JudikaturJustiz7Ob42/99y

7Ob42/99y – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Huber, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus P*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Eduard Pranz ua Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages und S 95.000,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 17. November 1998, GZ 36 R 154/98k-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 20. September 1998, GZ 8 C 1055/97g-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in ihrem Punkt 1. (Aufhebung des Kaufvertrages) und hinsichtlich eines Zuspruches von S 65.000,-- samt 4 % Zinsen seit 14. 11. 1997 sowie hinsichtlich des Ausspruches, daß eine Gegenforderung von S 6.000,-- nicht zu Recht bestehe, als unbekämpft unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger kaufte bei der beklagten Partei am 29. 7. 1996 einen PKW BMW 520, Baujahr 1988, um S 95.000. Der Kilometerstand wurde dem Kläger gegenüber unter Hinweis auf die Auskunft des Vorbesitzers mit ca 94.000 angegeben. Der PKW hatte mehrere Vorbesitzer. Einer von ihnen, Mario B*****, ließ den schadhaften Tachometer bei einer Laufleistung von 137.000 km austauschen. Der neu eingebaute Tachometer wies lediglich einen Kilometerstand von ca 45.000 auf. Bei der Übergabe des PKWs an den Kläger war dieser bereits rund 189.000 km gefahren. Der Kläger meldete den PKW am 21. 8. 1996 zur Zulassung an und fuhr damit bis Mitte November 1997. Er legte während dieser Zeit ca 44.000 km zurück, dann traten Probleme mit der Kupplung, dem Getriebe, der Wasserpumpe und beim Starten auf. Der Kläger ließ folgende Reparaturen um folgende Beträge vornehmen: Stoßdämpfer vorne S 4.895; Kupplung ersetzen, drei Türleisten ersetzen, beide Vorderräder wuchten S 7.935,50; Reparatur der Wasserpumpe S 4.521,60; Zündkopf abbauen, reinigen und einbauen, Wasserpumpe und Zahnriemen erneuern, Ventile einstellen S 12.676; Ölwechsel und sonstige Reparaturarbeiten S 2.227. Insgesamt wendete der Kläger für diverse Reparaturen am Fahrzeug S 32.255,10 auf.

Mitte November 1997 trat ein Motorschaden auf. Seither benützte der Kläger den PKW nicht mehr. Der PKW ist bei einem Freund des Klägers abgestellt. Seitens des ARBÖ, der den fahruntüchtigen PKW abschleppte, wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß der damalige Kilometerstand von 138.000 anzuzweifeln sei.

Der Wert des PKWs im Zeitpunkt des Ankaufes durch den Kläger betrug ca S 60.000. Hätte der Kläger bei Abschluß des Kaufvertrages über den tatsächlichen Kilometerstand Bescheid gewußt, hätte er den PKW nicht gekauft. Er hätte bei Kenntnis der tatsächlichen Laufleistung auch nicht die angeführten Reparaturen vornehmen lassen.

Der Kläger begehrte die Aufhebung des Kaufvertrages und die Rückerstattung des Kaufpreises, wobei er sich auf die Aufhebungsgründe des Irrtums und der Verkürzung über die Hälfte stützte. Weiters brachte er bereits in der Klage vor, daß die von ihm getätigten Investitionen am PKW von etwa S 30.000 die "vom Kläger gefahrene Mehrleistung an Kilometern" ausglichen. Insgesamt begehrte er daher S 95.000 sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt das Vorliegen der geltend gemachten Anfechtungsgründe. Selbst wenn der Kaufvertrag aufzuheben sei, müsse sich der Kläger alle Vorteile anrechnen lassen, die er durch die Benützung des Fahrzeuges gehabt habe. Der PKW sei durch diese Benützung auch weniger wert geworden. Der Vorteil des Klägers und die Abwertung des Fahrzeuges seien mit zumindest S 36.000 zu bewerten. Die beklagte Partei wäre für den Fall der Vertragsaufhebung daher lediglich zur Zahlung von S 59.000 verpflichtet.

Hierauf replizierte der Kläger, er hätte die Investitionen bei Kenntnis des tatsächlichen Kilometerstandes nicht vorgenommen. Dieser Aufwand werde einem allfälligen Anspruch der beklagten Partei auf Wertminderung entgegengehalten.

Dazu brachte die beklagte Partei noch vor, daß die behaupteten Investitionen des Klägers nicht werterhöhend gewesen seien. Es handle sich bloß um altersentsprechende Reparaturen.

