JudikaturJustiz8Ob62/22h

8Ob62/22h – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C* S*, geboren am * 2019, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter M* P*, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. März 2022, GZ 48 R 260/21x 35, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Seit dem KindNamRÄG 2013 soll die Obsorge beider Elternteile (eher) der Regelfall sein (RIS Justiz RS0128811 [T1]). Es ist dabei vom Gericht zu beurteilen, ob eine entsprechende Gesprächsbasis zwischen den Eltern vorhanden oder in absehbarer Zeit mit einer solchen zu rechnen ist (RS0128812). Diese Beurteilung kann nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen und begründet typischerweise keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RS0128812 [T5, T15, T19]). Eine solche Rechtsfrage wird hier nicht angesprochen.

[2] Ein Revisionsrekurs ist auf die Rechtsmittelgründe der unrichtigen materiell rechtlichen Beurteilung, eines auf unrichtiger Rechtsansicht beruhenden Verfahrensmangels, der zur Unvollständigkeit der Feststellung des relevanten Sachverhalts führte, und einer Aktenwidrigkeit beschränkt. Die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbar (RS0069246).

[3] Die tragende Begründung des Revisionsrekurses der Mutter erschöpft sich in dem Bestreben, dem Vater entgegen den bindenden Feststellungen einen früheren Suchtmittelmissbrauch zu unterstellen und lediglich aus diesem Wunschsachverhalt Rechtsfolgen abzuleiten. Schon mangels gesetzmäßiger Ausführung entzieht sich der Revisionsrekurs daher einer meritorischen Behandlung.

[4] 3. Maßnahmen nach § 107 Abs 3 AußStrG sind als besondere Verfahrensregelungen zur Sicherung des Rechts auf persönlichen Kontakt anzusehen. Die Entscheidung, ob und welche Maßnahme zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich ist und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. I m Regelfall kommt ihr keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, sofern nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RS0130780 [T3]; RS0115719 [T5]; RS0007101).

[5] Der Revisionsrekurs der Mutter wendet sich ausdrücklich nicht gegen das Erfordernis oder die Verhältnismäßigkeit der ihr auferlegten Anordnung nach § 107 Abs 3 AußStrG, sondern bemängelt nur, dass nicht auch dem Vater von den Vorinstanzen eine solche Maßnahme auferlegt wurde.

[6] Voraussetzung für die inhaltliche Behandlung eines Rechtsmittels ist auch im Verfahren außer Streitsachen ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre des Anfechtenden (RS0006598; ua G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG I² § 45 Rz 25). Ohne ein Rechtsschutzinteresse ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0006880; RS0006598). Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt die Beschwer des Rechtsmittelwerbers voraus, also die Möglichkeit der Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre durch die angefochtene Entscheidung (vgl RS0014466; RS0006529).

[7] Durch das Unterbleiben einer Maßnahmenanordnung gemäß § 107 Abs 3 AußStrG gegen den Vater wird in die Rechtssphäre der Mutter nicht eingegriffen. Es liegt auch keine formelle Beschwer im Sinne der Abweisung eines von der Mutter auf Verhängung einer Maßnahme gestellten Antrags vor.

[8] Mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtssätze
5