen Feststellungen (US 7 f) zu diesen Tatfragen (vgl RISJustiz RS0092437) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810). Soweit der Beschwerdeführer einerseits aus seinen Angaben, aus solchen der Zeugin B* G* (zu II/A/) und aus dem Umstand seiner Verhaftung am 17. September 2024 (zu II/B/) andere Schlüsse zum Bedeutungsinhalt und Zweck der inkriminierten Äußerungen gezogen wissen will, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 12 ff) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die als erhoben zu betrachtende Beschwerde folgt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).
[13]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.