JudikaturJustiz8Ob140/72

8Ob140/72 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Juli 1972

Kopf

SZ 45/81

Spruch

Die Zuteilung der Klägerrolle durch das Abhandlungsgericht nach § 125 AußStrG findet nur im Falle des Streites um das Erbrecht statt

Geht der Streit um ein Vermächtnis, dann ist die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG anzuwenden, die eine Verteilung der Parteirollen und Setzung einer Klagefrist nicht vorsieht

OGH 11. 7. 1972, 8 Ob 140/72 (KG Wels R 135/72; BG Vöcklabruck A 322/69)

Text

Der Erblasser hat seine Söhne Franz und Walter aus erster Ehe und seine mj Tochter Susanne aus zweiter Ehe hinterlassen. In seiner eigenhändigen letztwilligen Verfügung vom 10. 7. 1966 hat er seine Frau aus zweiter Ehe, Ernestine und die mj Tochter Susanne zu Erben berufen, den Söhnen Franz und Walter sein "gesamtes Firmenvermögen" als Legat vermacht und diesen ua zu P III die Verpflichtung auferlegt, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres eine wertgesicherte monatliche Rente von S 2000.- zu bezahlen.

Der Erblasser war zusammen mit seinem Bruder Franz Johann A Inhaber der Baufirma Franz A. Diese offene Handelsgesellschaft wurde in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, bei der Franz Johann A Kommanditist wurde. Im Jahre 1966 wurde in einem Nachtrag zu diesem Gesellschaftsvertrag ua bestimmt, daß die Söhne Franz und Walter als Rechtsnachfolger des Erblassers die bereits im Testament genannte monatliche Rente an die mj Susanne zu bezahlen haben. Im November 1968 wurden in diese Gesellschaft die Söhne Franz und Walter in der weise als persönlich haftende Gesellschafter aufgenommen, daß sie Anteile von ihrem Vater (Erblasser) erhielten. In P IV dieses Notariatsaktes wurde insbesondere festgehalten, daß die im Gesellschaftsvertragsnachtrag erwähnte Verpflichtung zur Zahlung einer Rente an die mj Schwester Susanne zu entfallen hat.

Im Verlassenschaftsverfahren behaupteten die mit dem Rentenlegat an die mj Susanne belasteten Söhne des Erblassers, daß dieses Vermächtnis vor den Zeugen Dr Walter Sch, Josef A, und Mag pharm Viktor R vom Erblasser widerrufen worden sei. Diese Personen wurden als Testaments-, richtig Kodizillszeugen vernommen.

Das Erstgericht faßte daraufhin den Beschluß:

"Es wird festgestellt, daß das Rentenlegat zugunsten der erblasserischen Tochter mj Susanne A in P III des eigenhändigen Testamentes vom 10. 7. 1966 nicht durch eine letztwillige Erklärung widerrufen worden und daher rechtswirksam ist."" In der Begründung wird dazu ausgeführt, das strittige Rentenlegat habe durch einen notariellen Gesellschaftsvertragsnachtrag nicht widerrufen werden können. Daß der Erblasser bei diesem Anlaß mit letztwilliger Erklärung das Legat wirksam widerrufen habe, sei durch die Aussage der vernommenen Testaments-, richtig Kodizillszeugen nicht bestätigt worden. Nur Notar Dr Sch habe in diesem Sinne ausgesagt, während die beiden anderen Zeugen sich nicht mehr hätten erinnern können. Daher sei ein gültiger Widerruf des Rentenlegates nicht als erwiesen anzusehen.

Diese Entscheidung wurde von den Söhnen des Erblassers Franz und Walter mit Rekurs bekämpft. Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß dieser zu lauten habe:

"Die Söhne Franz und Walter A werden zu einer Wahrnahme ihres Standpunktes eines mündlichen Widerrufes des im Akt des letzten Willens vom 10. 7. 1966 zu III der Susanne A zugewandten Rentenvermächtnisses gegen diese auf den streitigen Rechtsweg verwiesen.

Zum Nachweis der gegen Susanne A erhobenen Klage gegenüber dem Bezirksgericht Vöcklabruck als Verlassenschaftsgericht wird den Söhnen Franz und Walter A eine Frist von vier Wochen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses erteilt.

Bei fruchtlosem Ablauf der vorgenannten Frist wird das Verlassenschaftsverfahren ohne Bedachtnahme auf den Standpunkt eines mündlichen Widerrufs des vorbezeichneten Rentenvermächtnisses fortgesetzt." Das Rekursgericht führte dazu im wesentlichen aus, der Notariatsakt vom 10. 11. 1968 stelle keinen wirksamen Widerruf des letztwillig der mj Susanne A vermachten Sublegates dar. Bezüglich des angeblich am 10. 11. 1968 mündlich erklärten Widerrufes sei nach den Aussagen der Kodizillszeugen die hiefür erforderliche äußere Form zwar eingehalten worden, doch sei die Gültigkeit des Widerrufes strittig geblieben. Hierüber sei im Prozeßweg eine Entscheidung herbeizuführen. Es gehe hiebei um Rechte einer Pflegebefohlenen, die zugleich pflichtteilsberechtigt sei. Daher sei es geboten, die Sache auf den Rechtsweg zu verweisen und den beiden eigenberechtigten Söhnen Franz und Walter die Klägerrolle aufzulasten.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der erbserklärten Erben nicht, jenem der Legatare jedoch Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, daß der Beschluß zu lauten hat:

