JudikaturJustiz8Ob17/85

8Ob17/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg U*****, vertreten durch Dr. Heinz Wechsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Dr. R***** KG, *****, und 2) Josef S*****, beide vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 177.434,75 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. Oktober 1984, GZ. 16 R 200/84 67, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 5. Mai 1984, GZ. 33 Cg 734/82 55, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 1.000, s.A. richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird ihr teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 2.804,16 (darin Barauslagen von S 98, und Umsatzsteuer von S 246,01) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 3.727,94 (darin Barauslagen von S 480, und Umsatzsteuer von S 295,26) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. 7. 1981 ereignete sich kurz nach 12,00 Uhr im Ortsgebiet von Vösendorf auf der Vösendorfer Ortsstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W ***** und der Zweitbeklagte als Lenker des Omnibusses mit dem Kennzeichen W ***** beteiligt waren. Die Erstbeklagte ist der Halter des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der Kläger stieß bei dem Versuch, an dem in der Nähe einer Haltestelle angehaltenen Omnibus vorbeizufahren, mit seinem PKW zunächst gegen den Omnibus und dann noch gegen zwei weitere Fahrzeuge. Dabei wurde der PKW des Klägers beschädigt; Personenschaden trat nicht ein. Ein gerichtliches Strafverfahren fand gegen keinen der beteiligten Lenker statt.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 177.434,75 s.A.. Der Höhe nach ist der Klagsbetrag nicht mehr strittig. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, den Zweitbeklagten treffe das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall. Er habe den Omnibus rechts ausschwenkend vor Erreichen einer Haltestelle zum Stillstand gebracht, weil die Haltestelle durch einen LKW verstellt gewesen sei. Trotz der dadurch bedingten Behinderung und trotz eines entgegenkommenden PKW habe der Kläger an dem angehaltenen Omnibus vorbeifahren können, weil ihm eine genügend breite freie Fahrbahn zur Verfügung gestanden sei. Während des Vorbeifahrens des PKW des Klägers habe der Zweitbeklagte den von ihm gelenkten Omnibus ohne Betätigung des linken Blinkers wieder nach links zur Fahrbahnmitte hin in Bewegung gesetzt und dabei das Fahrzeug des Klägers am rechten hinteren Kotflügel gestreift. Dadurch sei der PKW des Klägers mit dem Heck nach links versetzt worden, in die Fahrlinie des entgegenkommenden PKW des Friedrich R***** geraten und mit diesem Fahrzeug und dann noch mit dem am rechten Fahrbahnrand stehenden LKW zusammengestoßen.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger. Der Omnibus der Erstbeklagten sei im Bereich der Haltestelle auf der rechten Fahrbahnseite hinter einem vor ihm parkenden LKW gestanden. Auf der linken Fahrbahnseite sei ein PKW gestanden. Der Kläger habe mit seinem PKW mit ziemlich hoher Geschwindigkeit zwischen diesen beiden Fahrzeugen durchfahren wollen und sei, weil zwischen dem Omnibus und dem auf der linken Fahrbahnseite stehenden PKW zu wenig Platz gewesen sei, mit der Hinterachse seines Fahrzeuges gegen den stehenden Omnibus gestoßen und schließlich auch noch an den vor dem Omnibus parkenden LKW geschleudert worden.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von S 44.108,68 s.A. und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 133.326,07 s.A. gerichtete Mehrbegehren des Klägers ab.

Seine Feststellungen über den Unfallshergang lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Der Unfall ereignete sich bei Tageslicht auf trockener Fahrbahn.

Der Zweitbeklagte fuhr mit dem 11,5 bis 12 m langen und 2,5 m breiten Omnibus der Erstbeklagten auf der Vösendorfer Ortsstraße bis zur Kreuzung mit der nach Biedermannsdorf führenden Straße. Von dort ist die Bushaltestelle ca. 38 m entfernt. Der Zweitbeklagte hielt den Omnibus an der Verlängerung des Straßenrandes der nach Biedermannsdorf führenden Straße an und fuhr von dort dann langsam wieder an. Er konnte mit dem Omnibus nicht zur Haltestelle fahren, weil dort von Martin F***** der LKW mit dem Kennzeichen N ***** abgestellt worden war. Ansonsten waren an der rechten Fahrbahnseite keine weiteren Fahrzeuge abgestellt. Der Zweitbeklagte hielt den Omnibus nicht parallel zur Fahrbahn am rechten Fahrbahnrand an, sondern in einer Position, in der die rechte hintere Ecke des Fahrzeuges 0,6 m und die linke vordere Ecke 4,3 m vom rechten Fahrbahnrand und 3,8 m von dem geparkten LKW entfernt war.

