JudikaturJustiz8Ob12/93

8Ob12/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E. Huber, Dr.Kodek, Dr.Jelinek und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter M*****, vertreten durch Dr.Götz Schattenberg und Dr.Ernst Moser, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien

1. Dr.Peter Zumtobel, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Imbergstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I*****Gesellschaft mbH Co KG, 2. Dr.Peter Zumtobel, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Imbergstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der U***** Gesellschaft mbH, wegen 53.750 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16.September 1992, GZ 1 R 81/92-36, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21.Jänner 1992, GZ 7 Cg 188/90-31, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der beklagten Parteien wurde während des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr.Peter Zumtobel zum Masseverwalter bestellt (6 Ob 627/92). Das dadurch unterbrochene vorliegende Verfahren wurde wieder aufgenommen. Die Gemeinschuldnerinnen werden im folgenden der Einfachheit halber weiterhin als Parteien bezeichnet.

Ein Mitarbeiter eines Vermögensberatungsunternehmens, dessen Rechtsverhältnis zu den beklagten Parteien nicht feststellbar ist, empfahl dem Kläger eine Beteiligung an der erstbeklagten Kommanditgesellschaft; deren Komplimentärin ist die zweitbeklagte Gesellschaft mbH. Laut Berechnung sollte die Steuerersparnis bei der Beteiligungssumme von 50.000 S zuzüglich 3.750 S Aufgeld mindestens 26.000 S und die jährlichen Auszahlungen, beginnend ab Jänner 1991, 3 % der Vertragssumme, insgesamt 9 x 1.500 S betragen. Bei einem Kapitaleinsatz von 27.750 S (53.750 S abzüglich Steuerersparnis von 26.000 S) sollte nach zehn Jahren ein Entnahmerecht von sogenannten I*****-Aktien zustehen, die einen Wert von 62.500 S repräsentieren sollten, sodaß sich in zehn Jahren Erträge von 76.000 S und ein Reinertrag von 48.250 S (180 % oder 18 % pro Jahr) ergeben. Dieser Berechnung lag ein Prospekt der erstbeklagten Partei (Ausgabe 1988) zugrunde, in dem unter anderem eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter vorgestellt und Steuervorteile noch für 1988 zugesagt werden.

Am 16.September 1988 stellte der Kläger - weil er eine zweite Beschäftigung angenommen hatte, dadurch mehr Einkommen erzielte und den Steuervorteil aus der Verlustzuweisung auch für das Jahr 1988 in Anspruch nehmen wollte - der erstbeklagten Partei das Anbot zur Zeichnung einer atypischen stillen Beteiligung mit einer Vertragssumme von 50.000 S (Ausgabepreis 53.750 S), Vertragsbeginn 22. September 1988 auf eine Mindestvertragsdauer von zehn Jahren. Die erstbeklagte Partei nahm nach Einzahlung des Ausgabepreises durch den Kläger mit Schreiben vom 11.Oktober 1988 und durch Übermittlung der Beteiligungsurkunde, die im "Treuhandregister" unter Nr ... eingetragen wurde, die Zeichnung an. In der Beteiligungsurkunde, in der die erstbeklagte Partei als Geschäftsherrin bezeichnet wird, ist vermerkt, daß die Barauslagen in jährlichen Raten von 1.500 S, beginnend mit 16.Dezember 1990 erfolgen. Im atypisch stillen Gesellschaftsvertrag ist festgehalten:

" ...

§ 2 Gesellschaftsverhältnis

1. Der atypisch stille Gesellschafter beteiligt sich als Mitunternehmer unter Einschluß der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an den stillen Reserven und am Firmenwert an der ... (erstbeklagten Partei).

§ 5 Führung von Gesellschafterkonten

Die Geschäftsherrin läßt für den stillen Gesellschafter über seine Beteiligung folgende Konten führen:

a) Ein Konto I, auf welchem die Vertragssumme vermindert um das am Zeichnungsschein ausgewiesene Wertsteigerungspauschale als Einlage verbucht wird.

b) Ein Konto II, auf welchem das Wertsteigerungspauschale als Rücklage verbucht wird.

c) Ein Konto III, auf welchem die Differenz zwischen Vertragssumme und dem Ausgabepreis als Rücklage verbucht wird.

d) Ein Konto IV, auf dem die Auszahlungen und Entnahmen verbucht werden.

e) Ein Konto V, auf dem die Gewinn- und Verlustrechnung verbucht wird. ...

