JudikaturJustiz8Ob55/04b

8Ob55/04b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Hopf, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Werner Stolarz, Dr. Ernst Summerer OEG, Rechtsanwälte in Hollabrunn, gegen die beklagte Partei Dr. Ulrike Bauer, Rechtsanwältin, 1010 Wien, Elisabethstraße 26, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des Prof. Roland B*****, Komponist, wegen Feststellung (Streitwert EUR 25.000, ), infolge Revision der klagenden Partei, gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2004, GZ 3 R 159/03d 8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. Mai 2003, GZ 32 Cg 1/03v 4, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.314 (darin EUR 219 an Ust) bestimmten Kosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zur Besicherung der von der klagenden Sparkasse dem späteren Gemeinschuldner, einem freischaffenden Komponisten, gewährten Kredite, trat dieser mit Vereinbarung vom 17. 12. 1997 seine künftigen Tantiemenforderungen gegenüber der AKM und der Austro Mechana an die Klägerin ab. Die AKM und Austro Mechana wurden von diesen Forderungsabtretungen verständigt. Die Verrechnung der Tantiemenforderungen durch die Verwertungsgesellschaften erfolgt vierteljährlich (März, Juni, September und Dezember).

Über das Vermögen des freischaffenden Komponisten wurde am 4. 10. 2000 der Konkurs eröffnet und die Beklagte wurde zur Masseverwalterin bestellt.

Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung haftete die Kreditforderung mit S 11,752.737,14 aus. Davon meldete die Klägerin S 9,252.737,14 als Konkursforderung an. Hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 2,500.000 machte sie ein Absonderungsrecht an den ihr sicherungsweise abgetretenen Tantiemenforderungen geltend, was von der Masseverwalterin und vom Gemeinschuldner vorweg anerkannt wurde. Die nunmehr beklagte Masseverwalterin stellte sich gegenüber der Klägerin und gegenüber den Verwertungsgesellschaften aber auf den Standpunkt, das Absonderungsrecht der Klägerin an den Tantiemenforderungen sei am 1. 11. 2002 gemäß § 12a KO erloschen.

Mit ihrer am 13. 1. 2003 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr Absonderungsrecht nach wie vor aufrecht und wirksam sei. Tantiemen seien keine mit Lohnansprüchen vergleichbaren wiederkehrenden Leistungen im Sinn des § 12a KO.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Von § 12a KO seien nicht nur Vergütungen aus unselbständiger, sondern auch solche aus selbständiger Erwerbstätigkeit, insbesondere auch Tantiemenforderungen als wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion, erfasst. Die den Tantiemenforderungen zugrunde liegenden Leistungen hätten die Erwerbstätigkeit des Gemeinschuldners vollständig in Anspruch genommen. Das Absonderungsrecht der Klägerin sei erloschen. Im übrigen hätte die Klägerin bereits eine Leistungsklage einbringen können.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter den Begriff "sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion " im Sinne des § 12a KO fielen ua Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen aufgrund eines Ausgedinge- oder Leibrentenvertrages. Die ratio legis spreche dafür, auch Tantiemenleistungen unter diese Regelung zu subsumieren.

Das Berufungsgericht gab der Klägerin nicht Folge.

