JudikaturJustiz7Ob96/69

7Ob96/69 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 1969

Kopf

SZ 42/96

Spruch

Nicht in jedem Fall eines Gerichtserlages gemäß § 1425 ABGB. müssen die Erlagsgegner Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO. sein. Sie sind es aber, wenn der unter Hinweis auf § 10 (4) AKB. erlegte Betrag nur nach Maßgabe der gemäß § 16 (2) EKHG. vorzunehmenden verhältnismäßigen Aufteilung der Ersatzbeträge ausgefolgt werden kann.

Sowohl die abgesonderte Verhandlung gegen einzelne Streitgenossen als auch die Fällung eines Teilurteiles gegen einzelne Streitgenossen ist bei Vorliegen notwendiger Streitgenossenschaft unzulässig.

Entscheidung vom 25. Juni 1969, 7 Ob 96/69.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Am 4. Juli 1964 stieß ein von Anton G. gelenkter PKW bei S. mit einem vom Zweitkläger gelenkten Sattelschlepper zusammen, wodurch mehrere Personen zu Schaden kamen. Die Versicherungsgesellschaft, bei welcher der PKW des Anton G. zur Unfallszeit haftpflichtversichert war, erlegte unter Berufung auf § 10 (4) AKB. am 12. Oktober 1964 die Deckungssumme für Sachschäden in Höhe von 60.000 S zu 1 Nc .../64 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zugunsten des Anton G., der beiden Kläger und der sechs Beklagten, ferner zugunsten von Helga O., Theodor K., Manfred D. und der Bundesstraßenverwaltung S. in Tirol.

Von diesen Erlagsgegnern erklärten Helga O. und die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung für Tirol, ausdrücklich (schriftlich), mit der Ausfolgung des erlegten Betrages an den Vertreter der Kläger einverstanden zu sein, die Erlagsgegner Theodor K. und Manfred D. zedierten ihre Ansprüche auf Sachschadenersatz der Erstklägerin. Gegen Anton G. erwirkten die Kläger zu 1 Cg .../64 des Landesgerichtes Innsbruck einen Exekutionstitel auf Zahlung von 14.000.77 DM samt Zinsen und Kosten. In diesem Verfahren wurde davon ausgegangen, daß der Schaden zu einem Drittel von Anton G. und zu zwei Dritteln vom Zweitkläger verschuldet wurde.

Auf Grund dieses Sachverhaltes begehrten die Kläger mit der gegenständlichen Klage die Verurteilung der sechs übrigen Erlagsgegner zur Einwilligung in die Ausfolgung des gesamten erlegten Betrages an die Kläger und zur Fertigung der hiefür notwendigen Urkunden. Sie brachten hiebei vor, daß die übrigen Erlagsgegner keine Ansprüche hätten.

Da bei der ersten Tagsatzung die Dritt-, Fünft- und Sechstbeklagten trotz ausgewiesener Vorladung nicht erschienen, beantragten die Kläger Versäumnisurteil gegen die dritt- und fünftbeklagte Partei. Diesen Antrag wies das Erstgericht mit rechtskräftigem Beschluß vom 31. Jänner 1967 ab, weil eine notwendige Streitgenossenschaft vorliege.

Die angeführten drei Beklagten erschienen trotz ausgewiesener Zustellung der Vorladung auch zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 8. Juni 1967 nicht, wobei der Drittbeklagte dem Gericht schriftlich mitteilte, von seinen Ansprüchen zurückzutreten und der Sechstbeklagte durch seinen ausgewiesenen Vertreter den Klägern gegenüber erklärte, nunmehr mit der Ausfolgung des erlegten Betrages an den Klagevertreter einverstanden zu sein. Eine positive Erklärung des Fünftbeklagten ist aus den Akten nicht ersichtlich.

Am 8. Juni 1967 führte das Erstgericht das gegenständliche Verfahren nur mehr mit den Erst-, Zweit- und Viertbeklagten weiter und verurteilte diese Beklagten, in die Ausfolgung eines Betrages von 3000 S an die Erstklägerin einzuwilligen und alle hiezu notwendigen Urkunden zu fertigen. Das Mehrbegehren der Erstklägerin und das Begehren des Zweitklägers wurden vom Erstgericht abgewiesen.

Der stattgebende Teil dieses Urteils blieb unbekämpft.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung der Kläger. Im übrigen gab es der Berufung des Zweitklägers nicht Folge, der Berufung der Erstklägerin hingegen teilweise Folge und verurteilte mit dem angefochtenen Urteil die Erst-, Zweit- und Viertbeklagten zur Einwilligung in die Ausfolgung weiterer 21.643.35 S s. A. an die Erstklägerin.

Das Berufungsgericht führte dabei zu der auch im Berufungsverfahren wieder aufgeworfenen Frage der Notwendigkeit, gegen sämtliche Beklagte bzw. Erlagsgegner gleichzeitig ein Urteil zu erwirken, dem Sinne nach aus, der Umstand, daß nicht alle Erlagsgegner gleichzeitig geklagt wurden, hier kein Grund zur Klagsabweisung sei, es liege auch keine notwendige Streitgenossenschaft auf der Beklagtenseite vor, weil die Gefahr unlösbarer Verwicklungen hier nicht bestunde; die Verhandlung sei seit 8. Juni 1967 faktisch gegen einzelne Beklagte getrennt geführt und folgerichtig nur gegen diese Beklagten ein Urteil gefällt worden, das Verfahren gegen die restlichen Beklagten müsse vom Erstgericht fortgesetzt werden.

Dieses Urteil bekämpft die Erstbeklagte in seinem die erstgerichtliche Entscheidung abändernden Teil.

