JudikaturJustiz7Ob662/87

7Ob662/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Oktober 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** C*** Handelsgesellschaft mbH, Salzburg, Fürbergstraße 44, vertreten durch Dr. Robert Eder und Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei F*** Anlage- und Finanzierungs-Beratungs-Gesellschaft mbH Co KG, Salzburg, Ignaz Rieder-Kai 13 a, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 20. Mai 1987, GZ. 32 R 82/87-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 9. Dezember 1986, GZ. 15 C 2309/85-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag Beilage A mieteten die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im September 1984 noch in Gründung befindliche klagende Partei und Dieter und Otto W*** von der beklagten Partei das Geschäftslokal top.Nr. 1 im Hause Salzburg, Rupertgasse 24-26 ab 1. Oktober 1984 auf unbestimmte Zeit. Die Vertragsparteien verzichteten für die ersten fünf Jahre auf eine Kündigung des Bestandverhältnisses. Für den Fall, daß die Mieter die Betriebsstättengenehmigung nicht rechtswirksam erteilt erhalten oder andere behördliche Auflagen erteilt werden, die die Ausübung des Betriebsgegenstandes unmöglich oder wirtschaftlich unmöglich machen, sind diese berechtigt, das Mietverhältnis zum Ende eines jeden Monats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zu kündigen. Die klagende Partei kündigte das Mietverhältnis zum 31. Dezember 1985 mit der Begründung auf, daß eine Betriebsstättengenehmigung nicht erteilt worden sei. Eine solche könnte im Hinblick auf Art und Menge der in ihrem Betrieb gelagerten Lacke und Verdünnungsmittel, insbesondere aus feuerpolizeilichen Gründen, nicht erteilt werden oder sie würde zumindest nur unter solchen Auflagen erteilt werden, die wirtschaftlich völlig unzumutbar seien.