Mit "sonstigen wiederkehrenden Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" seien Leistungen gemeint, die - ohne dass ein aufrechtes Arbeitsverhältnis bestehe - ein Äquivalent für Arbeitseinkommen aus einem Arbeitsverhältnis darstellten. Die in § 290a Abs 1 Z 2 bis 12 EO aufgezählten Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen unterschiedlichster Art unterlägen nur beschränkt der exekutiven Pfändung. § 290a Abs 1 Z 2 EO spreche von "sonstigen wiederkehrenden Vergütungen für Arbeitsleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen", § 290a Abs 1 Z 5 EO von gesetzlichen Leistungen und satzungsmäßigen Mehrleistungen, die aus Anlass einer Beeinträchtigung der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit zu gewähren sind und Entgeltersatzfunktion hätten. Der Begriff "sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" in § 12a Abs 1 KO sei weiter gefasst als § 290a Abs 1 Z 5 EO, weil nicht gefordert sei, dass diese aus Anlass einer Beeinträchtigung der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit und auf gesetzlicher oder satzungsmäßiger Grundlage gewährt werden. § 290a Abs 1 Z 2 EO stelle nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ab und erfasse laufende, wiederkehrende Leistungen, denen kein Verhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Verpflichteten zugrunde liege. Das Schuldenregulierungsverfahren setze voraus, dass den Gläubigern das pfändbare Einkommen des Schuldners als Befriedigungsfonds zur Verfügung stehe. Daher würden Vorausabtretungen und Verpfändungen vom Arbeitseinkommen zugunsten einzelner Gläubiger in ihrer Wirksamkeit beschränkt. Der Begriff "sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" finde sich auch in § 199 Abs 2 KO im Zusammenhang mit dem Abschöpfungsverfahren. Der Schuldner müsse den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für die Zeit von sieben Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Abschöpfungsverfahren einleitenden Beschlusses an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtreten. Da auch die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit für die Erfüllung der Obliegenheit des § 210 KO zur Erwerbstätigkeit des Schuldners genüge, wäre es widersprüchlich nicht auch das Einkommen des Schuldners aus seiner selbständigen Tätigkeit einzubeziehen. Die Tantiemeneinkünfte des freischaffenden Komponisten könnten auch nicht den Erträgen aus Liegenschaftsbesitz, Wertpapiervermögen oder Unternehmensbeteiligungen gleichgesetzt werden, da es sich dabei um Einkommen aus Kapitalvermögen oder "Gebrauchsüberlassung" handle. Bei Tantiemenzahlungen als laufendem Arbeitseinkommen des freischaffenden Komponisten sei ebenso wie bei einem sonstigen vorweg abgetretenen Einkommen aus selbständiger Arbeit hinsichtlich des Zeitpunktes der Leistungserbringung (Werkerstellung) nicht zu differenzieren, weil § 12a KO hinsichtlich des Erlöschens des Absonderungsrechtes nicht auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abstelle. Auch Komponisten müsse die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens und in der Folge die Restschuldbefreiung freistehen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil eine Rechtsprechung des OGH zu der Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit Tantiemenforderungen des freischaffenden Komponisten unter die Bestimmung des § 12a Abs 1 KO fallen, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der klagenden Partei ist aus dem schon vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Im wesentlichen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Vorweg ist festzuhalten, dass die mit der Insolvenzrechts Novelle 2002 eingeführte Bestimmung des § 113a KO über die Anmeldungserfordernisse betreffend Ab oder Aussonderungsrechte hier noch nicht zur Anwendung gelangt und es daher bei der allgemeinen Anordnung des § 11 Abs 1 KO bleibt, wonach Absonderungs und Aussonderungsrechte durch die Konkurseröffnung nicht berührt werden und in dem dazu vorgesehenen Rechtsweg geltend zu machen sind (siehe dazu OGH 8 Ob 4/04b mwN SZ 21/101; SZ 36/70; SZ 64/185; 8 Ob 82/98m; RIS Justiz RS0064210).

Grundsätzlich können auch bedingte Forderungen, also auch zukünftige Gehaltsansprüche, Gegenstand des Pfandes sein (RIS Justiz RS0015145). Es kommt das Pfandrecht durch den Publizitätsakt, der bei nicht verbücherten Forderungen in der Verständigung des Drittschuldners erblickt wird (SZ 11/15; 1 Ob 697/88; ÖBA 1999, 382; 6 Ob 319/01g ua), gültig zustande. Das Absonderungsrecht wird dann durch die Eröffnung des Konkurses nicht berührt, wenn die Verständigung des Drittschuldners vor diesem Zeitpunkt erfolgt ist (SZ 70/228; SZ 73/197; Burgstaller, Sanierung der natürlichen Person im Konkurs?, JBl 1991, 490). Wird die Forderung im Konkurs durch Anerkenntnis in der Prüfungsgtagsatzung festgestellt, hat der Pfandgläubiger einen Anspruch auf Pfandverwertung (Fritscher, Die Gehaltsexekution in der Praxis Rz H 19; 8 Ob 312/98k).