§ 6 Gesellschafterverrechnung, Rechnungslegung, Ergebnisverteilung und Entnahmen

1. Die Geschäftsherrin erstellt nach Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen Jahresabschluß nach steuerlichen und handelsrechtlichen Grundsätzen. ...

2. Am Gewinn der Gesellschaft ist der atypisch stille Gesellschafter zusammen mit den übrigen Gesellschaftern der Geschäftsherrin im Verhältnis des Standes seines Kontos I zur Summe des Gesellschaftskapitales beteiligt. Am Verlust der Gesellschaft ist der Zeichner nur insoweit beteiligt, als der Stand der Konten I, II und III den Stand seiner Konten IV und V übersteigt. Gewinn und Verlust werden auf dem Konto V verbucht.

9. Sämtliche Entnahmen und Auszahlungen haben nach Maßgabe der liquiden Mittel der Gesellschaft zu erfolgen.

§ 8 Kündigung des Vertrages, Auseinandersetzungsguthaben

5. Der stille Gesellschafter verzichtet auf die Dauer von 10 Vertragsjahren auf jedwede Kündigung aus welchem Grunde auch immer

...

9. Das Auseinandersetzungsguthaben ist nicht zu verzinsen und nach Maßgabe der liquiden Mittel der Gesellschaft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auszubezahlen ..."

Im März 1989 gab der Kläger eine Einkommenssteuer-Erklärung für 1988 bei seinem Wohnsitz-Finanzamt ab. Trotz zweier Mitteilungen der das Kundenservice der erstbeklagten Partei durchführenden Gesellschaft mbH vom 13.Oktober 1989 und 10.April 1990, daß der Verlustanteil des Klägers 1988 53.750 S betrage, wurde der Kläger für 1988 von seinem Wohnsitz-Finanzamt nicht zur Einkommenssteuer veranlagt; Vorauszahlungen an Einkommenssteuer für die Folgejahre wurden nicht festgesetzt. Der Kläger erhob gegen die entsprechenden Bescheide keine Rechtsmittel. Es kam daher zu keiner Verminderung der Abgabenschuld des Klägers. Die ab 16.Dezember 1990 fälligen jährlichen Auszahlungen von 1.500 S wurden ohne Angabe von Gründen nicht an den Kläger geleistet.

Die erstbeklagte Partei reichte den Jahresabschluß 1988 erst am 27. März 1990 bei dem für sie zuständigen Finanzamt ein. Mit Bescheid vom 5.April 1991 stellte dieses Finanzamt fest, daß die Beteiligungen sämtlicher Gesellschafter an der erstbeklagten Partei keine Einkunftsquelle iS des § 2 Abs 3 EStG 1972 darstellten, daher in eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht einzubeziehen seien und eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die erstbeklagte Partei und deren Gesellschafter unterbleibe. Über die dagegen von der erstbeklagten Partei erhobene Berufung ist noch nicht entschieden. Die Erledigung der Steuererklärung dauerte deshalb solange, weil eine Betriebsprüfung der erstbeklagten Partei anhängig war und Unterlagen in einem Streitverfahren des Landesgerichtes Salzburg beschlagnahmt worden waren.

Der Kläger begehrt 53.750 S sA als Rückzahlung des Ausgabepreises. Er trägt vor, daß ihn wichtige Gründe zur sofortigen Vertragsauflösung berechtigten und stützt seinen Anspruch auch auf die "Titel des Schadenersatzes, List und Irreführung, Vertragsbruch und alle sonst denkbaren Rechtstitel" und trägt dazu vor: Hauptgrund für seine Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter der erstbeklagten Partei sei die in dem von dieser herausgegebenen Prospekt angegebene Zusage gewesen, daß es sich um eine Beteiligung mit Steuervorteil handle, welche schon 1988 geltend gemacht werden könne. Das Finanzamt habe jedoch die Verlustbeteiligung nicht anerkannt, weil die erstbeklagte Partei den Jahresabschluß für 1988 nicht vorgelegt und beim Finanzamt nur mangelhafte Unterlagen eingereicht habe. Die erstbeklagte Partei sei nicht in der Lage, den mit der Beteiligung zugesagten Steuervorteil wahr zu machen. Der Kläger könne auch auf Grund der angespannten finanziellen Situation der beklagten Parteien nicht mit den zugesicherten Barausschüttungen rechnen. Das Abschreibemodell sei nie tauglich gewesen, vom Finanzamt als solches anerkannt zu werden. Die in den Geschäftsbedingungen vorgesehene Verbuchung auf fünf Unterkonten sei nicht vorgenommen worden, sämtliche Einlagen seien auf ein gemeinsames Konto bei der Kommandistin, die hier nicht Treuhänderin sei, eingezahlt worden. All diese Umstände berechtigten den Kläger zur sofortigen Vertragsauflösung.