Die beklagte Partei bestreitet das Vorliegen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für eine vorzeitige Kündigung. Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam. Nach seinen Feststellungen ist Unternehmensgegenstand der klagenden Partei der Handel mit Farben und die Herstellung von Lacken. Eine Betriebsstättengenehmigung für den Standort Rupertgasse 24-26 lag nie vor. Die Gewerbetätigkeit der klagenden Partei wurde von der Gewerbebehörde bloß vorübergehend toleriert. Der zuständige Sachbearbeiter des Gewerbeamtes teilte dem Geschäftsführer der klagenden Partei mit, daß für den Standort Rupertgasse infolge der Verbauung und des Vorhandenseins von Wohnungen im Hause Rupertasse 24-26 nie mit einer Betriebsstättengenehmigung gerechnet werden könne. Es ging damals im wesentlichen um die Lagerung und das Mischen von Farben. Auch die Baubehörde wäre nicht bereit gewesen, die für die Lagerung notwendigen Umbauten zu bewilligen. Es war eine Betriebssperre zu besorgen. Aus diesem Grund übersiedelte die klagende Partei in die Waldgasse in der Hoffnung, für diesen Standort leichter eine Genehmigung zu erhalten.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei die klagende Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Kündigung berechtigt, wenn die Aussichtslosigkeit des Erhaltes einer behördlichen Betriebsgenehmigung feststehe. Dies sei hier der Fall. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Aufhebung der Kündigung ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen einer notwendigen Streitgenossenschaft zwischen den Mietern und führte zur rechtlichen Beurteilung in der Sache aus, daß die Vereinbarung eines Kündigungsverzichtes zulässig gewesen und die klagende Partei für das Vorliegen des vereinbarten Ausnahmefalles beweispflichtig sei. Sie häte daher beweisen müssen, daß mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die behördliche Bewilligung versagt worden wäre. Die bloße Äußerung eines mit der entsprechenden Behördenangelegenheit befaßten Verwaltungsbeamten, daß mit der Erteilung der erforderlichen Bewilligung nicht gerechnet werden könne, sei weder einem abweislichen Bescheid der Behörde gleichzuhalten noch eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit eines entsprechenden Ansuchens um Bewilligung. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrages verzichteten die Vertragsparteien zulässigerweise (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 1116 mwN) auf eine Kündigung für die ersten fünf Jahre. Die Wirkung des Kündigungsverzichtes sollte jedoch keine unbedingte sein. Für den Fall, daß den Mietern die Betriebsstättengenehmigung nicht rechtswirksam oder nur unter bestimmten behördlichen Auflagen erteilt werde, sollten sie zur Kündigung berechtigt sein. Nach § 74 Abs. 2 der Gewerbeordnung dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, das Leben oder die Gesundheit unter anderem der Nachbarn oder der Kunden oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden oder die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. Es ist nicht strittig, daß die klagende Partei für ihren Betrieb in den gemieteten Geschäftsräumen einer Betriebsstättengenehmigung bedurfte. Die Antragstellung bei der Behörde oblag der klagenden Partei. Ein solcher Antrag wurde jedoch nie gestellt. Nach den Behauptungen der klagenden Partei könnte die erforderliche behördliche Betriebsstättengenehmigung im Hinblick auf die Art und Menge der in ihrem Betrieb gelagerten Lacke und Verdünnungsmittel, insbesondere aus feuerpolizeilichen Gründen, gar nicht oder doch nur unter solchen behördlichen Auflagen erteilt werden, die die Ausübung des Betriebsgegenstandes wirtschaftlich unmöglich machten. Ob die Aussichtslosigkeit, eine behördliche Genehmigung überhaupt oder unter wirtschaftlich vertretbaren Auflagen zu erhalten, für die Annahme des vereinbarten Bedingungseintrittes genügt, ist eine Frage der Vertragsauslegung (vgl. Knüttel, Erfolgs- und Nichterfolgsfiktion bei der Bedingung in JBl. 1976, 613 f., insbesondere 615; Ehrenzweig, System2 I/1 243). Der objektive Aussagewert einer Willenserklärung ist grundsätzlich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu ermitteln. Ist danach der objektive Aussagewert nicht zweifelhaft, muß derjenige, der sich auf eine vom Wortlaut abweichende Parteienvereinbarung beruft, die Umstände behaupten und beweisen, aus denen sich diese ergibt (vgl. Koziol-Welser7 I 85; Rummel in Rummel ABGB, Rdz 23 zu § 914; MietSlg. 30.124/19; MietSlg. 30.125). Im vorliegenden Fall kann es nach dem Wortlaut der Ausnahmeregelung vom Kündigungsverzicht (nicht rechtswirksam erteilt .... behördliche Auflagen) nicht zweifelhaft sein, daß eine behördliche Entscheidung über die Betriebsstättengenehmigung vorliegen muß. Umstände, aus denen sich eine andere Parteienabsicht ergäbe, wurden nicht einmal behauptet. Mangels solcher Behauptungen und weil Bedingungen grundsätzlich genau erfüllt werden müssen (§ 699 ABGB), kann sich die klagende Partei nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Erhalt einer behördlichen Genehmigung nicht oder nur unter wirtschaftlich untragbaren Auflagen möglich gewesen wäre. Entgegen ihrer Meinung liegt auch eine Vertragslücke als Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht vor. Bei der ergänzenden Auslegung geht es um die Lösung von Problemfällen in der Vertragsabwicklung, für die die Vertragschließenden weder nach dem objektiv maßgeblichen Wortlaut noch durch übereinstimmenden Willen etwas geregelt haben (Rummel aaO Rdz 9). Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien einen Kündigungsverzicht für fünf Jahre vereinbart und gerade für den Fall des Nichterhaltes einer behördlichen Genehmigung für den Betrieb der klagenden Partei eine Regelung getroffen. Eine vom maßgeblichen objektiven Wortlaut dieser Regelung abweichende Korrektur ist nicht Aufgabe der Vertragsergänzung.

Liegen somit die Voraussetzungen für eine vorzeitige Kündigung nicht vor, erübrigt sich eine Stellungnahme zur Frage der notwendigen Streitgenossenschaft zwischen den Mietern. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
5