JudikaturJustiz8ObA63/01z

8ObA63/01z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Georg Genser und Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann P*****, vertreten durch Dr. Kurt Klein ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei U***** OEG (früher GmbH), *****, vertreten durch Dr. Georg Pachernegg, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 300.000, - netto sA (Rekursstreitwert S 280.650,30 netto sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 2000, GZ 8 Ra 175/00t 65, mit dem infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. März 2000, GZ 34 Cga 24/95b 58 im angefochtenen Umfang aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war aufgrund eines am 18. 11. 1991 zwischen ihm und der beklagten Partei abgeschlossenen Vertrages, der als Werkvertrag bezeichnet wurde, für die beklagte Partei bis 13. 1. 1995 tätig und mit Detektivarbeiten betraut. Als Honorar wurde zunächst pro Stunde ein Betrag von S 100, - und mit Honorarvereinbarung vom 20. 5. 1994 von S 120, - je Einsatzstunde zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer vereinbart. Die beklagte Partei hat dem Kläger alles, was aufgrund des Werkvertrages vereinbart worden war, ausbezahlt und alle Auslagen ersetzt.

Das Vertragsverhältnis endete, als die beklagte Partei am 13. 1. 1995 vom Klagevertreter eine Fax Nachricht erhielt, wonach der Kläger die Abgeltung von Überstunden und die Ausbezahlung von Sonderzahlungen begehrte; er meinte, er stehe in einem Dienstverhältnis zur beklagten Partei. Daraufhin wurde er von der beklagten Partei aufgefordert, das Unternehmen sofort zu verlassen, seine Abrechnungen vorzulegen, den gewährten Vorschuss zurückzuzahlen und die in seinem Besitz befindlichen Materialien zurückzustellen.

Der erkennende Senat wertete in seiner Entscheidung vom 28. 8. 1997, 8 ObA 2347/96x, den Vertrag als Dienstvertrag und ging von einer ungerechtfertigten Entlassung des Klägers aus. Da zur Höhe der Bezüge des Klägers sämtliche Feststellungen fehlten, hob er die Entscheidung der Vorinstanzen unter Überbindung von Richtlinien zur Berechnung der Ansprüche des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

In im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil des Erstgerichtes ging dieses von einem Streitgegenstand von "restlich S 300.000, - netto" aus und sprach dem Kläger S 148.962,30 netto sA zu und wies ein Mehrbegehren von S 161.037,70 netto sA ab.

Es stellte ergänzend fest:

"Zwischen den Parteien konnte Übereinstimmung in folgenden Punkten erzielt werden:

1. Überstunden werden grundsätzlich keine verrechnet.

2. In der Abrechnungsperiode wurden 377 Nacht- bzw Sonntagsstunden geleistet, welche bei der fiktiven Lohnabrechnung in Form eines 100 %igen Zuschlags abgerechnet wurden (ohne Berücksichtigung des Überstundengrundlohns).

3. Als Berechnungsgrundlage dient eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 30 Stunden unabhängig wann und wie sie geleistet worden ist.

4. Spesen und Kilometergeld wurden gesondert verrechnet und sind nicht mehr in die fiktive Lohnverrechnung einzubeziehen.

5. Beendigungsansprüche, wie Abfertigung (2 Monatsentgelte), Urlaubsentschädigung (für 90 Werktage) und Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 14. 1. - 31. 3. 1995 werden abgerechnet.

Der Kläger erzielte folgendes Einkommen: im Jahr 1992 ein Jahresnettoeinkommen von S 178.345, , im Jahr 1993 eine Jahressumme von netto S 181.028, - und im Jahr 1994 ein Nettoeinkommen von S 220.451, .

Dies ergibt unter Berücksichtigung der Urlaubsabfindung von S 169.374, - eine Nettosumme an Lohnkosten von S 749.198, .

Der Kläger begehrt zusätzlich S 53.549, - an Prämien. Da er bereits S 31.765, - erhalten hat, verbleibt ein Restbetrag von S 21.784, . Wenn man 20 % USt dazu rechnet, ergibt dies einen Betrag von S 26.140,80. Um diesen Betrag erhöht sich somit die Lohnnettosumme auf S 775.338,80.

