JudikaturJustiz8Ob37/02b

8Ob37/02b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ergül K*****, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wider die beklagte Partei Ramazan T*****, vertreten durch Dr. Hermann Löckher, Rechtsanwalt in Perg, wegen 10.562,12 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2001, GZ 3 R 177/01x-17, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. März 2001, GZ 1 Cg 184/00z-10 teilweise aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Abtretungsvertrag vom 7. 3. 1996 hat der Beklagte sämtliche Geschäftsanteile an der hier maßgeblichen Gastronomie GesmbH übernommen und war ab diesem Tag bis 8. 9. 1997 auch Geschäftsführer dieser GmbH. An diesem Tag trat er selbst dann die Geschäftsanteile an der GesmbH an einen Dritten ab und verpflichtete sich in dem Abtretungsvertrag unter anderem, etwa auftretende "von ihm noch zu vertretende Verbindlichkeiten unverzüglich zu berichtigen und den übernehmenden Gesellschafter diesbezüglich klag- und schadlos zu halten". Nach der Vereinbarung haftete er auch dafür, dass der Geschäftsanteil sein unbeschränktes Eigentum darstellt und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet ist, sowie dass neben den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages keinerlei Vereinbarungen oder Beschlüsse der Gesellschafter bestehen, die die Mitgliedschaftsrechte aus den Geschäftsanteil beeinflussen. Für einen bestimmten Wert des Gesellschaftsvermögens sollte der Beklagte nicht haften. Dieser Dritte selbst wieder trat die Gesellschaftsanteile an den Kläger mit Abtretungsvertrag vom 23. 10. 1998 ab. Der GesmbH wurde dann mit Rückstandsausweis von 9. 11. 1998 im Wesentlichen an Umsatzsteuer für die Jahre 1994 bis 1997 sowie Kapitalertragsteuer für die Jahre 1994 bis 1996 ein Gesamtbetrag von S 145.338 vorgeschrieben.

Der Beklagte wurde mit Straferkenntnis des Finanzamtes schuldig erkannt, Verpflichtungen in Zusammenhang mit den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 1996 bis August 1997 sowie Anzeigenpflichten für die Kapitalertragsteuer für 1996 verletzt zu haben und dadurch eine Verkürzung von S 43.095 (Umsatzsteuer 1996/1997) und S 31.650 (Kapitalertragsteuer 1996) bewirkt zu haben. Dafür würde über ihn gemäß § 33 Abs 1 FinStrG eine Geldstrafe von S 20.000 verhängt.

Die Ansprüche aus dem Abtretungsvertrag mit dem Beklagten, und zwar hinsichtlich der vertraglichen und deliktischen Schadenersatzansprüche, insbesondere aufgrund arglistiger Verschweigung getätigter Schwarzeinkäufe und dadurch entstehender Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt wurden dem Kläger abgetreten.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage nunmehr S 145.338 sA und stützt dies auf die abgetretenen Ansprüche aus dem Titel der Gewährleistung und des vertraglichen Schadenersatzes. Der Rechtsvorgänger des Klägers habe keinerlei Ahnung von den Machenschaften des Beklagten gehabt. Soweit die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt aus Zeiten vor der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten herrührten, habe der Beklagte trotzdem aus dem Titel der Gewährleistung und des vertraglichen und deliktischen Schadenersatzes einzustehen. Allfällige Kompensandoforderungen des Beklagten seien verjährt. Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendete die mangelnde Aktivlegitimation des Klägers ein, da allfällige Ansprüche aus der Abgabenhinterziehung der GesmbH, nicht aber dem Kläger zustehen würden. Auch seien die Schwarzeinkäufe dem Erwerber der Geschäftsanteile bekannt gewesen. Jedenfalls könnten den Beklagten keine Verbindlichkeiten treffen, die aus der Zeit vor seiner Tätigkeit herrührten.