Das Erstgericht erkannte dahin, daß es 1. den Kaufvertrag aufhob, 2. das Leistungsbegehren als mit S 95.000 als zu Recht bestehend, 3. die Gegenforderung von S 36.000 als nicht zu Recht bestehend und 4. die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger S 95.000 sA zu ersetzen. Die Anfechtung des Kaufvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte komme wegen der fehlenden Wertdiskrepanz nicht in Betracht. Der Kaufvertrag sei jedoch gemäß § 871 ABGB wegen des von der beklagten Partei veranlaßten Geschäftsirrtums des Klägers über die Laufleistung des Fahrzeuges aufzuheben. Dem Kläger gebühre der Rückersatz des Kaufpreises. Der beklagten Partei stehe aber ihrerseits gemäß §§ 877, 1437 ABGB aus dem Titel der Bereicherung ein angemessenes Benützungsentgelt zu, das gemäß § 273 ZPO mit S 30.000 zu bemessen sei. Dem gegenüber gebühre dem Kläger als redlichem Besitzer Ersatz der von ihm aufgewendeten Reparaturkosten in Höhe von S 32.000 als werterhaltender Aufwand. Nicht zuletzt hätte der Kläger diesen Aufwand nicht getätigt, wäre ihm der tatsächliche Kilometerstand des Fahrzeuges bekannt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Aufhebung des Kaufvertrages und änderte das Urteil hinsichtlich des Zahlungsbegehrens teilweise dahin ab, daß es die Klageforderung mit S 95.000 als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung mit S 30.000 als zu Recht und mit S 6.000 als nicht zu Recht bestehend erkannte und die beklagte Partei daher verpflichtete, dem Kläger S 65.000 sA zu ersetzen. Das Mehrbegehren von S 30.000 sA wies es ab. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung zu Recht bejaht, sodaß der Kaufpreis zurückzuerstatten sei. Da der Kläger hinsichtlich der Feststellungen des Erstgerichtes über den Gebrauchsvorteil des Klägers und überhaupt zu diesem Thema in seiner Berufungsbeantwortung weder eine Mängel- noch eine Beweisrüge erhoben habe, sei für das Berufungsgericht davon auszugehen, daß eine wirksame Aufrechnungseinrede der beklagten Partei vorliege und daß die Gegenforderung jedenfalls mit S 30.000 zu Recht bestehe. Zu prüfen bleibe, ob diese Gegenforderung durch eine Gegenaufrechnungseinrede des Klägers betreffend die von ihm behaupteten Investitionen tatsächlich getilgt sein könne. Diese sei im Sinne der überwiegenden Rechtsprechung, daß die Gegenaufrechnungseinrede des Klägers aus prozessualen und materiellrechtlichen Gründen unzulässig sei, zu verneinen. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger veranlaßten Reparaturen werterhaltend oder werterhöhend gewesen seien. Der Kläger müsse diese Kosten jedenfalls selbständig einklagen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Gegenkompensationseinrede des Klägers lediglich eine bereits länger zurückliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Die Revision des Klägers, die sich gegen den Ausspruch des Zurechtbestehens der Gegenforderung und dementsprechend gegen die Abweisung von S 30.000 richtet, ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der angefochtenen Urteile in diesem Umfang berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Aus dem vom Kläger bereits in seiner Klage erstatteten Vorbringen, daß er auf den PKW Aufwendungen von S 30.000 getätigt habe, daß diese aber - sinngemäß - durch den Gebrauchsvorteil des Klägers ausgeglichen würden, sodaß er (nur) den Kaufpreis begehre, ergibt sich, daß er als Klagegrund neben der Kaufpreisrückforderung auch einen Anspruch auf Ersatz seiner am PKW vorgenommenen Investitionen geltend gemacht hat. Gleichzeitig hat er hiebei die Gegenforderung der beklagten Partei in Höhe von S 30.000 auf bereicherungsrechtliche Herausgabe des Gebrauchsvorteiles berücksichtigt und somit letztlich insgesamt S 95.000 sA eingeklagt. Dadurch hat der Kläger der beklagten Partei seinen Willen zu erkennen gegeben, ihre Forderung durch Aufrechnung mit seiner eigenen Forderung (Rückerstattung des Kaufpreises plus Aufwandersatz) zu tilgen (§ 1438 ABGB). Er hat die Gegenforderung der beklagten Partei von seiner eigenen Forderung abgezogen und nur mehr jenen Betrag geltend gemacht, der ihm seiner Auffassung nach darüber hinaus zusteht. Zu dieser Vorgangsweise war er zweifelsohne berechtigt. Der Kläger kann sich darauf beschränken, den Überschuß seiner Forderung zu verlangen. In einem solchen Fall hat jedoch die beklagte Partei keine Möglichkeit mehr, ihre Gegenforderung im Rechtsstreit aufrechnungsweise einzuwenden (Gschnitzer in Klang2 VI, 496; 4 Ob 514/74; 7 Ob 535/81). Es ist dann nur zu prüfen, ob tatsächlich die Klageforderung im behaupteten Ausmaß bestand und durch Aufrechnung mit der Gegenforderung der beklagten Partei getilgt wurde sowie wieviel darüber hinaus noch zusteht. Über eine prozessuale Aufrechnungseinrede kann ja immer nur dann und soweit entschieden werden, als die Klageforderung als zu Recht bestehend erkannt wird (4 Ob 514/74).