§ 12a KO bestimmt nun unter der Überschrift "Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis" in seinem Abs 1, dass Aus- oder Absonderungsrechte, die vor Konkurseröffnung durch Abtretung bzw Verpfändung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, zwei Jahre nach Ablauf des Kalendermonats, in den die Konkurseröffnung fällt, erlöschen. Was nun unter "sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" zu verstehen ist wird im Gesetz nicht näher festgelegt. Jedenfalls muss es sich um wiederkehrende Leistungen handeln, die nicht aus einem aufrechten Arbeitsverhältnis stammen, weil diese ja ohnehin schon erfasst sind. Insoweit kann auch der Überschrift dieser Gesetzesbestimmung keine besondere Bedeutung zur Feststellung des weiteren Inhalts der Regelung zugemessen werden, weil sie offensichtlich nur den "Hauptfall" des Anwendungsbereiches beschreiben wollte. Das Schuldenregulierungsverfahren unterscheidet auch sonst weitgehend nicht zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit. So kann die Obliegenheit des Schuldners, während der Dauer des Abschöpfungsverfahrens eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben, etwa auch durch eine selbständige Tätigkeit erfüllt werden (§ 210 KO). Der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens und das Erfordernis der Abtretung der regelmäßig wiederkehrenden Forderungen des Schuldners müssen ebenfalls die sonstigen "wiederkehrenden Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" erfassen (vgl §§ 199 Abs 2 KO und 202 Abs 2 KO).

Zur Auslegung des Begriffes der "sonstigen wiederkehrenden Leistungen mit Einkommensersatzfunktion" verweist Deixler Hübner (in Konecny/Schubert Rz 4 zu § 12a KO, vgl auch Apathy in Büchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, Bd I [KO § 12a Rz 4] ) auf § 290a Abs 1 Z 2 bis 12 EO über die beschränkt pfandbaren Forderungen). § 12a Abs 1 KO stellt nun aber anders als etwa § 290a Abs 1 Z 5 EO nicht darauf ab, dass die Leistungen aus Anlass einer Beeinträchtigung der Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit und auf gesetzlicher oder satzungsmäßiger Grundlage gewährt werden, und ist anders als § 290a Abs 1 Z 2 EO auch nicht auf Arbeitsverhältnisse beschränkt. Davon, dass grundsätzlich nicht nur Ansprüche aus unselbständigen Tätigkeiten erfasst sein sollen, geht auch Deixler Hübner aus. Hätte der Gesetzgeber nur die in § 290a EO genannten Forderungen erfassen wollen, so hätte er dies durch einen einfachen Verweis leicht bewerkstelligen können.

Wesentlich ist nun, dass § 12a KO mit der KO Novelle 1993 im Zusammenhang mit dem Schuldenregulierungsverfahren eingeführt wurde. Dessen erfolgreicher Abschluss setzt schon vom Grundgedanken voraus, dass den Gläubigern das pfändbare Einkommen des Schuldners als Befriedigungsfonds für das Schuldenregulierungsverfahren zur Verfügung steht. Ist aber auf Dauer das künftige Arbeitseinkommen des Schuldners für einzelne Gläubigern gepfändet, so muss das Schuldenregulierungsverfahren scheitern.