Wenn man nun davon den bereits erhaltenen außer Streit gestellten Betrag von S 626.376,50 abzieht, ergibt sich somit ein dem Kläger zustehender Betrag von S 148.962,30."

Rechtlich meinte das Erstgericht, das vorliegende Vertragsverhältnis sei als echtes Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Lohnsteuer und Sozialversicherung seien vom Dienstnehmer zu tragen. Zu klären sei, ob von den bereits zugeflossenen Beträgen aus dem Werkvertrag die Sozialversicherungsbeiträge vom Dienstnehmer oder vom Dienstgeber zu tragen seien. Diese Beiträge seien nach der Judikatur vom Dienstgeber zu tragen.

Das Berufungsgericht hielt im Ergebnis beide Berufungen für berechtigt und hob das angefochtene Urteil, soweit es nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen war, auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung (S 280.650,30 netto sA) an das Erstgericht zur weiteren Verhandlung und Urteilsfällung zurück. Das angefochtene Urteil leide an dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nahekommenden Mängeln, die eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Rechtssache hinderten. Insbesondere seien auch erheblich erscheinende Tatsachen in erster Instanz nicht hinreichend erörtert worden. Es sei unklar, welche Ansprüche überhaupt noch streitgegenständlich seien. Bei Gegenüberstellung der geltend gemachten Forderungen des Klägers und der wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes könne das Berufungsgericht einen nachvollziehbaren Zusammenhang nicht erkennen. Es sehe sich deshalb außer Stande, zu den Ausführungen in den Berufungen beider Parteien näher Stellung zu nehmen.

Zur Ermöglichung des Abschlusses des schon jahrelang anhängigen Verfahrens legte das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung zu den maßgeblichen Fragen dar und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil einerseits zur Frage der Abzugsfähigkeit von Sozialversicherungsbeiträgen bei nachträglicher Zahlung in Konstellationen wie der gegenständlichen keine hinreichend gesicherte Judikatur vorliege und auch die vom Berufungsgericht vorgegebene Berechnungsgrundlage für die Beendigungsansprüche auf der Grundlage der Vorgaben des Obersten Gerichtshofes in seinem Aufhebungsbeschluss nicht hinreichend gesichert erschienen: Vereinbarten die Parteien in der irrigen Annahme, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, einen Werklohn und zusätzlich Umsatzsteuer, so bilde der auf die Umsatzsteuer entfallende Betrag einen Bestandteil des Bruttoentgelts (9 ObA 189/95 = WBl 1996, 207 ua), von dem die Beendigungsansprüche und die Urlaubsentschädigung zu berechnen seien; hiebei seien die Vorgaben des Obersten Gerichtshofes in seinem Aufhebungsbeschluss zu beachten. Die rechtlichen Grundlagen für die Sonderzahlungen (Kollektivvertrag) seien noch festzustellen. Im Übrigen vertrat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung 9 ObA 222/93 = SZ 66/157 die Auffassung, dass der Dienstgeber auch bei verschuldeter Verspätung der Entgeltzahlung die darauf entfallenden Dienstnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten könne. Für eine echte Nettolohnvereinbarung dahin, dass dem Kläger auch bei der Beurteilung des gegenständlichen Verhältnisses als Dienstvertrag ein Nettolohn in Höhe des jeweils vereinbarten Betrages zuzüglich USt zukommen solle, finde sich kein Anhaltspunkt. Die Entrichtung der Steuer hätte durch den Kläger zu erfolgen gehabt.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Zuspruch von S 280.650,30 (netto) samt 9 % Zinsen ab 14. 1. 1995.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor.

Soweit das Berufungsgericht - im Übrigen voll zu Recht - Klarstellungen, insbesondere darüber, was noch klagsgegenständlich sei, und ein weiteres Beweisverfahren zur Klärung des Sachverhalts für nötig erachtet, und die Rechtssache deshalb an das Erstgericht zurückverwiesen hat, kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten.

Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der präzisen Ermittlung des dem Kläger noch gebührenden Nettobetrages, auf die bereits der Sachverständige hingewiesen hat, erschiene es dem erkennenden Senat im Übrigen zielführender, wenn der Kläger bei der ohnedies nötigen Aufgliederung seines Begehrens auf Bruttobeträge abzüglich bereits erhaltener Nettobeträge umstellt, wie dies sonst weitgehend üblich und auch zulässig ist (siehe SZ 54/169 = JBl 1982, 439; Arb 10.091 = DRdA 1985/2 [Burgstaller]; SZ 70/132 = DRdA 1997/15 [Kürner] = Arb 11.489; zuletzt 9 ObA 305/98p).

Zu Unrecht wendet sich der Kläger auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, was die Tragung der Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge betrifft.

Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers ist das Berufungsgericht nicht von einer uneingeschränkten Abzugsmöglichkeit der Dienstnehmeranteile der Sozialver- sicherungsbeiträge auch für bereits zugeflossenes Entgelt ausgegangen, sondern hat sich lediglich mit dem Abzug der auf die nachzuzahlenden Entgelte entfallenden - periodenkongruenten - Beiträge auseinandergesetzt und im Sinne der Entscheidung SZ 66/157 zutreffend ausgesprochen, dass sich aus § 60 Abs 1 ASVG keinerlei Beschränkungen für den Abzug der auf das nachzuzahlende Entgelt entfallenen Sozialversicherungsbeträge ergeben.

Was hingegen die dem Kläger bereits zugeflossenen Entgelte betrifft, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 70/132 ausgesprochen, dass vom nachzuzahlenden Entgelt nicht mehr als ein nicht periodenkongruenter - nicht auf die nachzuzahlenden Entgelte entfallender Beitrag - in Abzug gebracht werden könne, und dieser eine Beitrag auch nur, wenn die nachträgliche Entrichtung nicht vom Dienstgeber verschuldet worden sei. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die beklagte Dienstgeberin ihr Abzugsrecht für die auf bereits ausgezahlte Entgelte entfallenden Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge verloren hat, und zwar für sämtliche nicht periodenkongruenten Beiträge, da die unter weitestgehender Kontrolle und nach den Weisungen des Arbeitgebers zu verrichtende und erfolgsunabhängig nach Stunden honorierte Tätigkeit des Klägers (siehe die in dieser Sache ergangene Entscheidung SZ 70/167) alle Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufwies und der Beklagten bei der jahrelangen Handhabung dieses Vertragsverhältnisses als Werkvertrag zumindest Fahrlässigkeit und damit ein Verschulden im Sinne des § 60 Abs 1 ASVG anzulasten ist und keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Kläger diese für ihn nachteilige Handhabung des Vertragsverhältnisses angestrebt hätte (siehe Andexlinger, Abzugsrecht des Arbeitgebers bei Entgeltnachzahlung, ecolex 1974, 247; Runggaldier, Zum SV Beitragsabzugsrecht des Arbeitgebers, DRdA 1994, 392 ff; Gerlach, Dienstvertragliches Entgelt - Bruttoentgelt, DRdA 1998, 199 ff [200 f]).

Soweit der Rekurswerber aber aus dem Verlust des Abzugsrechtes der beklagten Dienstgeberin für dem Kläger bereits zugeflossene Beträge einen Anspruch des Klägers auf Auszahlung der darauf entfallenden Dienstnehmerbeiträge ableitet, ist ihm zu erwidern, dass Schuldner dieser Beiträge gemäß § 58 Abs 2 ASVG der Dienstgeber ist und es diesem - soweit er sein Abzugsrecht verloren hat - lediglich verwehrt ist, den Ersatz der von ihm geschuldeten Dienstnehmerbeiträge vom Dienstnehmer - etwa im Wege der Aufrechnung gegen dessen noch offene Entgeltansprüche - zu fordern. Der vom Kläger im Übrigen erstmals explizit in der Berufung - geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der auf die ihm bereits zugeflossenen Entgelte entfallenden Dienstnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge ist daher völlig unberechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.