Die Fahrbahn ist im Unfallsbereich 8,9 m breit.

Nach dem Anhalten des Omnibusses stiegen zwei Fahrgäste zu; dies beanspruchte einen Zeitraum von mindestens 7,4 Sekunden. Der Omnibus befand sich während dieser Zeit im Stillstand. Während der letzten Sekunden begann der Zweitbeklagte das Rad nach links zu verdrehen, doch erfolgte zu dieser Zeit bereits die Kollision mit dem PKW des Klägers.

Der Kläger hatte seinen 4,291 langen und 1,8 m breiten PKW an der Kreuzung der Vösendorfer Ortsstraße mit der nach Biedermannsdorf führenden Straße gleichfalls, und zwar für einen Zeitraum von 10 bis 15 Sekunden, angehalten und fuhr dann über die Kreuzung, wobei er sein Fahrzeug auf 30 km/h beschleunigte. Er beabsichtigte, an dem stehenden Omnibus vorbeizufahren, doch wurde ihm durch dieses schräg stehende Fahrzeug die Sicht weitgehend genommen. Der Kläger wollte mit einem Abstand von 40 bis 50 cm an dem Omnibus vorbeifahren, änderte aber seinen Entschluß, als er sah, daß ihm ein von Friedrich R***** gelenkter PKW (dieses Fahrzeug war ca. 4,3 m lang und ca. 1,7 m breit) entgegenkam. Der PKW des Klägers wäre mit dem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert, hätten nicht beide Lenker ein Ausweichmanöver durchgeführt. Der Kläger versetzte seinen PKW um einen halben Meter nach rechts. Er fuhr dabei mit dem rechten hinteren Kotflügel an die linke vordere Ecke des Omnibusses und wurde nach links verdreht, sodaß das Fahrzeug um einen halben Meter weiter nach links kam. In diesem Zeitpunkt fuhr der entgegenkommende PKW des R***** 60 cm von seinem rechten Fahrbahnrand entfernt, während der PKW des Klägers (mit seiner linken Flanke) 6,6 m von seinem rechten Fahrbahnrand entfernt war. Dadurch kam es zu einer leichten Berührung des PKW des Klägers mit dem Fahrzeug des R*****. In der Folge kollidierte dann der PKW des Klägers noch mit dem stehenden LKW des F*****.

Am Omnibus wurde vor und bei der Kollision der linke Blinker nicht betätigt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das überwiegende Verschulden an diesem Verkehrsunfall den Kläger treffe, der ohne ausreichende Sicht auf den Gegenverkehr versucht habe, den stehenden Omnibus zu „überholen“ und dabei erheblich über die Fahrbahnmitte geraten sei; der Kläger habe gegen § 16 Abs. 1 lit. a StVO verstoßen. Es treffe aber auch den Zweitbeklagten ein Verschulden, weil er ohne Notwendigkeit beinahe die gesamte rechte Fahrbahnhälfte blockiert und hiedurch dem nachfolgenden Verkehr die Sicht genommen habe. Dem Zweitbeklagten wäre es möglich gewesen, ca. 50 m vor oder nach der Haltestelle zum rechten Fahrbahnrand zuzufahren und dort fahrbahnparallel anzuhalten. Es sei eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers vorzunehmen.

