JudikaturJustiz9ObA88/11y

9ObA88/11y – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. iur. Peter Krüger und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** G*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nennung eines Schiedsrichters (4.918,20 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2011, GZ 15 Ra 45/11x 14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin war vom 2. 4. 2009 bis 31. 7. 2010 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin beschäftigt. In ihrem (von der Beklagten formulierten) Dienstvertrag war vorgesehen: „Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten aus diesem Vertragsverhältnis ist in erster Linie ein Schiedsgericht zur Entscheidung anzurufen. Beide Vertragspartner haben einen Schiedsrichter innerhalb von 14 Kalendertagen zu nennen und diese haben sich innerhalb weiterer 14 Tage auf den Vorsitzenden zu einigen. Erst nach Vorlage des Schiedsspruches sind gegebenenfalls die ordentlichen Gerichte anzurufen.“

Die Vorinstanzen sahen darin die Vereinbarung einer zulässigen (RIS Justiz RS0085484) Schlichtungs-klausel und gaben dem Begehren der Klägerin, die Beklagte vertragskonform zur Nennung eines Schiedsrichters zu verpflichten, statt.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Gründe auf, die einem solchen Verständnis der Schlichtungsklausel in korrekturbedürftiger Weise entgegenstünden.

Das Wesen einer Schlichtung besteht im Bemühen einer unparteiischen Rechtsschutzeinrichtung, Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die zwischen den Parteien eines Einzelarbeitsvertrags bestehen, durch Herbeiführung einer Einigung beizulegen, sodass sich die Anrufung des Gerichts erübrigt. Die Nichteinhaltung einer Schlichtungsklausel begründet kein zur Klagszurückweisung führendes Prozesshindernis, sondern den materiellrechtlichen Einwand mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs (RIS Justiz RS0033687, RS0045292, RS0045298 ua). Ein Einlassungszwang im Sinne einer Verpflichtung, zu der von der Schlichtungsstelle angeordneten Verhandlung zu erscheinen, besteht grundsätzlich nicht (vgl Kuderna , Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, DRdA 1978, 4). Im Falle einer vereinbarten obligatorischen Schlichtung kann die Partei den Rechtsweg aber nur dann beschreiten, wenn sie die Schlichtungsstelle nicht nur angerufen hat, sondern auch an Versuchen zu einer gütlichen Einigung teilnimmt und vor Klagseinbringung alle in der vereinbarten Schlichtungsklausel vorgesehenen Verfahrensschritte einhält. Vor Klagseinbringung ist daher die Entscheidung der Schlichtungseinrichtung im zumutbaren Umfang abzuwarten (RIS Justiz RS0124078).

Im vorliegenden Fall verweigert die Beklagte die Mitwirkung an der Konstituierung eines Schlichtungsgremiums.

Dass § 587 Abs 3 ZPO die Möglichkeit bietet, bei Gericht die Bestellung von Schiedsrichtern für ein Schiedsverfahren iSd §§ 577 ff ZPO zu beantragen, wenn eine Partei nicht einem vereinbarten Bestellungsmodus entsprechend handelt, hindert noch nicht, die Schlichtungsklausel im Sinne einer erzwingbaren Schiedsrichterbestellung in einem Schlichtungsverfahren auszulegen.

Die Beklagte bringt dagegen vor, die gerichtliche Erzwingung der Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren impliziere bereits ein „Scheitern der freiwilligen Einigung“, sodass die Klägerin mit ihren Ansprüchen sogleich auf den Rechtsweg zu verweisen sei.

Dem steht entgegen, dass sich die Vertragspartner bewusst und verbindlich darauf geeinigt haben, einem gerichtlichen Prozess ein Schlichtungsverfahren vorangehen zu lassen. Damit haben sie sich sei es aus prozessökonomischen, sei es aus anderen Gründen verpflichtet, die Lösung eines Streitfalls zunächst in dieser Form der Konfliktbereinigung anzustreben. Richtig ist zwar, dass keiner der Vertragspartner zu einer Einigung im Schlichtungsverfahren gezwungen werden kann. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass Parteien mit der Einrichtung eines Schlichtungsgremiums in der Regel bezwecken, konfliktneutrale Personen mit ihrer Streitigkeit zu befassen, damit diese auf rasche, informelle und kostengünstige Weise streitschlichtend eingreifen und mit den Parteien eine außergerichtliche Lösung herbeiführen können. Der Erfolg dieses Unterfangens wird nicht zuletzt vom Verhandlungsgeschick und der Geeignetheit der Lösungvorschläge der bestellten Personen abhängen. Gerade diese Umstände bieten aber die Chance, dass auch derjenige, der gegenüber seinem Vertragspartner ein vertragskonformes Verhalten (Nennung eines Schiedsrichters) verweigert hat, von einer einvernehmlichen Streitbeilegung überzeugt werden kann. Eben einer solchen Möglichkeit Raum zu geben, haben sich die Streitteile aber verpflichtet.

Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin wird auch nicht dadurch beseitigt, dass sie hilfsweise bereits ein Leistungsbegehren gestellt und auch eine Leistungsklage beim Erstgericht (45 Cga 13/11x; dzt unterbrochen) eingebracht hat. Es bleibt ihr vorbehalten, sich im Sinne der dargelegten Rechtsprechung gegebenenfalls dem Einwand mangelnder Klagbarkeit ihrer Ansprüche auszusetzen.

Insgesamt bedarf die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Einhaltung des vereinbarten Verfahrens zur Schaffung der Voraussetzungen für ein Schlichtungsverfahren und der Tätigkeit eines Schiedsgremiums nach dem Parteiwillen durchsetzbar sein soll, keiner Korrektur.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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