JudikaturJustiz9ObA92/02y

9ObA92/02y – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Josef Sinzinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Werner M*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, wegen Feststellung und EUR 66.923,90 (Gesamtstreitwert EUR 244.420,40 sA), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 2002, GZ 9 Ra 371/01x-20, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Oktober 2001, GZ 5 Cga 15/01d-17, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beklagte Gesellschaft wird, wenn mehrere Geschäftsführer bestellte sind, durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder durch einen von ihnen gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. Die Generalversammlung kann, auch wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, einzelnen von ihnen selbstständige Vertretungsbefugnis erteilen. Nach der letztgenannten Bestimmung des Gesellschaftsvertrages wurden der Kläger, welcher Gesellschafter ist und Ing. Friedrich K*****, welcher ebenfalls Gesellschafter ist, zu einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführern bestellt, was am 1. 10. 1999 im Firmenbuch eingetragen wurde.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis zur Beklagten aufrecht sei sowie die Zahlung von - zuletzt - S 920.893 netto sA. Er brachte hiezu vor, dass der andere Geschäftsführer ihm gegenüber die Kündigung des ebenfalls bestehenden Angestelltenvertrages ausgesprochen habe. Diese sei infolge des Fehlens eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses jedoch unwirksam geblieben.

Die beklagte Partei beantragte, zunächst vertreten durch den anderen Geschäftsführer dieser vertreten durch einen Rechtsanwalt die Abweisung des Klagebegehrens.

Dem Erstgericht wurde die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses des Beklagtenvertreters am 16. 8. 2001 bekannt gegeben (ON 10). Mit Schreiben vom 7. 8. 2001 trat der andere Geschäftsführer Ing. Friedrich K***** gemäß § 16a GmbHG als Geschäftsführer zurück. Mit Wirkung vom 11. 9. 2001 wurde die Geschäftsführerfunktion des Ing. Friedrich K***** im Firmenbuch gelöscht, sodass als vertretungsbefugter Geschäftsführer nur mehr der Kläger eingetragen ist. Die drei weiteren Gesellschafter sind nicht vertretungsbefugt. Mit Beschluss vom 8. 10. 2001 beraumte das Erstgericht die für den 11. 10. 2001 anberaumte Tagsatzung zu mündlichen Streitverhandlung ab und trug dem Kläger auf, binnen 14 Tagen die Bestellung eines Kollisionskurators zu beantragen.

Das Rekursgericht wies den dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs mit der Begründung zurück, dass es dem Kläger an einer Beschwer fehle, weil ihm der angefochtene Beschluss nicht die Möglichkeit nehme, Schritte zur Fortsetzung des Verfahrens zu setzen.

Das Rekursgericht hat die hier entscheidende Frage, ob eine Beschwer des Klägers gegeben ist, zutreffend verneint. Es reicht daher aus, auf die diesbezüglich richtige Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Wenn eine Partei gemäß § 158 Abs 1 ZPO die Prozessfähigkeit verliert, oder wenn der gesetzliche Vertreter einer Partei stirbt oder dessen Vertretungsbefugnis aufhört, ohne dass die Partei prozessfähig geworden ist, wird das Verfahren nur dann unterbrochen, wenn die von diesen Veränderungen betroffene Partei weder durch einen Rechtsanwalt noch durch eine andere mit Prozessvollmacht ausgestattete Person vertreten ist. Die Bestimmung des § 158 ZPO ist sowohl auf physische Personen als auch auf juristische Personen anzuwenden (Gitschthaler in Rechberger ZPO3 Rz 2 zu § 158). Der Kläger konnte seine Klage zunächst wirksam anbringen, da die beklagte GmbH noch durch den anderen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer vertreten war. Da gemäß § 39 Abs 3 ASGG kein Anwaltszwang besteht, bewirkte die durch den anderen Geschäftsführer ausgesprochene Vollmachtskündigung, dass die Prozessbefugnis des Beklagtenvertreters erlosch und die Beklagte nur mehr durch den anderen Geschäftsführer vertreten wurde. Durch die nachfolgende Löschung der Geschäftsführerfunktion des anderen Geschäftsführers verblieb aber nur mehr der Kläger als alleiniger Geschäftsführer, womit eine Interessenkollision entstand. Die Unterbrechnungsgründe des § 158 ZPO, die den Schutz der prozessunfähigen Partei bezwecken, sind vom Wortlaut her zu eng gefasst und daher auf gleich gelagerte Fälle auszudehnen (Fasching, ZPO Kommentar II 773). Wenngleich die als juristische Person prozessunfähige beklagte GmbH grundsätzlich in der Person des Klägers einen weiteren gesetzlichen Vertreter hat, war aber dessen Vertretungsbefugnis infolge der aufgezeigten Interessenkollision für das vorliegende Verfahren partiell aufgehoben. Daraus folgt, dass das Verfahren durch die Löschung der Funktion des anderen Geschäftsführers gemäß § 158 Abs 1 ZPO unterbrochen wurde und nach wie vor unterbrochen ist. Nach § 158 Abs 2 ZPO dauert die Unterbrechung so lange, bis der gesetzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Vertreter dem Gegner von seiner Bestellung Anzeige macht (- dies könnte infolge der Interessenkollision nur eine andere Person als der Kläger sein -) und das Verfahren aufnimmt. Gemäß Abs 3 leg cit kann, um eine solche Aufnahme zu bewirken, auch der Kläger die Ladung des gesetzlichen Vertreters der prozessunfähig gewordenen Partei oder des neuen gesetzlichen Vertreters beantragen. Wird ein solcher Vertreter nicht bestellt, ist es dem Kläger überdies unbenommen, einen Kurator gemäß § 8 ZPO zu beantragen (Fasching aaO 774, RIS-Justiz RS0049150; 6 Ob 125/99x, SZ 54/123). Solange aber weder ein gesetzlicher Vertreter noch ein (Kollisions)Kurator bestellt ist, bleibt das Verfahren unterbrochen. Der Auftrag des Erstgerichtes, binnen 14 Tagen einen Kollisionskurator zu beantragen, ist, wie vom Rekursgericht zutreffend erkannt, sanktionslos, weil dadurch die aufgezeigten Möglichkeiten des Klägers, das Verfahren fortzusetzen, in keiner Weise beschnitten werden.

Die Kostenentscheidung begründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.