Dieses Urteil blieb im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Betrag von S 1.000, s.A. unangefochten. Im Übrigen wurde es in seinem klagsabweisenden Teil vom Kläger und in seinem klagsstattgebenden Teil von der Beklagten mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers keine Folge. Hingegen gab es der Berufung der Beklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der vollinhaltlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, daß dem Kläger zwar kein Verstoß nach § 16 StVO vorzuwerfen sei, weil er kein Überholmanöver durchgeführt habe; damit sei aber für den Kläger nichts gewonnen. Dem Zweitbeklagten könne aus der festgestellten Anhalteposition, in der es zur Kollision mit dem PKW des Klägers gekommen sei, kein Vorwurf gemacht werden. Das Stehenbleiben eines Fahrzeuges des Kraftfahrlinienverkehrs in einer Haltestelle gelte als Anhalten; das Halten und Parken im Sinne des § 23 Abs. 2 StVO diene der Überstellung eines Fahrzeuges vom fließenden in den ruhenden Verkehr. Mit der Fahrtunterbrechung erfülle ein öffentliches Verkehrsmittel nur den speziellen Auftrag, den Passagieren das Aus- und Einsteigen zu ermöglichen, ohne daß dabei das Fahrzeug aus dem Fließverkehr ausgegliedert werde. Daran ändere sich nichts, wenn der Haltestellenbereich durch gesetzwidrig abgestellte Fahrzeuge verstellt sei und deshalb nicht angefahren werden könne. Dem Stehenbleiben eines öffentlichen Verkehrsmittels außerhalb der Haltestelle, weil diese gesetzwidrig verstellt ist, komme daher auch der rechtliche Charakter des Anhaltens zu, sodaß das Erstgericht dem Zweitbeklagten zu Unrecht eine Verletzung der Vorschrift des § 23 StVO vorwerfe. Hiezu komme, daß der Lenker des öffentlichen Verkehrsmittels so weit wie möglich in den Haltestellenbereich einfahren müsse, weil das Anhalten in der Haltestelle oder in deren möglichster Nähe den Passagieren das Erreichen ihres Fahrzieles und ein gefahrloses Verlassen und Besteigen des Omnibusses garantiere. Abgesehen von der Unanwendbarkeit des § 23 StVO auf den vorliegenden Fall müsse eine durch das Verstellen der Haltestelle bedingte nicht fahrbahnachsenparallele Anhaltestellung toleriert werden, die dem öffentlichen Verkehrsmittel das Weiterfahren (aus dem nur teilweise benützbaren Haltestellenbereich) ohne ein Zurückschieben erlaube. Die festgestellte Schrägstellung des Omnibusses während des Anhaltens begründe daher kein Mitverschulden des Zweitbeklagten. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe vielmehr den Kläger, weil der Unfall nur auf dessen unvorsichtiges Einfahren in die durch den stehenden Omnibus geschaffene Engstelle und das folgende Rechtsauslenkmanöver während der Vorbeifahrt am stehenden Omnibus zurückzuführen sei.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage des Anhaltens eines öffentlichen Verkehrsmittels außerhalb einer Haltestelle, wenn diese gesetzwidrig verstellt sei, und des hiebei zu beobachtenden Verhaltens keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie ihrem gesamten Inhalt nach aus den Revisionsgründen „des § 503 Abs. 1 Z 1 bis 4 ZPO“ mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er Aufhebungsanträge.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung seines Klagebegehrens mit einem Betrag von S 1.000, s.A. richtet. In diesem Umfang erwuchs nämlich die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsabweisenden Teil mangels Anfechtung durch den Kläger in Rechtskraft. In diesem Umfang war die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.

Im übrigen ist die Revision zulässig. Bei der im vorliegenden Fall zu lösenden und auch in der Revision behandelten Rechtsfrage, ob das Zum-Stillstand-Bringen des Omnibusses der Erstbeklagten unter den festgestellten Umständen den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung entspricht, handelt es sich um eine solche der im § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO beschriebenen Art, zumal dazu, soweit überschaubar, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt.

Der Kläger erklärt zwar in seinem Rechtsmittel ausdrücklich, die Revisionsgründe des § 503 Abs. 1 Z 1 bis 4 ZPO geltend zu machen. Er übersieht dabei die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe im Fall der hier vorliegenden Zulassungsrevision. Dies schadet aber dem Kläger, da es sich nur um eine unrichtige Bezeichnung der geltend gemachten Revisiongründe handelt und seinen Revisionsausführungen durchaus zu entnehmen ist, wodurch er sich im einzelnen beschwert erachtet, nicht.