Im Bestreitungsvorbringen der beklagten Partei, der Kläger müsse sich einen Vorteil für die Benützung des PKWs in Höhe von S 36.000 anrechnen lassen, kann daher nur insoweit der Einwand einer Gegenforderung erblickt werden, als ein S 30.000 übersteigender Gebrauchsvorteil geltend gemacht wurde, weil der Kläger ohnehin bereits seinerseits S 30.000 zugunsten der beklagten Partei in Anschlag gebracht hat. Im übrigen aber hat die beklagte Partei bestritten, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der Investitionen zustehe, sodaß sich ihrer Ansicht nach der tatsächlich begehrte Betrag entsprechend mindere.

Durch den Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Gegenforderung mit einem Teilbetrag von S 6.000 nicht zu Recht bestehe, kann sich der Kläger allerdings nicht für beschwert erachten. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages von S 30.000 macht er in seiner Revision aber zu Recht geltend, daß insoweit eine Gegenforderung nicht eingewendet wurde (und auch, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, nicht wirksam eingewendet werden hätte können). Es stellt sich hier daher auch nicht die Frage der Zulässigkeit einer Gegenaufrechnungseinrede, hat doch der Kläger von vorneherein seine ihm seiner Meinung nach zustehende Gesamtforderung um S 30.000 reduziert.

Es bleibt daher zu prüfen, ob dem Kläger der von ihm bereits in der Klage mit S 30.000 bezifferte, nach wie vor aber strittige Aufwandersatz zusteht.

Obgleich nach dem vorliegenden Akteninhalt ein Schadenersatzanspruch des Klägers mangels hervorgekommenen Verschuldens der beklagten Partei zu verneinen ist, ist doch die Frage eines Bereicherungsanspruches im strittigen Umfang ungeklärt.

Der redliche Inhaber einer körperlichen Sache kann bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung (§ 877 ABGB) seine Ansprüche auf Ersatz des notwendigen und nützlichen Aufwandes (§ 331 ABGB) begehren. Der Ersatz des Aufwandes ist aber zweifach begrenzt:

Einerseits durch den noch vorhandenen, also den gegenwärtigen Wert der Aufwendungen und andererseits, wenn diese Wertsteigerung den wirklichen Aufwand übersteigt, durch diesen (JBl 1994, 171 mwN). Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, welcher real verschaffte Nutzen der beklagten Partei durch die festgestellten Investitionen des Klägers am PKW verblieb. Dies wird nun im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein.

Da aber bereits jetzt aufgrund der in Rechtskraft erwachsenen Teile der Entscheidungen der Vorinstanzen feststeht, daß dem Kläger zumindest S 65.000 zustehen und eine Gegenforderung der beklagten Partei von S 6.000 jedenfalls nicht zu Recht besteht, war nur in dem den Betrag von S 65.000 übersteigenden Ausmaß mit einer Aufhebung vorzugehen. Je nachdem, ob und in welchem Umfang ein Bereicherungsanspruch des Klägers aufgrund der ergänzend zu treffenden Feststellungen hinsichtlich seiner Investitionen am PKW zu bejahen sein wird, wird sich der Zuspruch allenfalls noch erhöhen, wobei jedoch darauf Bedacht zu nehmen sein wird, daß nicht mehr als insgesamt S 95.000 sA eingeklagt wurden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.