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber unter dem hier maßgeblichen Aspekt der Erleichterung der Durchführung eines Schuldenregulierungsverfahrens (vgl dazu etwa Kodek Privatkonkurs Rz 184, 185; Deixler Hübner aaO) nur insoweit Dauerbezüge im Zusammenhang mit Arbeitsleistungen - seien es selbständigen oder unselbständigen Tätigkeiten - ausschließen will als dafür sachliche Gründe vorhanden sind. Die für den Gesetzgeber maßgeblichen Kriterien hat er in § 12a Abs 1 KO auch angeführt.

Zentrale Kriterien sind:

A der wiederkehrende Charakter der Vergütungen,

B dass diese für Arbeitsleistungen erfolgt und

C dass diese Erwerbstätigkeit den Verpflichteten zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nimmt.

Genau diese Kriterien treffen aber auf die hier zu beurteilenden Tantiemenzahlungen durch Verwertungsgesellschaften im Sinne des Verwertungsgesellschaftengesetz zu. Die Komponisten räumen den Verwertungsgesellschaften durch ihre Mitgliedschaft (vgl auch zum "Wahrnehmungsvertrag" RIS Justiz RS0038801 mwN) nicht nur die ausschließlichen Aufführungs- und Senderechte an bereits geschaffenen, sondern auch an den während der Mitgliedschaft komponierten Werken ein (vgl dazu, dass die Rechte der Verwertungsgesellschaft dann ohne weiteren Akt mit der Vollendung des Werkes entstehen RIS Justiz RS0038797 mwN zuletzt 4 Ob 274/99v). Die Aufgabe der Verwertungsgesellschaften liegt darin, die Rechte ihrer Mitglieder zu wahren und durch die Erteilung von Bewilligungen zu öffentlichen Aufführungen und Rundfunksendungen nutzbar zu machen. Auch gewisse gesetzliche Vergütungsansprüche sind von ihnen geltend zu machen (vgl Kucsko, Urheberrecht4, 44; Ciresa, Urheberrecht, Vorbemerkungen zum Verwertungsgesellschaftenrecht Rz 4 f). Der wiederkehrende Charakter der von der Verwertungsgesellschaft an den Komponisten erbrachten Leistungen wurde von der Rechtsprechung bereits herausgearbeitet (vgl zu § 299 EO SZ 14/70 und SZ 19/314). Im Ergebnis erhält hier ein freischaffender Komponist aus den regelmäßig wiederkehrenden Abrechnungen der Verwertungsgesellschaft ihm gegenüber eine vierteljährlich wiederkehrende Vergütung für seine Arbeitsleistung , die -hier offensichtlich ("freischaffender Komponist") - seine Erwerbstätigkeit wesentlich beansprucht. Der Ansicht der Klägerin, dass § 12a KO nicht anwendbar sei, weil der Komponist ja nur eine Vergütung für die eingeräumte Rechte erhalte, ist zu entgegnen, dass es hier ja nur um die Frage der "Einkommens ersatz funktion" geht und der Komponist eben auf diese Weise das Einkommen für seine Arbeitsleistung erzielt. Insoweit kann eben auch nicht bloß von der Realisierung eines im Kunstwerk liegenden Vermögenswertes ausgegangen werden und unterscheidet sich dies auch von den Einkünften aus Liegenschaftsbesitz oder Kapitalvermögen. Werden - wie hier - die vierteljährlichen Abrechnungsansprüche eines freischaffenden Komponisten gegen eine Verwertungsgesellschaft als solche pauschal verpfändet, so wird damit ohne nähere Differenzierung nach den zugrunde liegenden Werken und deren Entstehungszeitpunkten das für einen freischaffenden Komponisten typische regelmäßige Einkommen erfasst. § 12a Abs 1 KO ist daher auch auf diese Pfandrechte anzuwenden. Inwieweit dies auch bei einer gesonderten Verpfändung von "Tantiemen" aus einzelnen Werken zu gelten hat, bedarf hier keiner weiteren Erörterung.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 50 und 41 ZPO. § 23 Abs 9 RATG war nicht anzuwenden.

Rechtssätze
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