Wenn der Kläger den Revisionsgrund der Nichtigkeit dahingehend ausführt, daß die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes nur dann zu verstehen sei, wenn man ihr die Feststellung unterstelle, daß ein fahrbahnparalleles Abstellen des Omnibusses im unmittelbaren Haltestellenbereich nicht möglich gewesen sei, ist ihm zu entgegnen, daß er damit die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bekämpft, aber keinen der im § 477 ZPO normierten Nichtigkeitsgründe geltend macht.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens er würde im Fall der Zulassungsrevision die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt, voraussetzen liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Abs. 1 Z 3 ZPO betrifft die Lösung der Tatfrage; eine Aktenwidrigkeit kommt daher im Rahmen des § 503 Abs. 2 ZPO als Revisionsgrund nicht in Betracht, weil diese Gesetzesstelle die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage voraussetzt (5 Ob 590/84). Auf die Ausführungen der Revision zur behaupteten Aktenwidrigkeit ist daher nicht weiter einzugehen.

Soweit die Rechtsrüge des Klägers von einem von den Vorinstanzen nicht festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt und kann dazu nicht Stellung genommen werden.

Im übrigen kann ihr aber teilweise Berechtigung nicht aberkannt werden.

Was zunächst das festgestellte Fahrverhalten des Klägers anlangt, unterliegt es keinem Zweifel, daß er in schwerwiegender Weise gegen § 17 Abs. 1 StVO verstoßen hat und daß ihn daher ein sehr erhebliches Verschulden an diesem Verkehrsunfall trifft. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß das Vorbeifahren, wenn es, wie im vorliegenden Fall, nur unter Überschreitung der Fahrbahnmitte möglich ist, nur dann erfolgen darf, wenn der Lenker mit Sicherheit damit rechnen kann, den Gegenverkehr nicht zu gefährden oder zu behindern. Dabei hat der Vorbeifahrende, wenn er die für das Vorbeifahren einschließlich des Wiedereinordnens auf die rechte Fahrbahnhälfte erforderliche Wegstrecke nicht einsehen kann, das Vorbeifahren erforderlichenfalls nur mit Schrittgeschwindigkeit zu beginnen und bis zur Erlangung entsprechender Sicht fortzusetzen, weil nur so dem Gebot des § 17 Abs. 1 StVO entsprochen werden kann ( Dittrich Veit Schuchlenz StVO 3 § 17 Anm. 8 und 9 und die dort zitierte Rechtsprechung; in letzterer Zeit etwa ZVR 1979/275; ZVR 1982/225; ZVR 1983/232; ZVR 1984/71 ua.). Daß das festgestellte Verhalten des Klägers, der sein Vorbeifahrmanöver an dem Omnibus ohne ausreichende Sicht mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h einleitete und dann wegen des wahrgenommenen Gegenverkehrs sein Fahrzeug so nach rechts auslenkte, daß es mit dem Omnibus in Kontakt kam, dieser Vorschrift grob zuwiderlief und daß daher den Kläger ein erhebliches Verschulden an dem eingetretenen Verkehrsunfall trifft, bedarf keiner weiteren Begründung.

Aber auch dem Zweitbeklagten ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht ein Verschulden an diesem Verkehrsunfall anzulasten.

Das Stehenbleiben eines Fahrzeuges des Kraftfahrlinienverkehrs bei einer Haltestelle, um das Aus- und Einsteigen von Fahrgästen zu ermöglichen, ist unabhängig von der Dauer des Fahrzeugstillstandes als Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 StVO zu werten (Bericht des Verkehrsausschusses zur StVO-Novelle 1976, 294 BlgNR 14. GP 3; 8 Ob 26/82). Dies muß auch dann gelten, wenn das Linienfahrzeug deswegen, weil der Haltestellenbereich (gesetzwidrig) verparkt ist, nicht unmittelbar an der Haltestelle angehalten werden kann, sondern im Nahbereich einer Haltestelle angehalten werden muß.