Der Oberste Gerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichtes in Ansehung der Verpflichtung der Erst-, Zweit- und Viertbeklagten zur Einwilligung in die Ausfolgung weiterer 21.643.35 S s. A. an die Erstklägerin auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, müssen bei einer Mehrheit von Erlagsgegnern sämtliche Begünstigte der Ausfolgung des erlegten Betrages zustimmen (RiZ. 1938 S. 56 u. a.) oder es muß gegen diejenigen, welche nicht zustimmen, ein Urteil erwirkt werden (SZ. XXXIX 123 u. a.).

Demzufolge wurde die Klage zutreffend nicht gegen jene Erlagsgegner gerichtet, welche festgestelltermaßen schon vor Einleitung des Rechtsstreites ausdrücklich ihre schriftliche Zustimmung zur Ausfolgung erklärt haben. Da ferner feststeht, daß Theodor K. und Manfred D. ihre Ansprüche auf Sachschadenersatz - und nur diese Ansprüche betrifft der gegenständliche Erlag - der Erstklägerin abgetreten haben, ist seither lediglich die Erstklägerin berechtigt, anstelle dieser beiden als Erlagsgegner bezeichneten Personen Rechte am erlegten Betrag geltend zu machen, was ohnehin geschehen ist.

Es wurden daher hier sämtliche Erlagsgegner geklagt, deren Ansprüche im Verein mit dem von den Klägern repräsentierten Ansprüchen für die gemäß § 16 (2) EKHG. vorzunehmende verhältnismäßige Berechnung der aus der Haftpflichtdeckungssumme zu leistenden Ersatzbeträgen bedeutsam sein können. Die Klage kann somit entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung keineswegs als unschlüssig bezeichnet werden.

Hingegen ist die Rechtsrüge der Revision insoweit berechtigt, als sie die Notwendigkeit eines einheitlichen Urteils und damit das Vorliegen notwendiger Streitgenossenschaft behauptet.

In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht zwar richtig erkannt, daß nicht in jedem Fall eines Gerichtserlages gemäß § 1425 ABGB. die Erlagsgegner Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO. sein müssen. Im vorliegenden Fall kann jedoch der unter Hinweis auf § 10 (4) AKB. erlegte Betrag nur nach Maßgabe der gemäß § 16 (2) EKHG. vorzunehmenden verhältnismäßigen Aufteilung der Ersatzbeträge ausgefolgt werden. Die Berechnung dieses Verhältnisses und damit der Höhe des an die Erstklägerin auszufolgenden Betrages kann nur einheitlich unter Beteiligung aller sonstigen, der Ausfolgung nicht zustimmenden Anspruchswerber erfolgen. Die Rechtsverhältnisse dieser Anspruchswerber untereinander können kraft ihrer Beschaffenheit nur einheitlich festgestellt werden (vgl. Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 186), eine unterschiedliche Entscheidung darüber würde zu unlösbaren Verwicklungen führen. Demnach sind hier sämtliche Beklagte notwendige Streitgenossen im Sinn des § 14 ZPO. (Fasching, Kommentar II S. 192 ff., Neumann, Kommentar S. 437, ImZ. 1968 S. 334 u. a.).

Das Berufungsgericht verneinte die angeführte Gefahr unlösbarer Verwicklungen nur deshalb, weil die vom angefochtenen Urteil nicht betroffenen Beklagten (bisher) keine Ansprüche erhoben haben. Abgesehen davon, daß der Fünftbeklagte bisher untätig blieb und es daher denkbar wäre, daß er in dem gegen ihn fortgesetzten Verfahren Sachschäden geltend macht, können bei einem einheitlichen Rechtsverhältnis die Beklagte entweder nur zur Gänze notwendige Streitgenossen sein, oder keiner von ihnen. Es liegt aber auf der Hand, daß es zu unlösbaren Verwicklungen geführt hätte, wenn das gegenständliche Verfahren etwa nur mit einem einzigen Beklagten durchgeführt worden wäre. Der Umstand, daß durch die Erklärungen einzelner Beklagter während des Rechtsstreites die Berechnung des Verhältnisses der den einzelnen Anspruchswerber gemäß § 16 (2) EKHG. zustehenden Beträge erleichtert wird, kann somit an der Rechtsnatur der für sämtliche Beklagte bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft nichts ändern.

Da hier die Verhandlung seit 8. Juni 1967 gegen drei von den Beklagten getrennt geführt und in der Folge nur gegen diese drei Beklagten ein Urteil gefällt wurde, handelt es sich bei den Entscheidungen der Vorinstanzen in Wahrheit um Teilurteile (Fasching III S. 569, Neumann S. 1116, 5 Ob 126/66 u. a.) Sowohl die abgesonderte Verhandlung gegen einzelne Streitgenossen als auch die Fällung eines Teilurteils gegen einzelne Streitgenossen ist jedoch bei Vorliegen notwendiger Streitgenossenschaft unzulässig (ebenso Fasching und Neumann a. a. O.).

Die somit aus rechtlichen Gründen unzulässigen Teilurteile der Vorinstanzen waren im Umfang ihrer Anfechtung aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen, und zwar im Hinblick auf das Bestehen notwendiger Streitgenossenschaft auch in Ansehung der Zweit- und Viertbeklagten (Fasching II S. 200, Neumann S. 441 u. a.). Entsprechend den vorstehenden Ausführungen wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren sämtliche Beklagten vorzuladen und ein Urteil in Ansehung aller Beklagten zu fällen haben, wobei ein neuerliches Ausbleiben einzelner Beklagter als (endgültige) Unterlassung der Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen der gemäß § 16 (2) EKHG. vorzunehmenden Berechnung zu berücksichtigen sein wird.