JudikaturJustiz8Ob127/22t

8Ob127/22t – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Mag. Michael Nierla, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe (Streitwert 11.051 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2022, GZ 35 R 137/22i 32, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. Februar 2022, GZ 41 C 628/21b-26, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer iSd § 502 Abs 1 erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] 2. Nach § 367 ABGB ist die Eigentumsklage gegen den rechtmäßigen und redlichen Besitzer einer beweglichen Sache auch abzuweisen, wenn er beweist, dass er sie gegen Entgelt (ua) von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens oder von jemandem erworben hat, dem sie der vorige Eigentümer anvertraut hatte.

[3] 3.§ 367 ABGB schützt nur den redlichen Erwerber einer beweglichen Sache. Die Redlichkeit bestimmt sich nach § 368 ABGB. Redlich ist demnach nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei diesbezüglich schon leichte Fahrlässigkeit schadet (vgl RIS Justiz RS0010885). Beim Erwerb von einem Unternehmer im gewöhnlichen Betrieb seines Unternehmens genügt dagegen der gute Glaube an die Befugnis des Veräußerers, über die Sache zu verfügen (§ 368 Abs 1 ABGB).

[4] Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache, aus ihrem auffallend geringen Preis, aus den ihm bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer gemäß § 368 Abs 2 ABGB die Sache dem Eigentümer zu überlassen.

[5] 4. Die Frage, ob der Erwerber einer fremden Sache iSd § 368 Abs 1 ZPO redlich war bzw dem (früheren) Eigentümer der Beweis der Unredlichkeit (§ 368 Abs 2 ABGB) nicht gelungen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0010168 [T2]), sodass sich regelmäßig eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht stellt. Allein dadurch, dass zu einzelnen Konstellationen keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, wird bei Anwendbarkeit der anerkannten Rechtsprechungsgrundsätze keine erhebliche Rechtsfrage begründet (vgl etwa 8 Ob 73/16t zur EG Übereinstimmungsbescheinigung Certificate of Conformity, kurz COC).

[6] Eine grobe Fehlbeurteilung der Frage der Redlichkeit, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren wäre, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen und wird auch vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

[7] 5. Richtig ist, dass speziell im Kfz-Handel und im Gebrauchtwagenkauf nach der Rechtsprechung besondere Verhaltensregeln zu beachten sind. Der Erwerber eines Kraftfahrzeugs muss sich aufgrund des Umstands, dass Kraftfahrzeuge häufig unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, besonders sorgfältig vergewissern, dass er nicht in fremde Rechte eingreift (RS0010891 [T7]). So ist es nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich Sache des Käufers eines Kraftfahrzeugs, sich durch Einsichtnahme in den Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers bzw bei einem Erwerb in einem gewöhnlichen Unternehmensbetrieb von dessen Verfügungsbefugnis zu überzeugen (RS0010212). Ergibt sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein nicht eindeutig die Berechtigung des Veräußerers, so sind weitere Nachforschungen anzustellen (RS0080033 [T6, T8]). Die Frage, ob besondere Umstände weitere über die Einsicht in den Typenschein hinausgehende Nachforschungen erforderlich machen, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls (vgl RS0010891 [T10]).

[8] 6. Seit 1. 7. 2007 wird für Fahrzeuge mit EG Betriebserlaubnis anstelle des Typenscheins auch eine EG Übereinstimmungsbescheinigung oder ein Datenauszug aus der Genehmigungsdatenbank erstellt. Typenscheine werden nur noch für Fahrzeuge mit einer Typengenehmigung mit nationaler Geltung ausgestellt (vgl § 29 Abs 1 KFG). In der Genehmigungsdatenbank werden keine personenbezogenen Daten gespeichert (vgl ErläutRV 136 BlgNR 23. GP 4). Aus ihr ergibt sich daher weder der Erstkäufer noch der Zulassungsbesitzer. Nur aus der Zulassungsbescheinigung II lässt sich die Anzahl der Vorbesitzer ableiten. Im Zuge der Zulassung wird eine Bestätigung über die Zulassung, in die auch die Anzahl der bisherigen Zulassungsbesitzer eingetragen wird, ausgedruckt und mit dem vorgelegten Genehmigungsnachweis für das Fahrzeug zum Fahrzeug-Genehmigungsdokument verbunden (§ 37 Abs 2b KFG).

[9] Wird der Verlust des Genehmigungsdokuments glaubhaft gemacht, so hat die Zulassungsstelle bei Fahrzeugen, deren Daten vollständig in der Genehmigungsdatenbank enthalten sind, einen aktuellen Datenausdruck aus der Genehmigungsdatenbank herzustellen und mit einer neuerlich ausgedruckten Bestätigung über die Zulassung zu einem Duplikat-Genehmigungsdokument zu verbinden (§ 37 Abs 2c KFG). Nach § 13a Zulassungsstellenverordnung kann einen solchen Antrag der Zulassungsbesitzer oder bei nicht zugelassenen Fahrzeugen der letzte Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs, bei nicht zugelassenen Fahrzeugen auch der rechtmäßige, mit dem früheren Zulassungsbesitzer nicht idente Besitzer stellen, sofern er bei der Antragstellung seinen rechtmäßigen Besitz glaubhaft macht.

[10] Im konkreten Fall lag bei der Veräußerung ein 2. Duplikat des Genehmigungsdokuments vor. Die Klägerin selbst verfügt nicht über das Original, sondern nur über das 1. Duplikat des Genehmigungsdokuments.

[11] 7. Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat das verfahrensgegenständliche Fahrzeug von einem Unternehmen gekauft, das zu dieser Zeit die Geschäftstätigkeit „Autohandel und Autovermietung“ betrieb und dem das Fahrzeug von der Klägerin als Eigentümerin vermietet und damit anvertraut worden war. Zum Unternehmensgegenstand gehörte auch der Verkauf von Fahrzeugen (unter anderem solche der Klägerin mit deren Zustimmung). Eine gültige Gewerbeberechtigung ist nach § 367 ABGB nicht erforderlich. Es genügt in einem solchen Fall das Vertrauen in die Verfügungsbefugnis des Verkäufers. Gleichzeitig mit der Übergabe des Fahrzeugs wurden die Unterlagen über den Kaufabschluss und ein 2. Duplikat des Fahrzeuggenehmigungsdokuments, also ein Ausdruck aus der Datenbank samt Bestätigung über die Zulassung (Zulassungsbescheinigung II), an den Leasinggeber des Käufers, der in den Kaufvertrag eintrat, übermittelt. Auch wenn das Duplikat des Genehmigungsdokuments erst anlässlich des Verkaufs beschafft wurde, ergibt sich aus diesem, dass das Fahrzeug seit zwei Jahren auf die Verkäuferin zugelassen war und es nur eine Vorzulassung gab.

[12] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass aufgrund dieses Sachverhalts weder der Käufer noch sein Leasinggeber eine Veranlassung für weitere Nachforschungen hinsichtlich der Verfügungsbefugnis hatten, hält sich, da es sich um einen Kauf von einem entsprechenden Unternehmer handelt, daher das Vertrauen in die Veräußerungsbefugnis ausreicht und sich aus den Dokumenten eine langjährige Zulassung auf die Verkäuferin ergab, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[13] Der in der Revision zitierten Rechtsprechung lagen jeweils nicht einschlägige Sachverhalte zugrunde.

[14] 8. Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[15] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41,50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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