JudikaturJustiz8Ob68/15f

8Ob68/15f – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. G*****, und 2. E*****, beide vertreten durch die Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. K*****, 2. N*****, beide vertreten durch Schöpf Maurer Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 27. April 2015, GZ 5 Nc 4/15z-7, mit dem der Ablehnungsantrag der beklagten Parteien abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.288,27 EUR (darin 381,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Ausgangsverfahren begehren die Klägerinnen, die Beklagten zu verpflichten, einen Kaufvertrag über ein im Wohnungseigentum stehendes Büro einzuwilligen und den Vertrag grundbuchsfähig zu unterfertigen. Die inzwischen verstorbene Mutter und Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte im Jahr 2002 den Ehemännern der Klägerinnen den Kauf dieses Objekts angeboten, im Jahr 2003 die Miteigentumsanteile je zur Hälfte an die Beklagten übergeben und gleichzeitig das Kaufanbot an sie überbunden. In diesen Büroräumlichkeiten war das Notariat der Ehemänner der Klägerinnen untergebracht. Strittig ist im Wesentlichen, ob das Kaufanbot von den Klägerinnen als Treuhänderinnen wirksam angenommen wurde.

Das Landesgericht Salzburg wies mit Urteil vom 25. August 2014 das Klagebegehren ab. Den Klägerinnen sei der Beweis der rechtswirksamen Ausübung der Kaufoption nicht gelungen.

Über die Berufung der Klägerinnen gegen dieses Urteil hat das Oberlandesgericht Linz zu 4 R 179/14t zu entscheiden. Der Vorsitzende des Senats 4, Senatspräsident Dr. W*****, beraumte eine mündliche Berufungsverhandlung an, woraufhin die Beklagten ihn als befangen ablehnten. Zur Begründung führten sie aus, der Richter und die beiden Notare (Ehemänner der Klägerinnen) sowie der Vater der Erstklägerin seien langjährige Mitglieder bei verschiedenen katholischen, nicht schlagenden Studentenverbindungen, die im Österreichischen Cartellverband (ÖCV) zusammengeschlossen seien. Eines der vier Grundprinzipien des ÖCV stelle das der „Lebensfreundschaft“ dar, wonach sich alle Mitglieder sämtlicher Verbindungen des ÖCV zur lebenslangen Freundschaft und Verbundenheit untereinander verpflichteten. Bei einer Beweiswiederholung komme es wesentlich auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden Notare an, die ein eminentes wirtschaftliches Interesse am Verfahrensausgang hätten und denen der Senatspräsident aufgrund seiner Mitgliedschaft beim ÖCV nach dessen Statuten zur „redlichen Hilfsbereitschaft“ und einem „bewussten Vertrauensvorschuss“ verpflichtet sei. Dies widerstreite dem richterlichen Objektivitätsgebot. Darüber hinaus sei anzunehmen, dass sich der Richter und die beiden Notare auf beruflicher Ebene persönlich gut kennen und freundschaftlich verbunden seien.

Der abgelehnte Richter erklärte dazu, nicht befangen zu sein. Er kenne die beiden Notare und auch den Vater der Erstklägerin nicht. Die Satzungen des ÖCV verlangten von seinen Mitgliedern nicht, Ungesetzliches zu tun. Das bloße Wissen, dass jemand dem ÖCV angehöre, beeinflusse seine Entscheidung nicht.

Das Oberlandesgericht Linz gab dem Ablehnungsantrag mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge. Die Befürchtung einer Befangenheit müsse sich auf konkrete Umstände, die im Zusammenhang mit dem konkreten Verfahren und dessen Parteien stehen, beziehen. Die Vermutung spreche für die Unparteilichkeit eines Richters, solange nicht ein Sachverhalt dargetan werde, der das Gegenteil annehmen lasse. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung zeige keine stichhaltigen Befangenheitsgründe auf. Ein privates persönliches Naheverhältnis zwischen dem Richter und den Zeugen habe sich als bloße Vermutung erwiesen. Von einem Richter könne eine professionelle Trennung zwischen beruflichen Pflichten und allfälligen privaten Erfordernissen erwartet werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Ausgeschlossenheit des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Linz Dr. W***** in der Rechtssache 4 R 179/14t wegen Befangenheit auszusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), jedoch nicht berechtigt.