"Die Beteiligten mj Susanne A einerseits sowie Franz und Walter A anderseits werden zur Klärung der im Verlassenschaftsverfahren strittig gewordenen Frage, ob das im letzten Willen des Erblassers vom 10. 7. 1966 unter III der mj Susanne A vermachte Rentenlegat rechtswirksam widerrufen wurde, auf den Prozeßweg verwiesen."

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, hatte das Abhandlungsgericht nur zu prüfen, ob der mündliche Widerruf des Vermächtnisses an die mj Susanne den äußeren Formerfordernissen entsprochen hat, ob also bei der Erklärung des Erblassers drei fähige Zeugen gleichzeitig zugegen waren; hingegen hatte es keine Würdigung der Aussagen der Kodizillszeugen vorzunehmen. Insbesondere sind die Testierabsicht des Erblassers sowie die Fragen, ob die Testamentszeugen zur Zeugenschaft aufgefordert wurden und ob die Aussagen der drei Zeugen übereinstimmen, sohin Umstände, die die Gültigkeit des Testamentes betreffen, im Rechtsweg zu klären (SZ 26/161, EvBl 1971/198, 5 Ob 53/71, 1 Ob 69/71, Weiß in Klang; III, 327). Dies gilt auch für Vermächtnisse mittels Kodizills (EvBl 1971/198, SZ 21/52, 4 Ob 508, 529/72, Weiß aaO 622). Es kann daher der Ansicht der erbserklärten Erben, der mündliche Widerruf sei schon deshalb, weil die Aussagen der Solennitätszeugen in einigen Punkten nicht übereinstimmen, als unwirksam anzusehen, nicht gefolgt werden.

Ist nun der Streit über die Wirksamkeit des Widerrufes und damit über den aufrechten Bestand des Sublegates im Prozeßweg auszutragen, stellt sich die Frage, ob hiefür die Parteirollen zu verteilen sind und ob zur Klagseinbringung eine Fallfrist zu setzen ist. Sie ist entgegen der bejahenden Ansicht des Rekursgerichtes für den vorliegenden Fall zu verneinen.

§ 125 AußStrG sieht vor, daß das Abhandlungsgericht bei sich widersprechenden Erbserklärungen zu entscheiden hat, welcher Teil er erbserklärten Erben gegen den anderen als Kläger aufzutreten hat und innerhalb welcher Frist die Klage anzubringen ist. Für die Zuteilung der Klägerrolle stellt § 126 AußStrG bestimmte Regeln auf. Dieser Vorgang betrifft nur den Streit um das Erbrecht, nicht aber, wenn der Streit um ein Vermächtnis geht (SZ 21/52, JBl 1957, 511, NZ 1918, 303, SZ 8/342). Diesfalls hat die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG Anwendung zu finden, wozu einschränkend zu sagen ist, daß eine solche Verweisung rechtlich nur eine Feststellung der Ausschaltung dieser im Rechtsweg zu lösenden Frage aus dem Rahmen des Abhandlungsverfahrens ist. Somit findet im Rahmen des Abhandlungsverfahrens keine Verteilung der Parteienrollen und Setzung einer Fallfrist statt (SZ 21/52 ua). Es bleibt vielmehr jenem Beteiligten, der ein Interesse an der Klarstellung hat, überlassen, eine entsprechende Klage zu erheben, wobei grundsätzlich derjenige, der einen Anspruch behauptet, als Kläger aufzutreten und ihn zu beweisen hat, wenn er bestritten wird (vgl SZ 21/52, SZ 41/30, 5 Ob 53/71). Es verbleibt also nach dem oben Gesagten zur Austragung dieses Streites nur der Rechtsweg offen, ohne daß hiefür die Klägerrolle und eine Fallfrist für die Klagseinbringung festzusetzen wäre. Daran ändert sich nichts dadurch, daß die Sublegatarin minderjährig und pflichtteilsberechtigt ist. Solange die Unwirksamkeit des strittigen Vermächtnisses nicht feststeht, wird der Abhandlungsrichter für die Sicherstellung dieses iS des § 160 AußStrG privilegierten Legates Vorsorge zu treffen haben, sodaß eine Hemmung des Verlassenschaftsverfahrens bis zur Erledigung des Streites über die Wirksamkeit des Legatswiderrufes nicht einzutreten hat (vgl SZ 21/52). Auch die Pflichtteilsberechtigung der Sublegatarin steht dem nicht entgegen; das Verlassenschaftsgericht wird iS des § 162 AußStrG auf den Pflichtteilsausweis zu dringen haben.

Rechtssätze
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