Die beklagten Parteien bestreiten im wesentlichen das Vorliegen von Gründen für eine sofortige Vertragsauflösung. Hinsichtlich der Barauszahlungen sei im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden, daß sämtliche Entnahmen und Auszahlungen nach Maßgab der liquiden Mittel erfolgen. Gemäß § 8 Z 9 des Gesellschaftsvertrages sei das Auseinandersetzungsguthaben nicht zu verzinsen und nur nach Maßgabe der liquiden Mittel der Gesellschaft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses auszuzahlen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren aus folgenden Erwägungen statt:

Geschäftszweck der atypisch stillen Beteiligung des Klägers an der erstbeklagten Partei sei die Erlangung eines Steuervorteils noch für das Jahr 1988 durch Anerkennung des Verlustes der erstbeklagten Partei durch das zuständige Finanzamt und in weiterer Folge damit auch durch das für den Kläger zuständige Wohnsitzfinanzamt gewesen. Dem Kläger sei es jedenfalls bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht möglich gewesen, eine steuerliche Anerkennung des Verlustanteils zu erreichen. Mangels liquider Mittel hätte die erstbeklagte Partei auch die versprochenen jährlichen Leistungen von 1.500 S nicht erbracht. Dem Kläger sei es daher nicht mehr zumutbar, am Vertragsverhältnis festzuhalten, sodaß er trotz des Kündigungsverzichts zu einer vorzeitigen Auflösung des als Dauerschuldverhältnis anzusehenden Gesellschaftsvertrages berechtigt sei. Die beklagten Parteien hafteten dem Kläger auch deshalb, weil es der erstbeklagten Partei nicht gelungen sei, die ihm versprochene Leistung des Finanzamtes tatsächlich zu verschaffen, sodaß der ausdrücklich zum Geschäftszweck gemachte Beweggrund des Klägers und damit der rechtliche Grund, die Beteiligungssumme zu behalten, weggefallen sei (§ 1435 ABGB).

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf und ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es an: Eine Haftung der beklagten Parteien aus dem Titel des Schadenersetzes wegen unrichtiger Angaben im Prospekt der erstbeklagten Partei scheitere daran, daß eine Haftung der Publikums-Gesellschaft selbst für falsche und irreführende Angaben und Beratung zu verneinen sei, weil sie die Wirkung hätte, daß der Vorrang der Gesellschaftsgläubiger durchbrochen und Gläubiger und Anleger gleichrangig um das Gesellschaftskapital konkurrieren würden. Gegen eine solche Haftung spreche auch der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Gesellschafter. Vermögensverluste der Gesellschaft sollten gleichmäßig auf alle Gesellschafter verteilt werden und jeder sollte nur seinen Anteil am Auseinandersetzungsguthaben verlangen können. Diese zur Publikums-Kommanditgesellschaft entwickelten Grundsätze seien bei einer Beteiligung als atypischer stiller Gesellschafter am Geschäftsvermögen nach Art eines Kommanditisten, wie sie der Kläger eingegangen sei, in gleicher Weise anzuwenden. Eine Haftung der erstbeklagten Partei aus Verletzung vorvertraglicher oder vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten komme daher nicht in Betracht. Der Kläger könne den Gesellschaftsvertrag nur ex nunc auflösen, seine Erklärung, seinen Beitritt zur stillen Gesellschaft wegen List und Irrtums anzufechten, sei als Erklärung einer fristgerechten außerordentlichen Kündigung zu beurteilen. Aus im einzelnen genannten Gründen sei diese außerordentliche Kündigung berechtigt. Maßgeblich für die damit erforderliche vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Parteien sei jedoch § 8 des Gesellschaftsvertrages. Das nach dieser zulässigen dispositiven Regelung des Gesellschaftsvertrages sich (allenfalls) ergebende Auseinandersetzungsguthaben werde das Erstgericht noch festzustellen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend - und diesbzüglich unangefochten - erkannte die zweite Instanz, daß der Kläger mit der erstbeklagten Anlage-Publikums-Kommanditgesellschaft durch das mit Zeichnungsschein am 16.September 1988 gestellte und von der erstbeklagten Partei nach Erhalt der Zeichnungssumme durch Übersendung der Beteiligungsurkunde am 11.Oktober 1988 angenommene Anbot einen Gesellschaftsvertrag über seine Beteiligung als sogenannter atypischer stiller Gesellschafter schloß. Solche atypischen stillen Gesellschaften, deren Wesen darin liegen kann, daß abweichend vom gesetzlichen Regeltypus der stille Gesellschafter schuldrechtlich am Gesellschaftvermögen nach Art eines Kommanditisten und/oder an der Geschäftsführung des Handelsgewerbes beteiligt wird, ihn somit rechtlich als Mitunternehmer iS des Steuerrechts stellen, werden allgemein als zulässig erachtet (Straube in Straube, Rz 22 zu § 335 HGB, Art 7 Nr 22 EVHGB mwN; Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts5 175; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht II4 369 f; Zutt in Staub, GroßK4 Rz 30 ff zu § 230 dHGB; Horn in Heymann, Rz 51 f zu § 230 dHGB). Motiv und Bedingung der atypischen stillen Beteiligung des Klägers war, den Feststellungen zufolge, vor allem eine erwartete steuerlichbegünstigte Verlustzuweisung noch für das Jahr 1988 mit der daraus resultierenden Verminderung seiner Steuerleistung.