Auf die zutreffende rechtliche Begründung des angefochtenen Beschlusses kann gemäß § 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO verwiesen werden. Ergänzend ist den Rekurswerbern Folgendes entgegenzuhalten:

Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS Justiz RS0046024 [T2, T3]). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, soll doch schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RIS Justiz RS0045949, RS0046052). Andererseits soll es durch die Regelungen über das Ablehnungsrecht nicht ermöglicht werden, sich nicht genehmer Richter entledigen zu können (RIS Justiz RS0109379, RS0046087).

Nach ständiger Rechtsprechung begründet die bloße Mitgliedschaft bei einem Verein oder die bloße Zugehörigkeit zu Großorganisationen für sich allein keine Befangenheit, sofern nicht über die bloße Mitgliedschaft hinaus persönliche Interessen oder Aktivitäten befürchten lassen, dass unsachliche Motive die Entscheidung beeinflussen könnten. Die bloße Zugehörigkeit zu politischen Parteien, Mieterschutz- oder Konsumentenschutzorganisationen, Autofahrerclubs, Sportorganisationen und dergleichen mehr genügt hingegen nicht, um Befangenheit annehmen zu können oder auch bloß den Anschein einer Befangenheit zu erwecken, sofern nicht ein besonderes persönliches Interesse des Richters am Verfahrensausgang hinzutritt (RIS Justiz RS0045944; RS0045892; 6 Ob 617/91; 2 Ob 43/11d; 6 Ob 101/13s).

Vor diesem Hintergrund ist dem Oberlandesgericht Linz beizupflichten, dass auch der Umstand, dass eine Studentenverbindung, der (auch) der abgelehnte Senatspräsident angehört, mit anderen Studentenverbindungen, denen einer Partei zuzurechnende Zeugen angehören, im ÖCV zusammengeschlossen ist, für sich allein nicht ausreicht, die Unbefangenheit des Senatspräsidenten in Zweifel zu ziehen.

Über die bloße Mitgliedschaft zu verschiedenen Studentenverbindungen hinausreichende Berührungspunkte zwischen dem abgelehnten Richter und den Parteien oder auch nur ihnen nahestehenden Zeugen liegen nicht vor. Die Ablehnungswerber bestreiten gar nicht mehr, dass der abgelehnte Senatspräsident die den klagenden Parteien zuzurechnenden Personen nicht kennt.

Die von den Rekurswerbern mehrfach hervorgehobene statutarische Verpflichtung der Mitglieder der im ÖCV zusammengeschlossenen Verbindungen, den anderen Mitgliedern einen „bewussten Vertrauensvorschuss“ entgegenzubringen, ändert daran nichts. Von einem Richter kann eine professionelle Trennung zwischen beruflichen und privaten Beziehungen erwartet werden (9 Nc 17/12t; 9 Nc 39/12b; 9 Nc 40/12z; 7 Nc 29/13v). In diesem Sinn kann aber von einem Richter auch durchaus erwartet werden, aus Vereinstatuten ableitbare Verpflichtungen zu Freundschaft und Vertrauen zu anderen Vereinsmitgliedern in der ihnen zukommenden Dimension und Bedeutung zu betrachten und sie daher nicht als Verpflichtung oder auch nur als Rechtfertigung zu betrachten, seine aus dem Gesetz erwachsenden Berufspflichten zu verletzen. Anhaltspunkte, aus denen geschlossen werden könnte, dass dies im vorliegenden Fall anders sei, wurden in der Ablehnung mit keinem Wort geltend gemacht.

Der Rekurs der Beklagten ist daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RIS Justiz RS0126588).

Rechtssätze
8