Weiters wendete der Beklagte auch noch eine Kompensandoforderung in Höhe von S 183.000 aus dem Kaufvertrag ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte dabei rechtlich, dass eine Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz der Umsatzsteuer und der Kapitalertragsteuer vor dem 7. 3. 1996 sohin im Ausmaß von S 70.593 nicht in Betracht komme, da diese auch nicht vom Straferkenntnis des Finanzamtes erfasst seien. Im Übrigen sei die Abtretung des Zahlungsanspruches nicht an dem Gläubiger, sondern an den Kläger offenbar unzulässig, jedenfalls könne der Kläger nicht Zahlung an sich begehren, da er nicht einmal behauptet habe, diese Schuld der Gesellschaft bereits bezahlt zu haben oder in Gefahr zu laufen, diese selbst zahlen zu müssen.

Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abweisung eines Betrages von S 74.745 sA (Jahre 1996/1997) gerichteten Berufung Folge, hob insoweit das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Rechtlich ging das Berufungsgericht dabei davon aus, dass es sich nicht um die Frage einer Erfüllungsübernahme handle, weil bei dieser dem Gläubiger kein unmittelbarer Anspruch gegen den Erfüllungsübernehmer zustehe. Sei doch auch der Erwerber der GesmbH-Anteile nicht Steuerschuldner gewesen. In Wahrheit liege eine Regelung der Gewährleistungspflichten vor. Diese sowie daraus entstehende Schadenersatzansprüche seien auch an den Kläger zedierbar. Die Schadenersatzansprüche könnten auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist innerhalb der Verjährungsfrist des § 1489 ABGB geltend gemacht und das Erfüllungsinteresse iSd Deckungskapitals für den Verbesserungsaufwand begehrt werden. Ausgehend von der vertraglichen Regelung habe der Beklagte nicht nur die Haftung dafür übernommen, dass der abzutretende Geschäftsanteil sein unbeschränktes Eigentum sei, sondern auch dass er die "etwa auftretenden, von ihm zu vertretenden, Verbindlichkeiten" berichtigen und den Gesellschafter diesbezüglich klag- und schadlos halten werde. Dazu habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 2 Ob 68/00i ausgeführt, dass bei der sogenannten "Steuerklausel" eine Vorleistungspflicht des Verpflichteten ausscheide, da die Schuld ja gerade nicht gegenüber dem Vertragspartner selbst, sondern gegenüber dem Finanzamt zu tilgen sei. Bejahte man eine unmittelbare Leistungspflicht an den Kläger, so würde dem Beklagten die Möglichkeit genommen, unmittelbar an das Finanzamt zu leisten und müsse der Beklagte das Risiko tragen, dass der Kläger die Schuld gegenüber dem Finanzamt nicht erfüllt und der Beklagte aber weiter dafür haftet. Das Berufungsgericht ging nun davon aus, dass Zweck der Vereinbarung sei, den Käufer - der ohnehin für die Schulden der GesmbH nicht in Anspruch genommen werden könne - vor der Gefahr der Entwertung der GmbH Anteile zu schützen. Daher müsse der Erwerber der Geschäftsanteile den Verkäufer bereits dann, wenn die Gesellschaft in Gefahr gerate, zahlen zu müssen, auch auf Zahlung an den Gläubiger der Gesellschaft klagen können. Daher stehe der Umstand, dass der Kläger nicht behauptet habe, dass er oder sein Vorgänger die Abgabe bereits an das Finanzamt bezahlt hätten, der Berechtigung des Klagsanspruches nicht entgegen. Das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Klagebegehren von Amtswegen auf Zahlung an den Gläubiger richtig gestellt werden könne. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht die für die Beurteilung der Gewährleistungs- und Schadenersatzpflicht des Beklagten notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das zu, da es davon ausging, dass es von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 68/00i abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Beklagte releviert in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen nur, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach es den Kläger nicht schade, dass er im erstinstanzlichen Verfahren nicht einmal behauptet habe, dass er oder sein Rechtsvorgänger die Abgaben bereits an das Finanzamt bezahlt hätten und der Veräußerer den Erwerber bei der sogenannten "Steuerklausel" bereits dann belangen könne, wenn die Gesellschaft vom Gläubiger wegen der Zahlung in Anspruch genommen werde, unzutreffend sei und von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abweiche. Entsprechend der vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 2 Ob 68/00i aufgezeigten Überlegung bestehe tatsächlich im konkreten Fall die Gefahr, das der Kläger im Falle einer Zahlung an ihn die Abgabenschuld nicht berichtige und daher der Beklagte vom Finanzamt in Anspruch genommen werde und ein zweites Mal bezahlen müsse. Dies sei insbesondere deshalb virulent, weil der Kläger nunmehr seinen Geschäftsanteil verkauft habe und auch vom Finanzamt für die Abgabenverbindlichkeiten nicht belangt worden sei. Damit zeigt die Beklagte jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Hat der Oberste Gerichtshof doch bereits in seiner Entscheidung vom 29. 5. 2001 zu 4 Ob 118/01h (= JBl 2002, 112) den Fall behandelt, dass sich ein Verkäufer verpflichtet hat, den Kaufgegenstand von Forderungen zu entlasten, für die der Verkäufer auch persönlich haftet. Der Oberste Gerichtshof hat dabei unter Berufung auf Berger (Verkauf einer verpfändeten Liegenschaft und Schadenersatz wegen mangelhafter Vertragserfüllung JBl 1982, 464) dem Gedanken Rechnung getragen, dass dem Verkäufer nicht das Risiko einer Doppelzahlung aufzulasten sei. Diese bestünde dann, wenn der Käufer, nachdem er erfolgreich den erforderlichen Betrag für die Tilgung der auf dem Kaufgegenstand lastenden Forderung eingeklagt hat, diesen nicht zur Tilgung verwendet und damit Verkäufer ein zweites Mal von dem Gläubiger dieser Forderung in Anspruch genommen werden kann (in diesem Sinne auch 2 Ob 68/00i). Der Oberste Gerichtshof hat diese aber deshalb nicht als gegeben angesehen, weil das Gericht das Klagebegehren von Amtswegen auf Leistung an den Gläubiger - hier das Finanzamt - umstellen könne. Genau davon ist nun das Berufungsgericht - vom Beklagten insoweit nicht bekämpft - ohnehin ausgegangen. Dies steht auch mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. 3. 2000 zu 2 Ob 68/00i (RdW 2000/438) nicht in Widerspruch, da im damaligen Verfahren diese Frage gar nicht geprüft wurde und es sich auch nicht um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen handelte.

Ausgehend von einem Zahlungsbegehren an den Gläubiger fehlt es aber auch schon im Ansatz an der vom Beklagten dargestellten Gefahr, dass er bei einer klagstattgebenden Entscheidung zweimal bezahlen müsse, da das Urteil ja, soweit die Schuld nicht bereits getilgt wurde, nur eine Zahlungsverpflichtung an das Finanzamt enthalten könnte. Wollte man dem Käufer auch diesen Anspruch versagen, so wäre er immer zur Vorleistung verpflichtet, was gerade nicht der Vereinbarung, dass der Verkäufer von ihm noch zu vertretende Verbindlichkeiten "unverzüglich zu berichtigen und den übernehmenden" Käufer "diesbezüglich klag- und schadlos zu halten" entspricht. Da in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 68/00i (= RdW 2000/438) die Frage auf Leistung an das Finanzamt gar nicht behandelt wurde und es sich um ein ausdrücklich nur auf Gewährleistungsansprüche eingeschränktes Verfahren handelte, nunmehr aber diese Frage über den Schadenersatzanspruch durch die neuere Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29. 5. 2001 zu 4 Ob 118/01h (= JBl 2002, 112) bereits geklärt ist, zeigt der Rekurswerber keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage und war der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.