Die weitere Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß die Publikums-Kommanditgesellschaft selbst nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Prospekthaftung - Schadenersatzhaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluß sowie für die Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten schon vor Geschäftsabschluß - in Anspruch genommen werden kann, entspricht herrschender Auffassung (Braumann, Anlegerschutz bei Abschreibungsgesellschaften 53 mwN; Baumbach-Duden-Hopt HGB28 601; Horn aaO Rz 195 f zu § 161 HGB mwN), wird im Rechtsmittel nicht in Frage gestellt und auch vom erkennenden Senat geteilt. Schon im Interesse der Gläubiger der Kommanditgesellschaft und der übrigen Anleger soll das Gesellschaftskapital nicht durch Schadenersatzansprüche einzelner Anleger ausgezehrt werden. Die bisher an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Fälle einer sogenannten Prospekthaftung (7 Ob 592/90

= SZ 63/136 = GesRZ 1992, 54 = RdW 1990, 443 = Ecolex 1990, 688 und 6

Ob 585/91 = RdW 1992, 63 = WBl 1992, 63 = ecolex 1991, 856 mit krit

Anm von Graf in ecolex 1992, 25 ff) betrafen Treuhänder und Personen, die als Einfluß übende "Gestalter" der Kommanditgesellschaft angesehen werden konnten. Wenn aber die Anlage-Publikums-Kommanditgesellschaft gegenüber dem Anleger als Kommanditisten unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Prospekthaftung nicht in Anspruch genommen werden kann, muß das gleiche auch für die Anlage-Publikums-Kommanditgesellschaft gegenüber einem atypischen stillen Gesellschafter und seiner an einen Kommanditisten angenäherten Rechtsposition gelten. Für eine sogenannte Prospekthaftung der zweitbeklagten Komplimentärin fehlt geeignetes Vorbingen des Klägers.

Auch der Standpunkt der Berufungsinstanz, bei der sogenannten atypischen stillen Gesellschaft, bei der der stille Gesellschafter schuldrechtlich am Vermögen oder an der Geschäftsführung beteiligt ist, seien die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaften anzuwenden, entspricht der herrschenden Auffassung (Straube aaO Rz 7;

Kastner-Doralt-Nowotny aaO 175; Hämmerle-Wünsch aaO 379 mwN in FN 32 ff; Zutt aaO Rz 69 zu § 230 dHGB mwN zu deutscher Lehre und Rechsprechung in FN 86 ff; Horn aaO Rz 28 zu § 230 dHGB;

Baumbach-Duden-Hopt aaO 610 mwN; vgl dazu auch K. Schmidt in Schlegelberger, HGB5 Rz 106 ff zu § 335 HGB). Während im allgemeinen die erforderliche Anfechtung wegen List oder Irrtums das Rechtsgeschäft ex tunc, das heißt rückwirkend auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses beseitigt, rechtfertigen beim Gesellschaftsvertrag die Wirkung der anfechtbar entstandenen Gesellschaft nach außen, die faktische Tätigkeit der Gesellschaft und das zu schützende Vertrauen dritter, in Rechtsbeziehungen zur Gesellschaft stehender Personen auf den Rechtsschein die von Lehre und Rechtsprechung entwickelte Auffassung, daß Mängel des Gesellschaftsvertrages regelmäßig nur für die Zukunft, also mit

