JudikaturJustiz8Ob84/22v

8Ob84/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache der E* N*, geboren am * 1931, *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen und des S* K*, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. April 2022, GZ 43 R 22/22m 34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 16. 11. 2021 wurde für die Betroffene ein Rechtsanwalt gemäß § 271 ABGB zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter mit dem Wirkungskreis ihrer Vertretung vor Gerichten und bei Rechtsgeschäften mit privaten Vertragspartnern bestellt.

[2] Das Rekursgericht wies den von der Betroffenen und deren Ehegatten S* K* gemeinsam gegen den Bestellungsbeschluss erhobenen Rekurs bezüglich des Ehegatten mangels Parteistellung zurück. Den Rekurs der Betroffenen wies es als unbegründet ab und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zu.

[3] Gegen diese Entscheidung richtet sich die selbstverfasste, als „Ablehnungsantrag“ und „ außerordentlicher Revisionsrekurs “ bezeichnete Eingabe der Betroffenen und ihres Ehegatten.

[4] Der bestellte Erwachsenenvertreter erklärte über Aufforderung des Gerichts, die Anträge der Betroffenen nicht zu genehmigen. Das Erstgericht erklärte daraufhin mit Beschluss vom 23. 6. 2022 das Verfahren über den Ablehnungsantrag für beendet und legte den außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Vorlage ist verfrüht.

[6] Die betroffene Person kann nach § 116a Abs 1 AußStrG im Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen. Stimmen ihre Anträge nicht mit jenen ihres Vertreters überein, so sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen.

[7] Gemäß § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG müssen sich die Parteien unter anderem im Verfahren über die Erwachsenenvertretung im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen. Der vorliegende Rekurs bzw außerordentliche Revisionsrekurs wurde von beiden Rechtsmittelwerbern ohne Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars eingebracht und weist somit einen Formmangel auf.

[8] Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens ist nur dann entbehrlich und der Formmangel ohne Bedeutung, wenn das Rechtsmittel als solches absolut unzulässig ist (RS0005946; RS0120029; RS0128266 [T1, T12]). Dies ist hier nicht der Fall.

[9] Der Akt ist daher dem Erstgericht zur Durchführung des Verbesserungsverfahrens (§ 10 Abs 4 AußStrG) zurückzustellen. Dabei wird auf den bereits im Akt erliegenden Verfahrenshilfeantrag der Betroffenen (ON 38) hingewiesen. Die fehlende Zustimmung des Erwachsenenvertreters hindert die Behandlung des Antrags aufgrund der selbstständigen Rechtsmittelbefugnis der Betroffenen nach § 116a Abs 1 AußStrG nicht.

[10] Im Übrigen wird vor einer neuerlichen Vorlage des Rechtsmittels über den Ablehnungsantrag zu entscheiden sein, weil die versagte Genehmigung durch den Erwachsenenvertreter das Ablehnungsverfahren nicht beenden konnte. Abgesehen davon, dass die Äußerung des Erwachsenenvertreters gegen den Zweitantragsteller von vornherein keine Wirkung entfaltete, ist der Antrag der Betroffenen gemäß § 116a Abs 1 AußStrG auch ohne Genehmigung zu behandeln.