Daraus folgt zunächst, daß die Vorschrift des § 23 Abs. 2 StVO auf ein solches Zum Stillstand-Bringen eines Kraftfahrzeuges des Linienverkehrs nicht unmittelbar anzuwenden ist, weil es sich dabei eben um kein Halten oder Parken (§ 2 Abs. 1 Z 27 und Z 28 StVO), sondern um ein Anhalten (§ 2 Abs. 1 Z 26 StVO) handelt. Wie sich aber insbesondere aus den Vorschriften des § 7 StVO und des § 23 Abs. 2 StVO ergibt, ist es ein tragender Grundsatz der Straßenverkehrsordnung, daß zum Stillstand gebrachte Kraftfahrzeuge den in Bewegung befindlichen Verkehr möglichst wenig behindern dürfen. Diesem Grundsatz folgend hat der Oberste Gerichtshof etwa entschieden, daß das Anhalten eines Kraftfahrzeugs wegen eines unmittelbar drohenden Fahrzeugschadens bei gegebener Lenk- und Manövrierfähigkeit des Fahrzeuges am rechten Fahrbahnrand zu erfolgen hat (ZVR 1983/210), um auf diese Weise die von dem angehaltenen Fahrzeug ausgehenden Gefahren möglichst gering zu halten und die Vorbeifahrt nachkommender Verkehrsteilnehmer zu erleichtern. Die gleichen Überlegungen müssen aber auch für das Anhalten eines Kraftfahrzeuges des Linienverkehrs im Bereich einer Haltestelle gelten, mag es nun im unmittelbaren Bereich einer Haltestelle oder bei gesetzwidriger Verparkung des Haltestellenbereiches in der Nähe der Haltestelle erfolgen. In derartigen Situationen ist es dem Lenker des Linienfahrzeuges keinesfalls freigestellt, das Fahrzeug irgendwo auf der Fahrbahn zum Stillstand zu bringen; er hat vielmehr im Sinne obiger Ausführungen in jedem Fall so weit wie möglich zum rechten Fahrbahnrand zuzufahren, um auf diese Weise die von dem angehaltenen Fahrzeug ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer so gering wie möglich zu halten und insbesondere eine Behinderung des Nachfolgeverkehrs zu vermeiden. Gewiß wird es in derartigen Fällen vorkommen, daß etwa die Verparkung im Bereich der Haltestelle ein exaktes Zufahren des Fahrzeuges des Linienverkehrs zum rechten Fahrbahnrand nicht zuläßt; unter derartigen Umständen wird das Anhalten eines solchen Fahrzeuges auch in anderer Position zum Zweck des Ein- und Aussteigens von Passagieren toleriert werden müssen, weil dann eben der Zweck des Linienverkehrs anders nicht erreicht werden kann. Daß aber solche Umstände im vorliegenden Fall für den Zweitbeklagten gegeben gewesen wären, daß dieser also wegen des im Haltestellenbereich parkenden LKW nicht die Möglichkeit gehabt hätte, mit dem von ihm gelenkten Omnibus zum Zweck des Anhaltens in der Nähe der Haltestelle fahrbahnparallel zum rechten Fahrbahnrand heranzufahren, wurde im Verfahren erster Instanz weder behauptet noch ergibt sich dies aus den getroffenen Feststellungen.

Wenn der Zweitbeklagte aber unter diesen Umständen den von ihm gelenkten Omnibus so zum Stillstand brachte, daß die linke vordere Ecke des Fahrzeuges 4,3 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt war und damit der Omnibus die rechte Hälfte der 8,9 m breiten Fahrbahn fast zur Gänze blockierte, entsprach dieses Verhalten des Zweitbeklagten seinen oben dargestellten Verpflichtungen nicht. Auch er hat daher mit seinem Fehlverhalten zur Behinderung des Nachfolgeverkehrs und damit zum Zustandekommen dieses Verkehrsunfalles schuldhaft beigetragen.

Bei Abwägung des dargestellten Verschuldens der beiden beteiligten Lenker erscheint das Gewicht des Fehlverhaltens des Klägers, der ohne Rücksicht auf eine vor ihm gegebene klar erkennbare Verkehrssituation sein Vorbeifahrmanöver ohne entsprechende Sicht mit unzulässiger Geschwindigkeit begann und es dann bei Erkennbarkeit des Gegenverkehrs nur mehr so abbrechen konnte, daß dies zur Beschädigung seines eigenen PKW und anderer Fahrzeuge führte, doch bedeutend höher als jenes des dargestellten Fehlverhaltens des Zweitbeklagten. Im Sinne des § 11 Abs. 1 EKHG erscheint unter diesen Umständen eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten des Klägers gerechtfertigt.

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision des Klägers das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs. 1, 50 ZPO.

Rechtssätze
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