Wirkung ex nunc, geltend gemacht werden können (JBl 1992, 183 =

ecolex 1992, 17 = RdW 1992, 109 = WoBl 1992, 246 mwN). Dem Gesellschaftsvertrag anhaftende Mängel führen grundsätzlich nur zur Möglichkeit der fristlosen (außerordentlichen) Kündigung aus wichtigen Gründen (Hämmerle-Wünsch aaO 380). Die Ausnahmen, in denen die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei der stillen Gesellschaft nach allgemeiner Ansicht keine Anwendung finden sollen (vgl dazu Straube aaO Rz 7; Hämmerle-Wünsch aaO 380), liegen hier nicht vor; die Entscheidung SZ 25/324 betraf keine atypische stille Gesellschaft. In der Entscheidung 1 Ob 62/71 = GesRZ 1972, 50 wurde die Auflösung einer Gesellschaft ex tunc als zulässig erachtet, solange - anders als hier - das Dauerschuldverhältnis noch gar nicht in Erscheinung getreten sei und seine Abwicklung noch nicht begonnen habe. Der Kläger kann daher sein Gesellschaftsverhältnis zur erstbeklagten Anlage-Publikums-Kommanditgesellschaft nur durch Kündigung aus wichtigem Grund mit Wirkung für die Zukunft rückgängig machen (Kastner-Doralt-Nowotny aaO 175; Horn aaO Rz 28 zu § 230 dHGB;

Baumbach-Duden-Hopt aaO 610). Soweit der Kläger seinen Anspruch auf

List und Irreführung durch die beklagten Parteien stützt, muß diese

Erklärung wegen der Unmöglichkeit einer Rückabwicklung ex tunc als

außerordentliche, keiner Form bedürftige (SZ 60/14 = GesRZ 1987, 105

= NZ 1988, 18 = RdW 1987, 159 = WBl 1987, 133 mwN und Anm von

Reich-Rohrwig) Kündigung nach § 339 Abs 1 zweiter Satz HGB angesehen werden, deren Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit wegen des Vorliegens wichtiger Gründe von den beklagten Parteien nicht in Frage gestellt wird; sie haben diese Rechtsauffassung der zweiten Instanz im Aufhebungsbeschluß nicht bekämpft.

Die Kündigung aus wichtigem Grund führt zur Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses und zur anschließenden Auseinandesetzung der Beteiligten; einer Rechtsgestaltungsklage bedarf es nicht (SZ 60/14 mwN). Rechtsfolge dieser außerordentlichen Kündigung ist aber, daß sich die erstbeklagte Geschäftsinhaberin und der klagende stille Gesellschafter zum Stichtag der Beendigung der Gesellschaft vermögensrechtlich auseinanderzusetzen haben (§ 340 Abs 1 HGB). Dazu muß allerdings - abweichend vom Ergänzungsauftrag der zweiten Instanz - die Auseinandersetzung nach der gesetzlichen Vorschrift des § 340 HGB geprüft werden (vgl dazu Straube aaO Rz 3 ff zu § 340 HGB). Zufolge des dispositiven Charakters der dabei anzuwendenden Rechtsnormen können gesellschaftsvertragliche Bestimmungen maßgeblich sein. Auch hier statuiert § 8 Z 7 des Gesellschaftsvertrages eine vom Gesetz abweichende Regelung des Inhalts: "Für den Fall der Beendigung der stillen Gesellschaft durch Kündigung seitens des stillen Gesellschafters steht dem ausscheidenden stillen Gesellschafter ein Auseinandersetzungsguthaben in Höhe seiner saldierten Konten I bis V, welche die Wertsteigerung, stillen Reserven und den Firmenwert pauschal inkludieren, unter Ausschluß weitergehender Ansprüche zu."

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes haben sich die beklagten Parteien auf diese zu ihrem Vorteil bestehende gesellschaftsvertragliche Regelung aber bisher nicht berufen. Wenn sich im fortzusetzenden Verfahren aus dem Parteienvorbringen und dem Beweisverfahren nichts anderes ergeben sollte, wird daher das Erstgericht das Auseinandersetzungsguthaben des Klägers nach den gesetzlichen Vorschriften zu ermitteln haben.

Auf § 8 Z 9 des Gesellschaftsvertrages haben sich die beklagten Parteien dagegen schon bisher berufen. Vor einer Anwendung dieser Bestimmung muß sich das Erstgericht freilich noch mit der auch im Tatsachenbereich noch ungeprüften Frage beschäftigen, ob diese Bestimmung des Gesellschaftsvertrages im konkreten Fall Vertragsinhalt war.

Dem Rekurs ist demnach nicht Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 Abs 1 ZPO.

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